Salz oder Leben! – Eins –

1.

Jeden einzelnen meiner verdammten Knochen spüre ich nach den letzten 13 Stunden in der Holzklasse dieser Low-Budget-Airline. Das ist ganz besonders dann kein Zuckerschlecken, wenn man in der Mittelreihe eingequetscht zwischen einem dicken Dauertranspiranten mit Käsefüßen auf der einen und einem zwar nicht schlecht riechenden aber dafür permanent quatschenden Hessen auf der anderen Seite sitzt wie eine Presswurst im Naturdarm. Ziemlich benebelt von den infernalischen Ausdünstungen des Stinktiers zur Linken kann ich erst mit einem festen Stampfen meiner angeschwollenen Beine zusammen mit einem vernichtenden Blick und einem wenig nonchalanten „Fresse jetzt, sonst raucht’s!“ das verbale Trommelfeuer des Hessen zum Schweigen bringen. Nur kurz herrscht Ruhe, dann ist eine Mittdreißigerin über dem Gang so unvorsichtig, seinen Blick zu erwidern und nun hat er seinen Laber-Fokus in ihre Richtung verlagert. Noch nie in meinem ganzen Leben haben sich 13 mickrige Stunden so verdammt lange gedehnt.


Soweit ich das verstehe, nuschelt der Pilot gerade durch die knisternden Boxen, dass wir gleich landen werden, weshalb die Passagiere sich bitte anschnallen mögen. Weil jeder sofort zu den Riemen greift, nehme ich an, dass ich ihn richtig verstanden habe und fummle unter dem dicken Hintern des Skunks neben mir die für mich zuständige Gurtschnalle hervor. Er atmet gepresst und ihm stehen jetzt wieder Dutzende kleiner Schweißperlen auf der sehr hohen, fast flächendeckenden Stirn. Ich hoffe bloß, dass er nicht kollabiert und womöglich derart durchfeuchtet in meine Richtung kippt, Gott bewahre!
Dem allgemeinen Beifall angesichts der geglückten Landung enthalte ich mich. Es gehört ja wohl zum Job eines Piloten, die ihm anvertrauten Passagiere heil auf die Erde zu bringen und spende ich dem Busfahrer, der mich an jedem einzelnen Tag sicher zur Arbeit schaukelt etwa Applaus? Eben!

Der hessische Dampfplauderer ist der erste, der sein Handgepäck aus den Kisten über unseren Köpfen holt und sofort hektisch Richtung Ausstieg drängelt. Ich hoffe inständig, dass sein Koffer nicht in dieser Maschine ist, sondern fehlgeleitet gerade irgendwo über den Atlantik jettet, so sehr hat er mich genervt. Ich selbst lasse mir Zeit und döse auf meinem Sitzplatz, wo ich jetzt endlich für einige Minuten beide Armlehnen für mich habe, bis mich die Stewardess rüttelt und fragt, ob ich denn gar nicht aussteigen wolle. Klar will ich, und wie ich will! Endlich Urlaub!

Am riesigen U-förmigen Gepäckband treffe ich ganz viele Leute, die mit demselben Flugzeug gekommen sind. Das ist mal wieder typisch für mein Glück: Hunderte normaler, gesitteter, wohlriechender Menschen und ich kriege den Platz zwischen zwei Freaks. Ich gehe davon aus, dass ich in den letzten 13 Stunden richtig viel für mein Karma getan und im nächsten Leben ein mächtig angenehmes Dasein friste. Immerhin habe ich ziemlich gelitten, das muss ja wohl zu Buche schlagen, oder?

Bald bewege ich mich mit meinem leuchtendroten Samsonite in Richtung Einreisekontrolle. Anscheinend sind sämtliche Zöllner hier an diesem sonnigen Morgen mit dem lahmen Fuß aufgestanden, denn alle Schalter sind rammelvoll. Trotzdem reihe ich mich gut gelaunt in die äußerst rechte der vier Schlangen ein. Die rechte Schlange, das haben meine bisher unbeachteten Feldforschungen in zahlreichen Supermärkten ergeben, ist immer die Schnellste. Offenbar gilt das aber nur für heimische Schlangen; hier in asiatischen Schlangen, speziell in bangkokischen Schlangen, gelten meine Beobachtungen anscheinend einen feuchten Dreck. Ich registriere sogar, dass die linke Schlange deutlich schneller abgefertigt wird. Wahrscheinlich hat das was mit Kontinentalverschiebung zu tun oder so.

Ich erwarte, dass ich durchgewunken werde, wie die drei Reisenden vor mir, aber als ich endlich an der Reihe bin, schaut mich der kleine, uniformierte Asiate grimmig an. Hat der etwa gesehen, wie ich augenverdrehend und nervös auf die linke, schnellere Schlange geschielt habe? Mit einer Armbewegung bedeutet er mir, dass ich meinen Koffer öffnen soll. Das ist mir zwar reichlich unangenehm aber offenbar nicht zu ändern, wenn ich in zwei Stunden am Pool im „Asian Paradise“ liegen will. Widerwillig fummle ich also an den Rädchen für den Zahlencode, schnappe die Verschlüsse auf und zeige dem Zöllner mein Innerstes. Nichts ist schlimmer, als Wäsche und Kleidung sowie sonstige Utensilien von fremden Fingern befummelt zu wissen. Irgendwie ist das wie ein Wohnungseinbruch, ein Eindringen in die privateste Privatsphäre und das gefällt mir gar nicht.
Der Bangkoker (oder heißt es Bangkokesen oder gar Bangkokis? Wie heißen die Biester eigentlich?) räumt meinen Koffer aus. Er legt Hühneraugenpflaster, Tampons, Schminkbeutel und Nagellackentferner sorgfältig auf die schon befühlten Kleidungsstücke, bevor er triumphierend einen großen Plastikbeutel in die Höhe hält und kräftig in die um seinen mageren Hals baumelnde Trillerpfeife bläst.

– Fortsetzung folgt –

Dieser Eintrag wurde in Utopia veröffentlicht.

2 commenti su “Salz oder Leben! – Eins –

  1. frater aloisius sagt:

    h e r r l i c h geschrieben! Ich liege jetzt noch unterm Tisch, ehrlich. Der hessische Dampfplauderer! Die Bankokis!! Zum Kaputtlachen und ich freue mich schon auf die Fortsetzung…

  2. moggadodde sagt:

    @ frater aloisius: Freut mich, dass es dir gefällt! Dat Dingen ist schon fix und fertig, aber doch umfangreicher ausgefallen, als ich ahnen konnte. Deshalb gibt’s „gesalzene Häppchen“ …

Schreibe einen Kommentar zu frater aloisius Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert