Post festum

Weil ich eingeweidetechnisch etwas indisponiert war, hielt ich mein gieriges Wesen fresstechnisch an den Feiertagen am Vierundzwanzigsten brav im Zwinger. Ich glaube nicht, dass mich das possierliche Noro-Viech befallen hatte, dazu war der Output einfach zu gering, aber auch den kleinen Verwandten des bös-virösen Gesellen schickte ich bald endgültig in den Lokus Orkus.

Wir waren alle sehr entspannt und freuten uns an des Christkinds Gaben und hier insbesondere ich über das Meisterstück, das mich natürlich in pure Verzückung versetzte, denn so etwas hatte ich mir schon immer gewünscht. Ich bin nicht nur fanatische Verteidigerin des gepflegten Umgangstons, sondern auch affine Anhängerin der ansprechenden Handschrift und das distiguierte Requisit, mit dem ich ab sofort Einkaufszettel, Anweisungen und Müllabfuhrtermine notieren werde, ist ein vornehmer Kolbenfüller aus dem Hause Montblanc. Weil ich mit derlei exquisitem Schreibgerät noch keinerlei Erfahrung hatte, schraubte ich ungeduldig hier und da ein bisschen herum, um sofort hinter die Geheimnisse eines solchen Füllfederhalters zu gelangen. Offenbar schraubte ich an der falschen Stelle, denn als ich den MamS an mein dankbares Herz drücken wollte, suppte der königsblaue Inhalt meines Weihnachtsgeschenks aus den Innereien des Füllers und ergoss sich schließlich auf den Oberschenkel der stonewashed Blue-Jeans des MamS, wobei er die maisgelbe Ledercouch nur um wenige Zentimeter verfehlte. Hank brachte seinen Tintenkiller, der natürlich versagte, deshalb nötigte ich den MamS schreiend zum sofortigen stand-up-Striptease, weil bei solchen miesen Missgeschicken umgehendes Handeln erforderlich ist, soll das Beinkleid nicht im Johannitersack landen. Tatsächlich war der handtellergroße Tintenfleck schon nach einer schnellen 40-Grad-Wäsche verschwunden und der Abendfrieden gerettet, Dash sei Dank!

An den Umtauschorgien der nächsten Tage werden wir übrigens nicht teilnehmen; alle Geschenke fanden Anklang und sogar meine technophobe Mutter freundet sich langsam mit dem vom Brüderchen verpassten Mobiltelefon an. Bis zur ersten, planmäßig zustande gekommenen Verbindung wird allerdings noch ein Weilchen verstreichen. Meine Mutter und ein Handy, das ist in etwa so, als würde man Spartakus ans Ruder eines Atom-U-Boots setzen und zu einer Schleichfahrt durch den Ärmelkanal auffordern. Sie wird noch einige Guthabenkarten verplempern aber dann hat sie’s bestimmt intus.

Ein schnöder, ganz normaler Arbeitstag liegt vor mir und, ich wage kaum, es auszusprechen: Ich freue mich drauf! Nach den ausgedehnten Fressgelagen und dem exzessivem Müßiggang der letzten Woche sehne ich mich nach körperlicher Arbeit! Kisten wuchten bis die Schwarte kracht! Banale Gespräche bis die Ohren bluten! Sinnloses Verfressen der letzten Weihnachtsplätzchen und vielleicht bringt noch jemand einen Punsch mit?

Ãœbrigens: Es sind nur noch 378 Tage bis Weihnachten!
Appdayt: Herr Mephisto, der bean counter, hat nachgerechnet: Es sind nur noch 363 Tage. Ein Grund mehr, schon jetzt nach Last-Minute-Schnäppchen zu suchen!

Euch einen sauberen Abend wünscht
moggadodde

Winterwunderland

Der MamS prügelte mich zur Regeneration meines Sauerstoffhaushalts heute in den Wald, der von Eis und Reif erstarrt dalag wie ein verzauberter Tann aus einem Film. Nur das Knistern der herabfallenden Eiskristalle, die wie kleine Styroporkügelchen auf meine Daunenjacke prasselten war zu hören und meine Schritte auf vereistem Blattwerk, ansonsten herrschte gespenstische aber wohltuende Stille. Mit kalter Hand verschönert Mutti Natur einen schlichten Maschendrahtzaun in einen vertikalen Flokati und gewöhnliche Bäume werden zu feinnadelig verkleideten Spinnenfingergehölzen.

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Viel schöner als eine tief verschneite Landschaft finde ich diese mit eisigem Hauch entstandenen Kunstwerke, fragil und vergänglich, viel eleganter als plumper, schwerer Schnee, der einem möglicherweise noch auf die Mütze schwuppt.

Nachdem ich mir heute Nacht das gestrige Essen nochmals anschauen durfte, sollte heute Schmalhans Küchenmeister sein und so schwer es mir fiel, beim Käsefondue und den alkoholischen Festbegleitern musste ich mich schwerstens zurückhalten, trotzdem deutet das Grummeln in meinen Eingeweiden, das sich wie ein in der Ferne aufziehendes Gewitter anhört darauf hin, dass erneut eine unruhige Nacht vor mir liegt.
Ach, und ein Gesträuch haben wir dank meiner Mutter jetzt übrigens doch noch. Hank, der alte Umfaller Traditionalist, hat sich von ihr bequatschen lassen und äußerte doch, wenn auch kleinlaut, den Wunsch nach einem Christbaum. Wer sollte ihm das dann verwehren? Also, alles wie gehabt.

Ich wünsch‘ euch einen netten Abend mit genau den Geschenken, die ihr euch gewünscht habt im Kreis genau jener Menschen, die ihr mögt und mit etwas Glück vielleicht sogar liebt.

moggadodde

Good 4 my soul

Dass Freud‘ und Leid eng beieinander liegen, lernt man vielleicht erst in reiferen Jahren wissen wir alle.
Die Beisetzung der Tante war sehr feierlich und äußerst ergreifend, was, ich muss es sagen, zu großem Teil an dem recht jungen Pfarrer und seinem ausgebildet klingenden Bariton lag, der sehr durchdringend und kraftvoll war. Auch eine unerfreuliche Begebenheit wie eine Beerdigung steht und fällt mit der stimmlichen Qualität des kirchlichen Vertreters. Tonsichere Wiedergabe trauriger Gotteslob-Gassenhauer und liebevolle Worte über die Verstorbene, da gab es niemanden, der nicht mindestens einmal hemmungslos in sein Tempo schnäuzte. Beim anschließenden Kaffee erzählte man sich Anekdoten über die Tante, die beim Kartenspielen auch gerne mal beschissen hat und knusperte, was mir selbst irgendwie skurril erschien, leckere Weihnachtsplätzchen, die sie kurz vor ihrem überraschenden Tod noch selbst gebacken hatte.
Lange konnten wir nicht bleiben, nach kurzem Stopover zuhause düsten wir mit wehenden Röcken weiter zum nächsten stimmlichen Highlight nach Aschaffenburg. Im kleinen und dennoch nicht sehr gut gefüllten Colos-Saal, wo wir vor einigen Jahren schon De-Phazz erleben konnten, massierten 4 your soul mit Edo Zanki, der vielen ein Begriff sein dürfte, unsere aufgewühlten Seelen.

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Selten habe ich fünf (bzw. sechs, wenn man den speziellen Spezialgast Joo Kraus dazuzählt) Musiker auf der Bühne gesehen, die so ein Vergnügen an ihrem Auftritt haben. Die mitreißende Darbietung des alten Klassikers „I’ve got the music in me“ von Cae Gauntt machte klar: Die Leute auf der Bühne hatten genau wie wir davor einen Heidenspaß. Wenn „4 your soul“ mal in eure Ecke kommen sollten: HINGEHEN!

So habe ich also innerhalb weniger Stunden das Wechselbad zwischen Trauer und Tränen auf der einen und kolos-salem Konzertvergnügen auf der anderen Seite erlebt und das ist so, als ob man morgens in Hammerfest aufsteht und abends in Honolulu ins Bett geht. Auch wenn ich mich auf dem langen Heimweg ziemlich lebendig gefühlt habe – geschlafen habe ich wie eine Tote.

Euch einen lebhaften Tag wünscht
moggadodde

Konfusius Hecticus

Verschiedenen Umständen ist es zuzuschreiben, dass es weihnachtsgeschenketechnisch hier noch im Argen liegt.
Für die schwierigsten Besorgungen musste ich heute endlich mal in die Stadt, bewaffnet mit Bargeld, das ich mit der Karte des MamS von der Bank geholt hatte, leidlich guter Laune und einem Sack einer Socke voller Geschenkeideen. Weil die Sonne so schön strahlte und ich ein netter Mensch bin, nahm ich den Anhalter mit, der seinen unbehandschuhten Daumen in die klirrende Kälte streckte. Sowas mache ich manchmal, auch wenn der MamS mich für verrückt erklärt. Er würde nicht einmal ein Eichhörnchen mitnehmen, das am Straßenrand Purzelbäume schlägt und mit dem buschigen Schwanz um eine Mitfahrgelegenheit wedelt bettelt. Als wir so dahinfuhren und uns angeregt unterhielten, dachte ich gar nicht an mich und daran, was ein Fremder im Auto alles tun könnte, aber ich achtete aus dem Augenwinkel trotzdem auf die Hände des Mannes, ob sie nicht vielleicht hinter den Sitz fassen und die Tasche schnappen würden (das Gedankengut des MamS, alle Menschen seien erstmal schlecht, bis ihm jemand das Gegenteil beweist, hat mich offenbar mehr konditioniert, als ich möchte). Aber mein Begleiter war ein netter Kerl (ja, ich glaube nämlich, dass jeder Mensch erstmal gut ist, bis er mir das Gegenteil beweist!) und wir trennten uns erst auf dem Parkplatz in der Innenstadt.

Für den MamS hatte ich noch gar kein Geschenk. Zu seinen wöchentlichen Badminton-Matches nimmt er immer die gleiche, ausgelutschte, vergammelte und uralte Tasche, die er schon vor über 15 Jahren auf den Platz schleppte, zu Zeiten, als wir uns einbildeten, wir müssten unbedingt lernen, wie man zielgerichtet auf gelbe Filzkugeln eindrischt. Ich dachte also, es wäre eine gute Idee, das Ding mal auszumustern und stehe in der Sportabteilung an der Kasse, wo ich mit meiner (neuen) EC-Karte bezahlen will. Ich tippe den PIN in das Kästchen und das Ding sagt, er sei falsch. Ich tippe nochmal, höre, wie die Menschenschlange hinter mir schon mit den Hufen scharrt und die blöde Kuh, die da vorne mal wieder nicht mit der Karte bezahlen kann, zum Teufel wünscht, aber der PIN wird offenbar nicht richtiger. Natürlich werde ich jetzt nervös und wüsste nicht mal mehr meinen Geburtstag, wenn man mich fragen würde und habe die Tatsache, dass ich eigentlich genug Bargeld dabei habe, ebenfalls vollkommen vergessen. So ziehe ich die EC-Karte des MamS, deren PIN ich mir vom vorherigen Bankbesuch noch gemerkt habe und bezahle sein Geschenk von seinem Konto.

In der Papeterie reihe ich mich für zwei Geburtstagskarten in die 10-m-Schlange ein und bezahle bar und bei den Büchern stehe ich in der 5-m-Schlange, die trotzdem länger dauert, weil einige Kunden ihr blödes Buch auch noch verpackt haben wollen. Ich stehe und stehe und plötzlich fällt mir ein, dass ich vorhin am Parkplatz so intensiv mit dem Anhalter geplaudert habe, dass ich gar kein Ticket gelöst habe. Ich würde am liebsten der alten Schrapnelle die Bücher um die Ohren hauen, die sich über die ihrer Meinung nach nicht ansprechende Geschenkverpackung mokiert und schiebe die andere Besorgungen auf, um möglichst schnell zum Parkplatz zu kommen, wo ich mindestens einen Strafzettel erwarte oder vielleicht sogar gar nichts, weil mein Auto inzwischen schon abgeschleppt ist.
Gehetzt renne ich über Abkürzungen zurück, bemerke, dass sich mein Laufgeräusch irgendwie komisch anhört und stelle fest, dass ich mir auf den verfluchten Kopfsteinpflastern in der Pleich den Absatz abgerissen habe und der nur noch kraftlos am Stiefel hängt.

Das Auto steht noch da, oh Wunder, sogar ohne Strafzettel, und ich beeile mich jetzt trotzdem, weil ich mir nicht gemerkt habe, ob Hank heute oder morgen eher von der Schule heimkommt. Weil Dixie ihren mal wieder verbummelte, hat sie Hanks Schlüssel genommen, der womöglich mit seinem Kumpel, der Mittwochs immer mitkommt, schon frierend vor der Tür steht.
Daheim angekommen, schaue ich erstmal nach meiner PIN und versuche, mir eine Eselsbrücke zu bilden, was bis dato nicht gelungen ist. Danach klebe ich meinen ramponierten Absatz mit Sekundenkleber, weil ich die Schuhe für die Beerdigung morgen unbedingt brauche. Ich setze Nudelwasser auf und mir fällt ein, dass die Kinder heute doch erst um 13.00 Uhr Schulschluss haben.
Ich nehme das Nudelwasser wieder vom Herd, weil die Schwiegermutter mich telefonisch bittet, die kalifornische Cousine, die am Mittag in Frankfurt gelandet ist, vom Bahnhof abzuholen, .

Dem MamS habe ich die Tatsache, dass ich sein Geschenk von seinem Geld bezahlt habe, natürlich schon offenbart und ihm erklärt, dass ich den betreffenden Kontoauszug konfiszieren und ihm das Geld wieder gutschreiben werde. Er tat etwas entrüstet ob meiner Schusseligkeit, wozu er allerdings absolut keinen Grund hat, weil ich bereits seit drei Wochen weiß, was sein Geschenk für mich ist, weil er Kaufbelege und mails zum Erwerb allzu stümperhaft bis überhaupt nicht versteckt hat, was ich ihm aber bestimmt nicht aufs Näschen binden werde.

Später werde ich, wie bereits gestern schon, auf einer Geburtstagsfeier erwartet und gegessen habe ich auch noch nichts – noch nicht mal die Betten sind gemacht! Himmel, was für eine Hektik!

Euch einen ruhigen Tag wünscht
moggadodde

Holzfrei

Hank und der MamS haben mir vorhin eröffnet, dass sie heuer erstmals keinen Weihnachtsbaum haben wollen. Einige, hübsch geschmückte Tannenwedel würden genügen, meinten beide unisono und ich bin eigentlich nicht böse drum, erspare ich mir den jährlichen, nervenaufreibenden, stundenlangen Kampf mit verhedderten Lichterketten und stachelig-störrischen Zweigen sowie die ewige, eichenhart geführte Debatte, ob der Baum schon an Neujahr entsorgt wird oder erst am Dreikönigstag. Hinzu kommt, dass mir in diesem Jahr auch nicht ein Fitzelchen festlich zumute ist. Null, niente, nada. Deshalb fiel es mir fast ganz leicht gar nicht schwer, dem Männerwunsch nach einem abgespeckten Ambiente nachzugeben.

Schmucktechnische Äußerlichkeiten sind doch vollkommen nebensächlich. An Heiligabend ist mir heuer nur eines wichtig und das ist ganz gewaltig, wunderbar und mächtig: Weihnachten ohne Käsefondue – da hätte ich wirklich nicht mitgespielt …

Euch einen einträchtigen Abend wünscht
moggadodde