Ein Strich und eine Rechnung

Gestern habe ich unseren Wohnzimmerschrank „Zulu“ gesehen, wie er erst langsam und ruhig dahinschwamm und wegen der Front aus Vollholz einige Zeit an der Oberfläche dahintrieb. Daneben dümpelte unser Eßzimmertisch „Figo“ 160 x 90 cm, Kernbuche natur und die passende Bank sowie die Stühle „Momo“, die sich bemerkenswert lange an der Oberfläche hielten. Irgendwann hörte ich ein geräuschvolles Blubbern und etwas später als „Zulu“ gingen „Figo“ und „Momo“ in trüben Fluten unter.

So ist es, wenn das Gerücht umgeht, die Vermieterin „Karin“ mache die Runde durchs Haus und brächte böse Kunde mit Namen „Nebenkostenabrechnung“. Jede Partei müsse diesmal blechen, nicht zu knapp, nur das Modell „Hanns“, genügsamer Ruheständler, erhielte süßen Lohn durch teilweise Rückerstattung seiner Vorauszahlungen.
Der Nachbar oberhalb erzählte, er habe von „Karins“ eigener Zunge gehört, dass er selbst über 400,00 € nachzahlen müsste, weshalb er in diesem Sommer gar keinen Urlaub bräuchte und sich lieber in sein Gemüsebeet legen und die Tomaten streicheln wollte.
Nachdem dieser Nachbar, Ausführung „Gimli“ nicht zuletzt wegen seiner und der geringen Größe der Mitglieder seiner Familie schon immer weniger nachzahlen musste als wir (immerhin braucht so ein kurzer Körper z.B. weniger Waschwasser, die Kleidung ist kleiner und die Waschmaschine kann mit mehr Hemden gefüllt werden, weshalb sich die Anzahl der Durchgänge erniedrigt), hege ich die Befürchtung, dass uns „Karin“ heute Abend eine teure Ãœberraschung bringt.

Wir brauchen gar keinen neuen Wohnzimmerschrank. Wenn wir noch ein paar Jahre warten, können wir ihn lukrativ an ein Museum verkaufen. Er ist im Grunde noch gut in Schuss und, ja, wenn ich ihn mir so anschaue, gefällt er mir plötzlich wieder! Der schöne schwarze Korpus, die silbergraue Front, Modell „Trendy“ hat uns ja in den letzten 19 Jahren treu gedient. Auch der Esszimmertisch, Ausführung „altbacken“ und die unruhig gemusterten Polsterstühle „Adenauer“ sind kein Fremdkörper im Auge meiner Betrachtung und stehen hier seit fast 10 Jahren. Hier sitzt man richtig bequem, auch über Stunden und es ist fraglich, ob „Momo“ und seine Geschwister gleiche Qualitäten gehabt hätten.

Weil ich aber meine Pläne nur ungern in schmutzigen Fluten versinken sehe, regt der MamS an, die Abrechnung diesmal von kundiger Stelle prüfen zu lassen, ich habe unerklärlicherweise kleine Skrupel vor diesem Vorgehen, immerhin hatten wir mit „Karin“ und ihrem Gatten in manch lauschiger Sommernacht einen schönen Rausch, Modell „Ramazzotti“ und auch sonst ein ungetrübtes Verhältnis.
Egal. Michael Ende hat mich nie interessiert, Zulus sind mir suspekt und Figo ist nur ein alter Fußballer. Die hohe Kunst der nachhaltigen Zufriedenheit besteht darin, sich mit dem zu bescheiden, was einem bereits zugeteilt wurde, sagt der Volksmund und das dachte ich bisher auch.
In diesem Bericht im Focus allerdings steht die „Bescheidenheit“ an letzter Stelle der Eigenschaften, die ein hohes Maß an Lebenszufriedenheit garantieren sollen, während ganz oben die „Hoffnung“ zu finden ist.
Wenn ich nicht irre, bin ich mit meiner eingeredeten Bescheidenheit also auf dem Holzweg, packe meinen unerschütterlichen Optimismus an den Hörnern und hoffe, dass sich zumindest „Zulu“ realisieren lässt.

Das

Fremdwort des Tages,
Frugalität

bedeutet „Einfachheit“ und „Genügsamkeit“ und nachdem ich zwar viel bin aber keineswegs frugal, stelle ich für alle Fälle den Ramazzotti schon mal auf Eis. Vielleicht kann ich ja ein bisschen handeln mit der teuren Karin, dann reicht es vielleicht noch zu einer Anbauwand Marke „Jaffa“.

Euch einen zufriedenen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

3 commenti su “Ein Strich und eine Rechnung

  1. bt sagt:

    Wenn es einer drauf anlegt, bringt er jede Nebenkostenrechnung zu Fall. Sie juristisch niet- und nagelfest zu erstellen, ist quasi unmöglich (unsere Erfahrung). Wenn ihr aber mit der Vermieterin einigermaßen gut klarkommt, muss man das ja nicht unbedingt austesten (auch unsere Erfahrung… ich greife damit sozusagen deinem nächsten Beitrag vor). Ansonsten wieder mal ein glänzend geschriebener Beitrag. Weiß gar nicht warum der kaum auf Resonanz stößt.

  2. morgiane sagt:

    weil, zumindest bei mir, lieber bt ein sehr merkwürdiges Gefühl in der Magengegend auftaucht…
    Nein, wir sind keine Energieverschwender und der zusätzliche Wasserverbrauch durch zwei reinliche Mädels wird von den zwei männlich-herb duftenden (eigene Einschätzung) wieder aufgefangen. Nur trotzdem ist mir jedes Mal vorm Stichtag bange…träume von astronomisch hohen Zahlen…

  3. moggadodde sagt:

    @ bt: Die Segen der Mieterschaft sind hier wirklich nicht zu unterschätzen: Zickt das Warmwasser, hängt die Jalousie oder liegt was Sanitäres an – Anruf genügt und sehr zeitnah wird repariert. Nee, die beiden sind schon in Ordnung und weil ihr das mit der hohen Rechnung so unangenehm war, packten wir die Gelegenheit und baten um Einbaugenehmigung für verschiebbare Fliegengitter, die sie uns natürlich nicht abschlug …
    Danke für dein Lob. Ich finde ihn auch sehr gelungen – aber vielleicht spreche ich tatsächlich, wie morgiane meint, die Urängste aller Mietparteien an …

    @ morgiane: Wird schon nicht so schlimm werden … aber das flaue Gefühl kenne ich auch.

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