Haart aber herzlich

Wochenendgast Schatzi hat sich einer umfassenden Typänderung unterzogen. Während er beim letzten Besuch noch eine gepflegte, schulterlange Matte trug, die er gern einmal zum Zopf band, erschien er gestern vollkommen verändert. Die Seitenpartien kurz geschoren, in der Mitte von der Stirn bis in den Nacken findet sich ein naturbelassener Streifen Haar von ca. 15 cm Länge. Wohl weil er fürchtete uns zu düpieren, trug er diesen Haarstreifen gestern noch seitlich herabhängend, heute aber stylte er sich seinen „Iro“ zu voller Höhe, bevor er sich mit Dixie ins Kino verabschiedete.
Schatzis neue Haartracht sorgte für eine angeregte Diskussion zwischen mir und dem MamS. Er ist der Meinung, in Zeiten, in denen ein Jugendlicher schon wegen eines hippen Handys oder angesagter Sneakers auch im ansonsten gemäßigten Weißwurstgrenzgebiet gewisse Begehrlichkeiten einiger unterprivilegierter Zeitgenossen wecken könnte, biete eine solche Frisur eine zusätzliche Angriffsfläche. Ich hingegen plädierte für die Frisurfreiheit und bekundete meinen Respekt vor diesem Schnitt Schritt, selbst wenn mir Schatzis neuer Kopf so auch nicht für 5 Minuten gefällt. Wo würde es hinführen, wenn man sich gezwungen sieht, einen unauffälligen Bubikopf spazieren zu führen, statt der ersehnten Dreadlocks, nur um nicht zur Zielscheibe für unterbelichtetes oder kleinkriminelles Ganovengesindel bzw. vorurteilsbehaftete Intoleranzbolzen zu werden? Der MamS meint, das wäre vielleicht nicht besonders mutig, berge aber eben auch nicht das Risiko, im Stadtpark von einer gruppendynamisch potenten Posse provoziert oder verprügelt zu werden. Ich aber denke, jeder sollte das Recht haben, seine Haare so zu tragen, wie er es möchte, ohne befürchten zu müssen, wegen einer Frisur dumm angemacht zu werden. Dass er mit seinem Irokesen später in der Arbeitswelt kein Bein auf den Boden bekommen wird, dürfte Schatzi noch aufgehen, aber er ist noch sehr jung und muss sich doch jetzt noch ausprobieren! Außerdem zählt auch hier der Inhalt und nicht die Verpackung.
Mag sein, dass ich hier zu naiv bin, aber ich bin immer noch Anhängerin des vielleicht irrigen Glaubens, dass die Welt und die Menschen darauf nicht ganz so schlecht sind, wie es auf den ersten Blick scheint.
Dass Schatzi mit seinem neuen Look den kleinen Hank kolossal beeindruckt hat, muss ich sicher nicht erwähnen und dank der Familienjahresration Gel, die seit der Kommunion hier herumdümpelt, wird er jetzt vielleicht öfter so

imgp1542.JPG

herumgockeln. Wie ich meinen eher stinkfaulen bequemen Ableger allerdings kenne, wird er aber bald schon zur sportlich-zweckmäßigen Einheitsfrisur zurückkehren. Vorläufig jedenfalls …

Euch einen schneidigen Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

4 commenti su “Haart aber herzlich

  1. babs sagt:

    Klar ist ein Iro ein guter Aufhänger, wenn’s um Opfersuche geht. Genauso wie grüne Schnürsenkel, ortsfremd zu sein, komisch zu gucken und was man noch so anstellen kann, um unangenehm aufzufallen. Ein Grund findet sich immer. Hier ist tatsächlich mal einer unserer harmlosesten Zeitgenossen fast durch die Scheibe gedrückt worden, weil er „komisch geguckt“ hat.

  2. moggadodde sagt:

    Stimmt. Komisch gucken kann auch schon ein großer Fehler sein. Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, auch. Sich aus Furcht vor halbstarkem Halbweltgesindel aber in ein Schneckenhaus zurückzuziehen, kommt einer Kapitulation gleich. Natürlich wäre die Unauffälligkeit da etwas sicherer. Würde ich sie damit aber letztendlich nicht noch bestärken?

  3. babs sagt:

    Auf alle Fälle würde man ihnen das Feld überlassen. Auffallen kann auch abschreckend wirken: Der/die hat Mut. Gegen eine Gruppe hilft das zwar auch nicht, aber gegen Einzelne schon.
    Der Furcht nachzugeben, bringt mir letzten Endes nichts. Es schützt mich nicht wirklich und es macht mich nicht glücklich. „He, ich hab für meinen Iro sogar Prügel bezogen.“ fühlt sich, glaub ich, besser an als „Ich arme Sau hab doch gar nichts gemacht.“ Deswegen muss nun nicht jeder mit bunten Haaren rumlaufen. Hauptsache: nicht verbiegen.

  4. moggadodde sagt:

    Schönes Schlusswort, babs! Und der Iro ist so stark gegelt, dass da ein Verbiegen gar nicht mehr möglich ist, so hart ist das Zeug 😉

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert