Nachlese

Einen Tag eher als geplant sind wir gestern am späten Abend hier wieder aufgeschlagen. Nachdem am Donnerstag richtiges „Schietwetter“ herrschte und das auch am Freitag so anfing, entschlossen wir uns kurzerhand, den letzten Tag in den Schornstein zu schreiben und reisten ab. Strömender, heftigster Wolkenbruch-Peitsch-Regen bis hinter Hannover machte uns den Abschied leicht und weil wir schön lange brauchten, konnte ich Tommy Jauds „Millionär“ in meiner Beifahrer-Funktion in einem Rutsch durchlesen.
Meine erste Begegnung mit einer Küstenbewohnerin verlief kühl wie ein „Wattenläuper“ aus dem Eisfach. Der Empfang durch die unfreundliche Concierge verlief im verschärften Telegrammstil: „So. Die Schlüssel Apt. 12 und 8 … hier. Apt. 12 ist noch nicht fertig.“ Zack. „Hier die Ostsee-Karten für den Strand.“ Zack. „Diese Formulare müssen vollständig ausgefüllt werden.“ Peng. „Da fehlt noch das Geburtsdatum“. Zack. „Ich bekomme 80,00 € für Kurtaxe, Bettwäsche und Handtücher“. Peng. Schon für ein bisschen geheucheltes Interesse wäre ich dankbar gewesen. Ich meine, wenn ich Gäste für ein nicht mal billiges Quartier empfange, die gerade mal fast 700 km unterwegs waren, um mir ihre Kohle in meinen undankbaren Rachen zu stopfen würde ich mich, selbst wenn es mich nicht die Bohne interessiert, erkundigen wie die Reise war, mein Bedauern über das kühle Wetter äußern und vielleicht sogar einen angenehmen Aufenthalt wünschen. Nix da. Asche her und ab dafür!

Nach vier Tagen hatte ich trotz Sonnenschein den unablässig, pausenlos und immer in Sturmqualität blasenden Wind satt und ich erkannte schnell den unschätzbaren Nutzen eines Spießer-Strandkorbs: Er ist absolut winddicht und richtig platziert und mit einem feinen Buch auf dem Schoß kann man sich auch bei Windstärke 8 darin schön heimelig einkuscheln, tüddelige Rentner beobachten und nach einigen Stunden sogar ein gerötetes Dekolleté vorweisen. Überhaupt war der Strandkorb mein Lieblingsaufenthaltsort und weil wir uns gut verstanden mit dem alten, schlagfertigen Seebären vom Strandkorbverleih bekamen wir stets die gleichen, neuwertigen und makellosen Kuschelkörbe.

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Als der Wind endlich aufhörte erkannte ich noch etwas: Der vorher vermaledeite Wind hatte bisher die verhassten Wolken weggeblasen, die sich jetzt gnadenlos grau und hartnäckig am Himmel breitmachten. Als der Wind gegangen war, wurde das Wetter schlecht und dem Erfinder des blödsinnigen Spruchs der besagt, es gäbe kein schlechtes Wetter sondern nur schlechte Kleidung, gehört noch heute aufs Maul gehauen wünsche ich zwei Jahre Dauerregen bei 11 Grad in einer Nussschale im Kattegat.

Wir Süddeutschen halten uns ja gern für die Krone der germanischen Schöpfung, aber einige Tage in Schleswig-Holstein haben mir gezeigt, dass die knorrigen Küstenkrabbler den alpinen Schluchtenscheißern in manchen Belangen um einige Takte voraus sind.
Beim Befahren einer stinknormalen Bundesstraße z.B. sind die Begrenzungsstreifen derart bearbeitet, dass beim unabsichtlichen Überfahren beispielsweise der Mittelstreifen ein unaufmerksamer Fahrzeuglenker durch eine Veränderung des Rollgeräuschs akustisch auf diese Gefahrensituation aufmerksam gemacht wird. Sehr sinnvoll ist das und derlei habe ich in meiner rot-weißen Heimat unter blau-weißer Regierung noch nirgends gefunden!
Überhaupt trägt auch der ländliche Polizeibeamte eine überaus schicke dunkelblaue Uniform und patroulliert mit schönen, blau-silbernen Einsatzfahrzeugen, während der bräsige Bayer noch immer in durchfall-oliv durch die Gegend schiebt.
Innovative Erfinder helfen dem engagierten Hundefreund übrigens sogar dabei, die anderen Passanten vor kotigen Tretminen zu bewahren und so etwas habe wenigstens ich hierzulande auch noch nicht gesehen.

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In unserem bevorzugten Lokal gibt es kein nervtötendes Warten auf den Kellner, der auch nach dem dritten „Zahlen, bitte!“ nicht reagiert. Eine progressive Neuerung im sonst langweiligen Bereich der Systemgastronomie bietet sich hier. Mit seiner Bestellung geht der Gast an die Theke, bezahlt und nimmt die Getränke und einen kleinen Funkempfänger selbst mit zum Tisch. Das Empfängerle blinkt und piepst sobald das Essen fertig ist, man holt es dann eigenhändig in der offenen Küche ab und genießt absolut frische Speisen auf schön dekoriertem Porzellan. Abgeräumt wird von, manche würden sagen vorlautem, ich sage herzerfrischend direktem Personal, das angesichts ratzekahl leer gegessener Teller auch schon mal einen Aquavit springen lässt.
Der Norddeutsche faselt nicht lange um den Brei herum, sondern ist rauh (ja, ich weiß, falsch geschrieben, aber „rau“ sieht nunmal bescheuert aus, deshalb bleibt das hier dabei) und ehrlich und ursprünglich wie das herbe Klima, aus dem er kommt und ist mir nicht zuletzt wegen des niedlichen Dialekts sehr sympathisch.
Der schönste Ausflug führte uns allerdings nach Kalifornien, als der Eiswind über den Deich fegte, die untergehende Sonne ein sagenhaftes Licht auf den unglaublich feinen Sand warf und ich mich mit kalten, nackten Füßen den Gezeiten, der Erde, dem Meer so archaisch verbunden fühlte wie selten.

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Auch wenn mir die paar schönen Tage im Norden sehr gut gefallen haben: Die Gefahr, kostbare und kostspielige Urlaubstage im deutschen Pisswetter, genannt „Sommer“, verbringen zu müssen ist einfach zu groß und Feuchtigkeit mag ich noch immer lieber in Form von Schweiß auf meiner Haut als von Regentropfen, die mir langsam aber unbarmherzig mit stetem Gleichmaß die Laune verhageln. Ich bin halt einfach kein Allwetter-Parka-Anorak-Typ und werde es wohl auch nie werden, was aber auch nicht so schlimm ist, finde ich.

Euch einen trockenen Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

9 commenti su “Nachlese

  1. Ela sagt:

    Willkommen zurück!

    Schade das Euer Urlaub nicht so schön wie geplant war dank Wetterchef Petrus. Ich hoffe es war dennoch ein wenig erholsam.

    Eine stressfreie Urlaubsnachbereitung wünsche ich dir. (Ich hasse das 10mal die Waschmaschine anwerfen müssen nach dem Urlaub und das wir immer die halbe Nordsee dabei im Bad verteilen).

  2. moggadodde sagt:

    Danke, Ela! Ist alles schon wieder in den Schränken, aber wir sind ja nur zu viert 😉 – Erholt bin ich trotzdem, auch wenn ich mich heute schon aufregen musste, als ich erfahren habe, dass der beknackte Bengel vom verhassten Säufernachbarn unser Kaninchen ertränken wollte … naja, er hat den Stall unter Wasser gesetzt, der Depp! Mit dem werde ich noch ein paar Takte reden!

  3. Ela sagt:

    Alles schon wieder im Schrank? Wow!!! Ich brauche da immer tagelang – das liegt bei mir an der „Nachurlaubsträgheit“ 😉

    Und wer Kaninchen fast ersäuft dem gehören die Hasenohren langgezogen – jawoll!

  4. socki sagt:

    Schön, daß Du wieder da bist.
    Die Wäsche schon wieder im Schrank? Das dauert bei mir immer eine Woche.
    Ich würde ja auch mal gerne an die Nordsee aber mit zwei Kindern, die schon nölen, wenn man die Garage grade verlassen hat, geb ich mir das noch nicht.

  5. Ekke sagt:

    Wenn ich das richtig interpretiere, hat’s Dir im Grunde also GUT gefallen! Schön! 😉

  6. moggadodde sagt:

    @ Ela: Nee, das muss bei mir alles schnell wieder an seinen Platz, weil ich gar keinen Platz habe, diese Dreckwäscheberge aufzubewahren.

    @ socki: Da waren und sind unsere gottseidank ziemlich pflegeleicht. Natürlich gibt es Scharmützel auf den Rücksitzen und ich wünschte mir dann und wann eine Trennwand wie in englischen Taxis, schall- und blickdicht. Aber ein schriller Schrei von mir oder die Androhung, beide am nächsten Parkplatz an einen Baum zu binden, bringt schnell wieder Ruhe in den Karton 😉

    @ Ekke: Klar war’s schön. Halt mal was ganz anderes als im heißen, sonnenverwöhnten Süden … Wenigstens dieser Urlaub keine weiteren Punkte auf meine Hautkrebs-Risiko-Skala gebracht!

  7. yeow sagt:

    Hallo Urlauberin,
    wünsche wieder wohlgelandet zu sein.

    Ach ja, was die kleinen Nöltüten Kinder angeht, so war meine Wunderwaffe ein Start der Fahrt nicht später als 3:30 Uhr in der Frühe, ein ausreichend grosser Frühstückskorb und die Drohung, sie könnten wahlweise die letzten 200 Kilometer zum Ziel laufen oder die 300 Kilometer nach Hause.
    Hat eigendlich immer funktioniert

    Ansonsten sind wir, bis auf die GG, eher die Deichläufer. Auch bei 10 Grad und waageret fliegendem Regen.

    Aber jedem das Seine. Einen schönen Abend noch.

  8. welcome home, liebe mogga!

    schön, dass es dir gefallen hat und schön, dich wieder zu lesen! jou, der herbst war echt pünktlich dieses jahr, nicht? und sonne wär schön gewesen, nicht nur im urlaub, sondern auch generell, find ich. hättch euch dolle gewünscht.

    und außerdem schließe ich mich dem allgemeinen staunen an, dass du schon wieder alles weggewaschen und -geräumt hast, sowas kann bei mir wochen dauern (keine übertreibung).

    den hasenquäler willst du nur musikalisch mit n paar takten behelligen? – zu milde, wennde mich fragst (es sei denn, du _klopfst_ den takt … *wegduck* ;o)) – auch mal nassmachen bei diesem wetter und n halbes, najut, n viertelstündchen wäre meine revanche der wahl.
    ;o)

    aber ich fürcht mich immer, wenn ich weg, bin, dass der er-katz ausreißt und nicht wiederkommt oder die sie-katz dann doch mal mit einem pee-kaa-weh kollidiert … hoffe, es bleibt bei der angst (ohne berechtigung) *aufholzklopf*.

    @yeow: wow, 3:30 – da muss dann definitiv sweetest fahren – ich bin da noch komplett auf autopilot …

  9. moggadodde sagt:

    @ yeow: Ich erinnere mich noch gerne an die Urlaubsfahrten mit meinen Eltern nach Italien, auch wir fuhren schon mitten in der Nacht los und es war für uns Kinder immer ein großes Ereignis. Obwohl mein Bruder 9 Jahre jünger ist als ich und wir weder Game Boy noch mp3-Player hatten, mussten unsere Eltern niemals so ein Gedöns mit uns machen. Wir fuhren in die Ferien und freuten uns und quengelten niemalsnicht. Jedenfalls kann ich mich nicht mehr daran erinnern 😉
    Jedem das seine – du sagst es. Bei 10 Grad ginge ich schon auch noch auf den Deich, entsprechend angezogen, aber bei Regen bin ich da sicher nicht zu finden …

    @ hühnerschreck: Danke! Bezüglich der Kaninchenproblematik hat der MamS ja auch dafür plädiert, den Unhold nackend mit dem Gartenschlauch abzuleuchten. Aber ich werde wohl nur mit ihm reden und ein bisschen drohen …
    Ich kann deine Angst wegen der Katzen gut verstehen. Sicher kann man bei den Freigängern ja nie sein. Ich wünsche dir jedenfalls, dass sie dir noch sehr, sehr lange erhalten bleiben!

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