2 : 1 für Freundlichkeit

Nochmals Einkaufs-Ochsentour, diesmal in die Innenstadt, diesmal für den MamS.
Es bestand eine einfache Zielvorgabe: Er wünschte ein Polohemd, schwarz oder anthrazitfarbig mit Reißverschluss statt Knöpfen und ohne Brusttasche. In einer Stadt, die mit jeder erdenklichen, möglichen und unmöglichen Klamottenkette aufwarten kann meint man, sei dies ein Klacks und in einer halben Stunde über die Bühne. Weit gefehlt. Zuerst führte unser Weg in das Haus mit dem schon sehr fragwürdigen Slogan „… ich freu mich drauf!“ den ich hier nicht unterschreiben kann. In der Herrenabteilung, vollgestopft mit Bekleidung, wollten wir nicht wertvolle Zeit verlieren und hielten nach Bedienungspersonal Ausschau. Ich erblickte eine junge Dame, fragte, wo wir das Gesuchte finden könnten und sie hob ihren Arm wie die Assistentin eines Zauberkünstlers und beschrieb damit einen Halbkreis, der die halbe Etage abdeckte, was bedeuten sollte, dass wir „da drüben“ fündig würden. Da drüben fanden wir aber nur deprimierend hässliche, dicke Pullover und grauenvolle Sweatshirts, bis ich mir einen Jungspund krallte, der aus dem Auszug kam und ein lustiges, kleines Button am Hemd trug, das ihn als Mitarbeiter des Hauses auswies. Ich erklärte ihm unser Begehr und, natürlich, war er nicht aus der Abteilung, kenne sich deshalb nicht aus und versprach aber freundlich, jemanden für unsere Anfrage herbeizuholen. Er ging schnurstracks zu einem Verkäufer, der schon in dieser Abteilung seinen Dienst versah, als ich noch mit der Trompete um den Christbaum rannte, er ist ein Dinosaurier, ein Fossil und er hat sich in den vielen Jahren kaum verändert. Gewachsen ist er auch nicht und freundlich schauen kann er auch noch immer nicht. Für ihn scheint jeder Kunde ein lästiges Insekt zu sein und er fühlt sich als der einzig sachkundige Schädlingsbekämpfer des Hauses. Der Kammerjäger hing gerade irgendwelche schrecklichen Jacken an einen Ständer und muffelte den Jungspund an, dass er die Kollegin da hinten holen solle. Zwischen zwei Regalen kauerte eine bebrillte Dame, die ihr offenbar gefährliches Glotzofon an die Kette legen muss (ich finde Brillenketten höchst affig, wusstet ihr das?) und auch dieser erklärte der Jungspund die Sachlage. Sie unterbrach ihre Tätigkeit und kam mit einem, nichts gutes verheißenden Blick auf uns zu. „Schon wieder dieses lausige Gesocks von Kundschaft“, schien sie zu denken. „Die vermasseln mir bestimmt wieder die Kaffeepause und der Alte schaut auch schon wieder so komisch.“ Ob sie genau das dachte, weiß ich natürlich nicht, aber ihrem Blick entnahm ich etwas Feindseliges. Ich hob also erneut an, blabla Polohemd blabla Zipverschluss blabla, bloß keine Brusttasche blablabla … Ich hatte kaum meinen Satz beendet, sah ich, wie sich ein verstohlenes Lächeln in ihr Gesicht schlich und sie antwortete: „Neee, also so was hamwirhiernich.“ Sie merkte wohl, dass ich mich mit dieser etwas zu schnell dahergerotzten Antwort nicht recht zufrieden geben wollte und erklärte, mehr pro forma, „da hinten“ nochmals nachsehen zu wollen und steuerte in die Richtung der abscheulichen Pullover, wo sich das Gesuchte selbstredend nicht fand. Es schien mir, als sei sie tief in ihrem schwarzen Herzen froh, nicht das Richtige auf Lager zu haben. Vielleicht war es wirklich kurz vor ihrer Pause, die sie sich nicht durch uns unwürdiges Getier verderben lassen wollte …

Durch diverse andere Geschäfte führte unser Weg und wir landeten in einem der vermeintlich teuersten Herrenbekleidungsgeschäfte dieser Stadt. Was soll ich lang herumreden? Auch hier kein Zip-Shirt weit und breit, aber wir fanden ein anthrazitfarbenes Shirt mit Rollkragen. Schlicht und ergreifend für 16,95 €, aus wundervoll leichtem Material, sehr junge, ausdauernd freundliche und sachkundige Beratung inklusiv. Es geht also auch anders …

Im Schuhgeschäft daneben gefiel mir die Dekoration mit indischen Kissen zwischen teuren Stiefeln so gut, dass ich fragte, ob diese Kissen möglicherweise eventuell und unter Umständen verkäuflich seien und die ebenfalls sehr nette Verkäuferin bejahte tatsächlich, holte sämtliche indischen Kissen aus dem Schaufenster, ließ uns in Ruhe die richtige Farbe aussuchen und ging mit dem Preis sogar noch 1/3 auf 20,00 € runter (Hülle plus hochwertiges Kissen übrigens!). Wenn ich jemals Stiefel für 295,00 € kaufen möchte, komme ich bestimmt wieder …

Eben habe ich noch schnell diesen

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freundlichen Herrn mit einem Hinweis auf Weiterungen im Fall des erneuten Diebstahls der Zeitung an den Briefkasten geklebt. Ja, Leute, heute ist schon wieder Samstag …

Eine geruhsame Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

7 commenti su “2 : 1 für Freundlichkeit

  1. socki sagt:

    Den Typ kenn ich doch, wer ist das? Also der auf dem Bild! Er sieht ein bißchen aus wie Roberto Capelutti.
    Servicewüste Deutschland. In die großen namhaften Kaufhäuser darf man echt nicht mehr reingehen. Da gehts mir auch wie Dir. Die Sparen an Personal, daß es knallt. Im Karstadt habe ich mal eine Verkäuferin zum Wahnsinn getrieben als wir ein Hochzeitsgeschenk geordert haben. Dafür brauchten wir die Geschenkeliste aus Hamburg. Das war ein Akt.
    Die Beratung in kleinen Läden, die auf ihre Kundschaft angewiesen sind, ist eindeutig besser. Da haste dann auch nicht das Gefühl die schwatzen einem was auf weil sie am Umsatz beteiligt sind oder wahlweise weil sie keinen Bock auf Kundschaft haben.

  2. morgiane sagt:

    mal von der anderen seite betrachtet: wenn frau im laden steht, drei dinge gleichzeitig erledigen soll, nämlich laden sauber halten, ware ausräumen und dekorativ präsentieren und mit mehr oder weniger netten kunden beratende gespräche führen und das für einen stundenlohn, der einer sau graust, dann bleibt auf dauer was auf der strecke. zieht man zufriedene kundschaft vor und der laden versinkt im chaos, ist der job futsch, kommt man mit dem auspacken nicht hinterher, ist der job futsch und beschweren sich die kunden…weißt du jetzt, warum ich diesen top-job leichten herzens an den nagel gehängt habe?
    service-wüste…ja..klar…aber zu winz-preisen kaufen wollen und top-service erwarten…kommt fast der quadratur des kreises gleich…

  3. barbara sagt:

    wenn man etwas Bestimmtes sucht, findet man das eh nicht. Ich tendiere aus Schusseligkeit manchmal dazu, Sachen anzuziehen, die irgendwie nicht zusammen passen, ist mir aber egal.
    Von Servicewüste kann ich hier nicht sprechen. Bisher waren Verkäufer/innen immer sehr hilfsbereit, aber den lang gesuchten hellblauen Pullover mit oben zip hab ich immer noch nicht.

  4. barbara sagt:

    das Foto ist geil und hast Du auch einen Spruch dafür?

  5. moggadodde sagt:

    Der Typ kann ganz schön böse gucken, gell? Ich habe ihn gestern ausgedruckt und drunter in leuchtend roten Buchstaben „Lass‘ die Zeitung stecken, sonst …“ geschrieben. Sie steckte heute früh jedenfalls brav an ihrem Platz … Der MamS meint, das sehe ziemlich assi aus, ich finde es witzig und obendrein wirkungsvoll. Da kann man jetzt wohl drüber streiten …

  6. bt sagt:

    Ich fand die Idee mit mit dem Zettel sehr, sehr gut!

    Sie bietet die Chance mit den Leuten im Haus, die eventuell die Zeitung geklaut haben einigermaßen klar zu kommen. Irgendwie müsste es ja nach einer offiziellen Enttarnung des Diebs wieder normal im Haus weiter gehen. Und wenn alle wissen, einer im Haus klaut den anderen das Zeugs aus dem Briefkasten, macht das keine besonders gute Stimmung. So weiß jeder was los ist, und wenn der Täter im Haus wohnt, wird damit Schluß sein.

    Dienstleistung Einzelhandel, das ewige Problem.
    Mitarbeiter der alten Denke, mit den uralten Rechtsansprüchen an ihren Arbeitgeber kontra neue Personalpolitik mit ‚Humankapital‘ und Sklavenhaltermentalität. Der Mittelweg würde sich finden, wenn Arbeitgeber ihre Mitarbeiter nicht als Roboter sondern Menschen behandeln. Wer als solcher wertgeschätzt wird, fühlt sich auch so und setzt sich entsprechend engagiert ein. Ich sehe dahinter also nur ein Führungsproblem.

  7. moggadodde sagt:

    Natürlich wurden wir wegen des Zettels angesprochen und es stellte sich heraus, dass auch anderen Hausbewohnern dann und wann die Zeitung fehlte. Ich denke auch, dass das Thema vom Tisch ist, fürs erste zumindest, denn der freundlich dreinblickende Herr bleibt hängen. Am Briefkasten, meine ich.

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