Laus im Pelz

Um für meinen gruseligen Ballkontakt am Samstag gerüstet zu sein und nicht Gefahr laufen zu müssen, durch zu burschikose Aufmachung schon am Portal die Stiefel des Wachpersonals im Rücken zu spüren, habe ich mich gestern zwecks Verbesserung meiner Garderobe in die Stadt begeben.
Am Vorabend des Nikolaustages hätte ich mehr Weißbärte erwartet. Als ich noch ein Kind war (und das war schon nach dem Rokoko), gab es vor jedem zweiten Geschäft einen Nikolaus. Aufgewecktes Mädel das ich war wusste ich, dass es sich um schamlose Schwindler handelte, handeln musste, denn es gab ja nur einen richtigen Nikolaus und das war Robby, der Arbeitskollege meines Vaters, an dessen Auftritte ich mich allerdings nur noch schemenhaft erinnere. Meine Eltern hatten bald konsterniert ihre Bemühungen eingestellt, mich durch einen nachlässig verkleideten Nikolaus disziplinieren zu lassen, der mit der unverwechselbaren Stimme des gut bekannten Kollegen durch den Wattebart nuschelte und keiner Mücke ein Beinchen hätte krümmen können. Kinder spüren so was ja sofort.
Wenn ich mich recht erinnere, wurde auch einmal ein dürrer Student angeheuert, um mir die Leviten zu lesen und Manieren beizubringen, aber auch er scheiterte wohl. Für eine überzeugende Arbeit als Saisonnikolaus taugt nach meiner Meinung sowieso nur ein Mann mit einer gewissen Erfahrung im Bangemachen.

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die studentischen Mietexemplare einen Crash-Kurs im richtigen Auftreten bekommen, aber das Timbre muss nach meinem Dafürhalten unbedingt stimmen. Wenn ein ausgezehrter Psychologiestudent mit dünner Fistelstimme zaghaft mit der Rute wedelt, läuft er leicht Gefahr, von einer Horde feixender Metermonster mit Legosteinen beworfen und schließlich noch vors rotberockte Schienbein getreten zu werden. Die Eltern werden kaum zu Hilfe eilen, haben sie ja schließlich dafür geblecht, dass den Früchten ihrer Lenden und Schöße einmal nachhaltig gezeigt wird, wo der Hammer hängt, damit sie wenigstens bis Heiligabend zu paralysierten Engelchen mutieren.
Kommt jedoch ein stämmiger Typ, gerne Sportstudent, im echt imposanten, webpelzbesetzten, samtenen Outfit und röhrt er sich mit ausgebildetem Bass so laut durchs ellenlange Sündenregister von Kevin-Lucio und Sondrina-Estelle, dass die Nachbarn an die Wände hämmern, tritt mit etwas Glück zumindest eine zeitliche Verzögerung ein, in der der Substituts-Disziplinator die Möglichkeit zur Flucht hat, bevor ihn die Kinderkundschaft zu Studentenfutter verarbeitet. Diese Möglichkeit der studentischen Hilfskraft, das klamme Budget zu bereichern, dürfte beim Nachwuchs des 21. Jahrhunderts allerdings ein Auslaufmodell darstellen.

Unseren Kindern haben wir nur in verzweifelten Ausnahmefällen mit dem Nikolaus gedroht und das auch nur bis sie ungefähr 4 waren. Als sie begannen, das Spiel zu durchschauen erschien uns das krampfhafte Festhalten am Mythos vom sanktionsaffinen Rächer in Rot einfach zu albern und seither bekommen sie einen Schokoladen-Nikolaus und eine Kleinigkeit, die den Namen auch verdient, während die Klassenkameraden am 6. Dezember oft mit pompösen Gaben prahlen, wobei ich gar nicht wissen möchte, welcher Geschenkeberg sich dann erst am Vierundzwanzigsten unter der Blautanne türmen mag.

Ich freue mich auf ein Gläschen Eierlikör am Abend, werde es aber nicht übertreiben, um nicht wie dieser arme Kerl

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zu enden.
Übrigens frage ich mich, ob es schon ein Shampoo gegen Nikoläuse gibt …

Euch einen süßen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

6 commenti su “Laus im Pelz

  1. socki sagt:

    Bis 4? Wir haben dieses Jahr das erste Mal einen Nikolaus. Ich kann mich nur an einen erinnert, der kam mit Knecht Ruprecht. Selbiger hatte einen Sack auf dem Rücken, aus dem zwei Kinderbeine (Strumpfhose mit Schuhen) baumelten. Mann, hatte ich einen Schiss!

  2. moggadodde sagt:

    @ socki: Was für ein Wunder, dass du so normal geblieben bist 🙂 Das ist ja ein richtiges Trauma für so ein Kind … Wie war’s mit deinen? Haben sie heute recht geschlottert?

  3. azahar sagt:

    Also bei uns kam der Nikolaus sehhhhr lange. Ungefähr bis ich 13 war? Da wir zu viert sind, war immer ein kleines Kind dabei, dass das ganze noch nicht durchschaute und unsere Eltern hatten uns älteren das Ehrenwort abgenommen, den kleinen nichts zu verraten.
    Seltsamerweise hat das auch geklappt. War aber wahrscheinlich reine Gemeinheit den kleineren Geschwistern gegenüber, die sollten einfach auch mal so richtig Schiss haben. Und unser Nikolaus war wirklich einer von den ganz strengen, wo keiner mehr wagte auch nur einen Mucks zu machen.

  4. moggadodde sagt:

    @ azahar: Da hat das schwarze Geschwisterherz gelacht … Ich hoffe nur, du warst nicht die Jüngste von euch vieren 😀

  5. azahar sagt:

    @ moggadodde
    nein, ich bin natürlich die älteste, durfte mich also jahrelang an dem Schauspiel ergötzen. 😉

  6. moggadodde sagt:

    @ azahar: Hab‘ ich’s doch geahnt … 😀

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