Mein erstes Mal

Angelehnt an den Bericht von Herrn Hith, der von seiner Premiere im Aufzugsteckenbleiben berichtet, hatte ich heute auch mein erstes Mal – in der Disziplin „Oh, Mist, der winkt mich raus“ „verdachtsunabhängige Verkehrskontrolle“.
Erstmals in 20 Jahren Führerscheinbesitz wurde ich heute kontrolliert, kaum zu glauben eigentlich, denn ich bin beinahe täglich mit dem Auto unterwegs. Der freundliche Jungspund Beamte wollte allerdings nur Führer- und Fahrzeugschein sehen, womit ich selbstredend dienen konnte. Meine Besorgnis, er wollte vielleicht auch noch den Verbandskasten auf Vollständigkeit überprüfen, war glücklicherweise umsonst. Etliche, kleine Unterwegsnotfälle haben den Pflasterbestand bedenklich dezimiert und wie hätte ich dem Mann erklären sollen, dass ich die vorgeschriebenen Einmal-Handschuhe zur Herstellung meines hausgemachten Tiramisu benötige und sich die gülden-silberne, hauchdünne PVC-Rettungsfolie gerade im Keller beim Weihnachtsschmuck befindet, weil sich damit der Festtagstisch so schön stimmungsvoll dekorieren lässt?
Immerhin führe ich die quietschige Rettungsweste mit und die verbliebenen Verbandsprodukte sind noch bis April 2008 haltbar. Trotzdem werde ich mich baldmöglichst um Ersatz bemühen und vielleicht sollte ich auch mal wieder einen Erste-Hilfe-Kurs besuchen. Was nützt der beste Verbandskasten, wenn beim aufgeregten Versuch, eine klaffende Wunde mit einem Druckverband zu verarzten ein blutiger Stümper am Werk ist?
Also, checkt mal, ob auch ihr alle Tassen im Schrank einen kompletten und noch nicht verfallenen Verbandskasten habt!

Euch einen unblutigen Abend wünscht
moggadodde

Nicht Fisch, nicht Fleisch

Die Wahl des richtigen Hairstylisten ist für eine Frau ja beinahe so wichtig wie für so manchen Mann die Bundesligatabelle am Sonntagabend. Naja, nicht für alle, aber für viele.
Ãœber den Salon „Zum Doppelten Lottchen“ gibt’s im Grunde nichts zu meckern. Zwischen gewickelten, unter der Trockenhaube schlummernden Ömchens und plärrenden Dreijährigen, die auch gegen Bestechungsversuche mit Gummibären das langmähnige Köpfchen partout nicht zum Nackenschnitt beugen wollen, versenke ich mich stets tief in die „Frau im Spiegel“ oder ins „Goldene Blatt“ und schlürfe an meinem Kaffee. Immer, wenn ich den Salon „Zum Doppelten Lottchen“ verlasse, sehe ich fast aus wie vorher. Gut, frisch coloriert und um einige Zentimeter gekürzt bin ich wohl, aber niemandem aus meiner Peripherie fällt mein um die 65 Euro teurer Ausflug in eine plüschige Filiale der chemischen Industrie so recht auf.
So stand mir heute der Sinn nach etwas mehr Veränderung und ich schlug das Telefonbuch auf und studierte die Einträge. Ich entschied mich sehr mutig für einen der bekanntesten Coiffeure und bevor ich mir das nochmal überlegen konnte, rief ich an und bat um einen Termin.

Sie: „Salon Glatzkopf. Was kann ich für Sie tun?“
Ich: „Tach. Mogga mein Name. Ich hätte gerne einen Termin noch in dieser Woche, wenn es geht“.
Sie: „Ja, lässt sich machen. Bei wem?“
Ich: „Das müssen Sie mir sagen. Ich war nämlich noch nie bei Ihnen.“
Sie: „Wollen Sie lieber jemand jüngeren oder jemand älteren?“

Jetzt wurde ich stutzig. Wenn ich mich für eine jüngere Friseurin entschied, würde ich den Laden vielleicht vollkommen entstellt wie ein aufgeplatztes, grünes Sofakissen verlassen, weil die 13jährige Auszubildende die Farben verwechselt und noch nie eine Schere in der Hand gehabt hat. Würde ich mich für eine ältere Mitarbeiterin aussprechen, sähe ich danach eventuell aus wie Mireille Mathieu oder Angela Merkel.

Ich, vorsichtig: „Ich habe generell keine Vorurteile, weder gegen junge, noch gegen ältere Mitarbeiter. Ich will nur einen einigermaßen peppigen Haarschnitt und eine nicht zu grelle Farbe“.

Sie gab mir einen Termin für Donnerstag und als ich auflegte, wurde mir einmal mehr bewusst, dass ich im Moment quasi alterslos bin. Ich bin zu alt für die Jungen und zu jung für die Alten. Wenn ich in den Katakomben den studentischen Aushilfen zuhöre, die in überheblicher Selbstsicherheit die Weisheit mit Suppenkellen gefressen zu haben scheinen, könnte ich, ohne hochstapeln zu wollen, mitreden, wenn es z.B. um RSS, den letzten Muse-Auftritt im Wembley-Stadion oder die Wirkung von Jägermeister-Red Bull auf ungefüllte Mägen geht. Nun sehe ich leider nicht mehr aus wie Anfang 20, werde deshalb in derlei Gespräche nicht eingebunden und den Teufel tun und mich ungefragt in diese Debatten einmischen, um nicht als überkandidelte Muddi belächelt zu werden, die mit ihrem Alter nicht klar kommt.
Bei den bejahrteren Mitarbeiterinnen fange ich gar nicht erst an von Bloggen, Downtime oder Gravataren zu reden, weil dort in erster Linie über Geranienzuchtprobleme, braune Flecken an Tomatenstauden oder den richtigen Umgang mit halsstarrigen Enkeln diskutiert wird und weil ich keinen grünen Daumen und keine Enkel habe, gehöre ich dort auch nicht dazu.
Eine prekäre Situation also, die sich, realistisch betrachtet, nur dadurch lösen lässt, dass ich selbst noch älter werde, bunte Geranien pflanze und Oma von halsstarrigen Enkeln werde, was sich mir aber im Moment auch nicht als besonders prickelnd darstellt.
Ich werde also noch eine gewisse Zeit den Habitus der alterslosen Nomadin zwischen den Generationen pflegen müssen, bevor ich mich zwangsläufig endgültig im Lager der welken Walküren niederlasse. Zuerst aber werde ich mir aber am Donnerstag einen richtig geilen Haarschnitt verpassen lassen und mich zumindest temporär ein bisschen so fühlen, als wäre ich von der Altersdemenz noch mehr als ein paar lausige Jahre entfernt. Ich finde übrigens, Friseure haben einen sehr verantwortungsvollen Beruf. Ich hoffe nur, ich gerate am Donnerstag an ein besonders fähiges Exemplar, ob jung oder alt ist mir dabei vollkommen egal …

Euch eine schneidige Nacht wünscht
moggadodde

Hexenküche

Beim erstmaligen Kontakt mit dem Begriff „Molekularküche“ dachte ich, unbedarft und einfältig, an die mittlerweile wieder rückläufige Architekten-Unsitte, Neubauten mit Kochzonen in der Größe eines Badetuchs zu planen. Bei näherer Betrachtung allerdings wurde mir klar, dass es sich um eine neue Spielart der nächsten Generation cucinarer Großmeister handelt, die unter Einsatz wissenschaftlicher Erkenntnisse aus Physik und Chemie vollkommen neuartig dargebrachte Speisen kreiert.
Da wird Olivenöl und Basilikum in Stickstoff vereist, da werden Gemüsesäfte mit Algenzucker in Kalziumlaktat verkapselt und über allem schwebt das Zauberwort „Sphärisierung“, das ich bis dato nur mit einem erweiterten Bewusstseinszustand nach üppigem Genuss einiger filigran gedrehter Tüten in Zusammenhang gebracht hätte.
Zur Kontrolle des ph-Werts kann der ambitionierte Molekularmaestro online Natriumzitrat erwerben, Xanthazoon für viskose Soßen, Methylzellulose für die Gelifikation oder auch ein 4er Spritzen-Set für die Herstellung von Fake-Kaviar.
Zugegebenermaßen: Dem unvoreingenommenen Auge bietet die Molekularküche, einen fähigen Fotografen und fortgeschrittene Chemiekenntnisse vorausgesetzt, einige visuelle Leckerbissen weshalb ich diese Art des Umgangs mit Lebensmitteln auch nicht in die Kategorie „Kochkunst“ sondern eher bei „Artificial Food Design“ einsortieren möchte.
Ich war in Chemie und Physik eine absolute Niete nie eine besondere Leuchte und damit bei drei meist ausgehungerten Mitbewohnern keine Meuterei ausbricht, brauche ich anständige Portionen auf den Tellern, deshalb wage ich mich an solche Experimente gar nicht erst heran. Und wenn ich Lust auf Verdickungsmittel und Stabilisatoren verspüre, gehe ich entweder zum China-Mann oder kaufe im Supermarkt in der Tütensuppen-Abteilung ein. Da habe ich dann das Gleiche, nämlich imitierte Nahrung, allerdings zum familientauglichen Preis.

Auch unter Nachahmung aller auf den gekauften Packungen gezeigten „Serviervorschlägen“ – so schön wie auf den obigen Fotos sehen die Fertiggerichte aus der synthetischen Küche hier aber leider nie aus. Wird wohl an der fehlenden „Sphärisierung“ liegen, auch wenn ich noch immer keine Ahnung habe, was das ist …

Euch einen gesättigten Tag wünscht
moggadodde

Dour de Frangn

Ein bisschen Kultur hat ja noch niemandem geschadet und so haben der MamS und ich gestern eine Führung durch das fränkische Perlchen Sulzfeld

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begleitet, wo wir neben beklemmenden Informationen über den frauenhassenden Fürstbischof Julius Echter auch unterhaltsame Anekdoten hörten wie die, dass dieses Dörfle als Geburtsort der sogenannten „Meterbratwurst“ gilt.
In einem Lokal gilt als Rekord der Genuss von 6 m Bratwurst (was in etwa 30 einzelnen Würsten entspricht) und wer diese Marke knackt, hat, so heißt es, angeblich sämtliche Verzehrkosten frei.
Eine fast südländisch anmutende Bebauung um enge Gässchen und liebevoll dekorierte und meist immens aufwendig restaurierte Fachwerkhäuser prägen das Bild dieses schnuckeligen Örtchens.

Noch nie hatte ich als Fränkin und gebürtige Mainschleifen-Bewohnerin an einer sogenannten „Weinprobe“ teilgenommen. Eine solche findet optimalerweise direkt bei einem Winzer statt und wir hatten uns das Weingut Luckert ausgeguckt, wo wir nach einer deftigen Brotzeit

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mit delikatem Tischwein in mehreren Durchgängen mit diversen Perlen unter den fränkischen Rebensäften verwöhnt wurden. Der sympathische Winzer erläuterte geduldig die retronasale Probiertechnik und tatsächlich: Mit dem ansich verpönten Schlürfen und dem damit eingezogenen Sauerstoff reagieren die Geschmacksknospen auch auf der trainierten Trinkerzunge vollkommen anders und es erwies sich als Vorteil, dass der Tisch eine gewisse Breite aufwies, denn der eine oder die andere war ob des affigen Aussehens dieser Technik schnell versucht, mit weingefülltem Mund laut loszuprusten.
Spätestens nach dem dritten, verkosteten Wein hatte aber jeder die richtige Technik intus und fachspezifische Begriffe wie „kalt vergären“, „entblättern im Sommer“, „animalische Note“ oder „selektive Lese“ sprudelten leichthin in unsere beschwipsten Gehörgänge, wobei „Aromaböckser“ zum Wort des Abends avancierte.
Rabensatt Abgefüllt Gut gelaunt sangen wir unter irgendeinem Sulzfelder Torbogen noch ein vielstimmiges Gute-Nacht-Abschiedslied, wofür uns die Anwohner bestimmt dankbar waren und fielen danach noch auf dem Kirchenburgweinfest in Hüttenheim ein, wo wir noch einen letzten Secco-Absacker nahmen und über die musikalische Begleitung witzelten, die zwar gar nicht übel aufspielte, mit der Namensgebung aber ein eher unglückliches Händchen hatte oder würdet ihr eure Combo vielleicht ernsthaft „Kapelle Rohrfrei“ taufen wollen?

Der MamS hatte sich aus vollkommen freien Stücken als Fahrer zur Verfügung gestellt und somit die sprichwörtliche „Arschkarte“ gezogen schaukelte mich sicher in den frühen Morgenstunden zurück in die Heimat mit dem festen Vorsatz, bald wieder die weinfränkischen Gefilde in dieser Besetzung unsicher zu machen. Im Moment sind wir noch auf der Suche nach einer Bezeichnung, einen Erkennungsnamen für unsere 13köpfige Erkundungstruppe. Die „dollen Rebläus“, vielleicht oder die „Heggefliddser“

Euch einen glasklaren Tag wünscht
moggadodde

Eindringlich

Unaussprechliche Dinge ereigneten sich heute Nacht in meinen schlafenden Gedanken, wegen derer ich am Ende des Traums in blauen Ledersesseln vor einem Fachanwalt für Familienrecht landete, wo ich mich wegen meiner vermeintlich verwerflichen Aktivitäten, die die ganze Palette körperlichen Vergnügens abgedeckt hatten, lahm und eher halbherzig rechtfertigte. Aufgewacht bin ich in unbequemer Bauchlage mit einem unerhört steifen und schmerzenden Körper, den ich erst allmählich mit langsamen Bewegungen aus seiner lähmenden Starre lösen konnte. Schon ewig habe ich nicht mehr so intensiv geträumt …

Euch einen befriedigenden Tag wünscht
moggadodde