Rückenwind

Meine sentimentale Phase von gestern hat sich heute früh um 4 in Luft aufgelöst, nachdem ich von einem gefolterten Chinesen geträumt hatte. Ab dann war die Nacht eigentlich gelaufen und ich konnte schnell noch Glattauer und „Alle Sieben Wellen“ fertig lesen. Empfehlenswert, wirklich, die Fortsetzung der Geschichte um Emmi und Leo und ein Muss für diejenigen, die schon „Gut gegen Nordwind“ genießen durften. Waren die Leiden des armen Chinese also doch zu was gut.

Zugegeben, das waren jetzt nur ein paar wenige Tage hier am Meer, aber die Tatsache, dass ich diese völlig zu meiner Verfügung hatte, mich um nichts und niemand anders kümmern musste als um mich selbst, war erfrischend wie die steife Brise der Nordsee. Dabei habe ich festgestellt, dass ich selbst eigentlich ziemlich pflegeleicht bin. Ich hatte mit mir selbst jedenfalls keinerlei Probleme.
Der Heimatfunk hat weich geartete Verdauungsschwierigkeiten beim Karnickel gemeldet und ich bin sicher, wenigstens Lola hat mich ordentlich vermisst. Jetzt ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem ich anfange, die Kinder zu vermissen, obwohl ich weiß, dass dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Dixie wird stöhnen, dass sie nun wieder in ihr Ordnungs- und Pünktlichkeitskorsett gepresst wird und Hank wird die gute Oma-Küche vermissen, die ihm alles, was er sich in seinen wildesten Ernährungsträumen vorgestellt hat, ohne Schimpfen und Gesundheitsvortrag auf den Tisch gebracht hat. Sowas gibt es bei Muttern natürlich nicht.
Tja, Kinners, ab morgen weht wieder ein anderer Wind …

Euch einen windstillen Tag wünscht
moggadodde

Rühr-SEE-lig

Die Holländer, die aus Religionsgründen Anfang des 17. Jahrhunderts aus ihrer Heimat ins Nordfriesische emigriert sind, haben ein Städtchen aus dem Morast gestampft, mit Grachten bestückt und nach dem III. Herzog von SL-Gottdorf netterweise Friedrichstadt genannt. Das war heute mein erstes Ziel.

Friedrichstadt

Unschlagbarer Vorteil des ansonsten lausigen Daseins eines Wintertouristen ist, dass nahezu überall geparkt werden kann und, weil die Parkwächter wohl auch Ostern erst wieder beginnen, sogar meist kostenlos. Gut, Grachtenrundfahrten gibt es, wie gehabt, erst wieder im März, da bin ich aber ehrlich gesagt auch nicht so scharf drauf.
Als ich durch die Gässchen schlenderte, entdeckte ich etwas anderes, das mich viel mehr interessierte: Gar nicht schüchtern klingelte ich beim örtlichen Tierpräparator und erkundigte mich nach dem Präparier-Procedere. Der Herr des Hauses war nicht überschwänglich entzückt über meine Störung seiner Winterruhe, gab aber dann doch erschöpfend Auskunft.

Eule oder Uhu, jedenfalls tot

Lediglich frische, unversehrte Fundtiere würden verwendet und entgegen landläufiger Meinung nicht ausgewaidet und meine anfangs geäußerte Vermutung, der Vorgang der Präparation würde dem Hagens-Verfahren ähneln, erwies sich als grundfalsch. Das Fell oder Federkleid oder was da halt so dran ist, würde wie bei einem Hasen abgezogen, das darunter liegende Fleisch und die Muskulatur würden abgetragen. Nach dem so entstehenden Vorbild formt man entweder aus Kunststoff oder aber in dem von ihm vorgezogenen Verfahren aus Holzwolle den neuen Körper, und hat für den Rest künstlerisch freie Hand, kann also entscheiden, ob das Tier sitzt, steht, liegt, fliegt, sich windet oder was immer. Schlussendlich wird das Ganze mit dem anfangs sorgsam abgezogenen Gefieder/Fell/Haut wieder verkleidet. Das war eklig zu hören und ich würde mir auch sicher kein ausgestopftes Tier ins Haus holen, hat mich aber einfach mal interessiert und lag so auf dem Weg. Gottseidank hat es dort auch gar nicht gestunken, ehrlich!
Ansonsten ist Friedrichstadt ein putziges Klein-Amsterdam, nett anzuschauen, hat viele Teeläden und endlich keinen Billigbäcker im Ortskern, aber nach zwei Stunden ist dann auch gut mit Oranje und Klompjes an jeder Ecke und Dänisch an jeder zweiten und ich fuhr weiter.

Einer plötzlichen Intuition folgend (Merke: allein fahren = allein entscheiden wohin) bog ich von der Hauptstraße Richtung Meer ab und wurde nicht enttäuscht: Mit dem Auto flugs über einen kleine Kuppe und das Auge sieht, wonach es sich die ganze Zeit verzehrt hat: Dünen, Sand, Watt, Meer. Na bitte, geht doch! Ich war scheinbar bisher nur an den falschen Stellen! Oder hat sich die Nordsee, mit der ich ja zuletzt ein bisschen im Clinch lag, doch darauf besonnen, mich zur Freundin haben zu wollen?

Mir eröffnete sich ein grandioses Bild: Noch nie in meinem ganzen Leben habe ich so etwas gesehen. Moment, das reicht nicht: Noch nie in meinem ganzen und ja nicht sehr kurzen Leben habe ich so eine unendliche, grenzenlose, weite Weite gesehen, ich sah die weiteste, endloseste, wahnsinnigste und überwältigendste Weite, die ich wohl je jemals sehen werde! Nach hinten eine fast endlose Sandfläche mit weißem Sand, so fein wie Puder, nach vorne die See mit weißen Krönchen auf den Wellenkämmen hier und da und links und rechts versprenkelt einige fingernagelgroße Menschen weit, weit weg.

Mehr Meer geht nicht

Mehr Meer geht nicht

Wenn man da so steht und die hereinkommende Flut wie ein neugieriger, schnuppernder Hund immer näher und kommt und einem schließlich auf die Füße platscht (beschuht! Februar!), die salzige Gischt wie kleine Sahnehäubchen auf dem glänzenden, weichen Watt liegen bleibt, rundherum ein ununterbrochenes Tosen, das kein Dolby Dingsbums dieser Welt schöner wiedergeben könnte und einem mühelos die fest sitzende Mütze vom Kopf zerrt, dann fühlt man sich so fassungslos und glücklich und lebendig, das man heulen könnte und jetzt, da ich das hier schreibe, kommen mir komischerweise schon wieder Tränen, obwohl ich im Zimmer sitze und gar kein Wind weht.
Ich weiß nicht recht, warum ich eine so starke, fast schon naive Affinität zu Wassern im Allgemeinen und Meeren im Besonderen habe, ich kann mir nicht erklären, warum ich so eine Verbundenheit spüre und Wohlbefinden, wie ich es nur ganz selten erlebe, vielleicht war ich im früheren Leben ja mal Klabautermann oder Wasserschlange oder gar Neptun.
Heute, an genau dieser Stelle, hat mich die Nordsee aber rumgekriegt. Ich glaube sogar, ich habe mich ziemlich verknallt.

ILY

Und jetzt, am späten Nachmittag, wo die Sonne gleißend auf das Wasser fällt und gleich von ihr verschluckt wird, bin ich versöhnt und froh, morgen mit diesen Bildern im Kopf abfahren zu können (die ich euch vielleicht auch auf YouTube zeige, wenn mich die Stunde Internetnutzung nicht mehr Viereinhalb Mücken kostet). Einen schöneren Abschied hätte mir meine neue Freundin gar nicht bereiten können.

Euch einen rührseligen Abend wünscht
moggadodde

Stormfrei!

Ich könnte jetzt nicht behaupten, dass in Husum und um Husum herum der Bär steppt. Aber es tat wirklich gut, mal wieder ein paar mehr Menschen zu Gesicht zu kriegen. In den letzten Tagen hatte ich mangels Gesellschaft nicht wirklich viel gesprochen. Ein „Moinmoin“ und ein „Ja, Kaffee, danke“ beim Frühstück sowie die Latte-Bestellung am Nachmittag, viel mehr ist kommunikationstechnisch als Alleinreisende nicht drin. Genau genommen könnte es sogar ziemlich langweilig werden, wenn man wie ich zwar ganz gerne mal schweigt, aber überwiegend gerne spricht. Allerdings ist es die reinste Wonne, allein im Auto zu sitzen und abzubiegen wann und wohin man will und wenn man lustig ist sogar in das Kaff Witzwort, allein deshalb, weil der Name komisch klingt. Witzwort selbst ist dann auch nicht so komisch. Und da wollte ich ja auch gar nicht hin, ich wollte ja nach Husum.

Husum ist die Theodor-Storm-Stadt, ihr wisst schon, das ist der mit der düsteren Kinderschrecker-Schimmelreiter-Geschichte. Husum ist auf den Herrn Storm wirklich stolz und das sieht man daran, dass an allen Ecken und Enden kleine Täfelchen angebracht sind nach dem Motto: „Hier lebte der Großvater von Theodor Storm“, „Hier wurde Theodor Storm geboren“, „Hier lebten die Eltern von Theodor Storm“, „Hier lebte der Schäferhund von Theodor Storm“.
Ich muss ja nicht erwähnen, dass das eigentliche Theodor-Storm-Haus, in dem man sich über sein Schaffen informieren kann, geschlossen war. Wintertouristen haben halt die Arschkarte (Vergebung, Herr Storm, ist doch so) und müssen gefälligst in den dreimal drei Stunden antanzen, die das Haus wöchentlich geöffnet ist. Müßig zu erwähnen, dass ich zur falschen Zeit da war. So wahnsinnig wichtig war mir Storm aber auch noch nie, ich bin in meiner Jugend ja eh gleich zu Simmel übergegangen.

Ich schlenderte durch die wirklich hübsche Innenstadt von Husum mit den netten Backsteinbauten und Treppengiebel-Häusern und deckte mich mit Mitbringseln für die Lieben daheim ein. Für mich selbst erstand ich auf dem Wochenmarkt eine Haarschere zum Ausdünnen, sowas wollte ich schon immer, für nur 5 €. Frauen wissen was ich meine, den anderen sollte es egal sein, denn bekanntermaßen werden bei den Herren die Haare ja von selbst dünn.

Schnickschnack

Die blondgezopfte Marktfrau hatte aber nicht nur Scheren aller Art. Ich traute meinen Augen nicht, als ich Pinzetten mit einem halben Meter Länge entdeckte! Sogar zahnärztliches Instrument, auch diese kleinen Widerhäkchendinger zum Ausputzen von Zahntaschen hatte die auf den vier Tischen ausgebreitet! Auf Nachfrage wusste die Marktfrau zu berichten, dass die Riesenpinzetten gerne von Terrarium- oder Wildtierbesitzern gekauft würden, die ihre gefräßigen Bestien so gefahrlos füttern könnten und, tja, sie habe viele Zahnärzte-Kunden, die sich bei ihr mit den benötigten Instrumenten eindeckten. „Ist doch Chirurgenstahl, wissen Sie?!“ – Ich glaube, die Gesundheitsreform ist offenbar jetzt auch auf dem Wochenmarkt angekommen! Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, dann werden auch künstliche Kniegelenke oder Herzschrittmacher auf den mit Samt bezogenen Tischen von Marktfrauen verkauft.

Ich ertappte mich dabei, wie ich in den Läden und an den Ständen mehr redete als nötig. Ich war so begierig darauf zu sprechen, dass ich in einem Souvenirladen einen kleinen, mit Batterien bestückten Leuchtturm kaufte, um die Verkäuferin mit der Story über meinen vermasselten Besuch in Westerhever zu beglücken. Sie hatte viel Verständnis für die missliche Lage von Wintertouristen und tatsächlich hatten wir ein Gespräch, das über „ja“, „danke“, „bitte“, „nochmal dasselbe“ hinausging und das tat wirklich gut.

Als ich schon zurückfahren wollte, entdeckte ich die Abfahrt zum Hafen. Wo ein Hafen ist, kann das Meer ja nicht weit sein, und zwar ohne matschiggrüne, kilometerlange Salzwiesen zu durchqueren, „da fährste mal lang!“ dachte ich hatte diesmal wirklich Glück: Oben auf dem Deich öffnete sich mir ein spektakuläres Bild: Graues, wild tobendes Wasser, das stetig ans Ufer drückt und mit den Wellen in Gischtfontänen anlandet, mit Salz in der Luft und in kleinen Wasserspritzern, das sich auf Haut und Lippen legt und so verdammt gut schmeckt und dem stürmischsten aller Stürme, gegen die ich bisher das Vergnügen hatte anstehen zu dürfen. Wenn ich mir die Nase putzen musste, hatte ich Schwierigkeiten, die Arme wieder in die Jackentasche zu bringen, schockartige Böen zwischendrin versuchten, mich von den Beinen zu holen.
Aber ich hielt stand, stemmte mich gegen den Wind und kämpfte mich zum Zipfel der kleinen Landzunge und schrie in die Nordsee, dass sie es mir wirklich schwer mache, sie zu mögen.
Die Nordsee pfiff mich an, dass sie eben nicht leicht zu haben sei und da könnte ja jeder kommen und sie gerne haben. Wen sie mag, entscheidet sie schon noch selbst, bitteschön!
Ich erwiderte, so laut ich konnte, dass ich schließlich ein hübsches Weglein zurückgelegt hätte, um sie zu sehen und wenn sie sich jetzt noch ein bisschen anstelle, hätte ich die Ostsee bald viel lieber. Und die ist immer da wo sie hin gehört und nicht nur ab und zu und nach Gewaltmärschen durch Salzwiesen zu erreichen, schob ich hinterher!
Selber Schuld, schrie mich jetzt die Nordsee an, im Februar bin ich halt zickig! Mag mich oder nicht, ist mir doch schnuppe! Ich meinte aber eine gewisse Unruhe zu hören, dass ich vielleicht doch die Ostsee ihr vorziehen könnte und wie zur Versöhnung ließ sie ihren Kumpel Sturm auf dem Rückweg noch einen Zacken zulegen und so verdammt heftig blasen, dass sogar ein kleines Fleckchen Blau am Himmel zu sehen war. Ich war schon drauf und dran ihr zu verzeihen, ließ es mir aber nicht anmerken, die letzten beiden Tage lasse ich sie noch ein bisschen schmoren, die Nordsee.

„Am grauen Strand, am grauen Meer

Und seitab liegt die Stadt;

Der Nebel drückt die Dächer schwer

Und durch die Stille braust das Meer

Eintönig um die Stadt.“

Das hat Theodor Storm bestimmt im Februar geschrieben, als er auch niemanden zum Reden hatte.

Euch einen schwatzhaften Tag wünscht
moggadodde

Küstenvernebelt

Klar, dass ich den Westerhever Leuchtturm in natura sehen wollte. Eigentlich kenne ich den ja schon, genauso wie ihr, auch wenn ihr selbst noch nie einen Fuß in Richtung Westerhever gesetzt habt. Gemeinerweise hat nämlich die Brauerei Jever genau diesen Leuchtturm in ihrem Werbespot verwendet, und wer nun weiß, dass Jever in Niedersachsen und der Westerhever Leuchtturm in Schleswig-Holstein steht könnte vermuten, dass sich die Brauerei da ein bisschen mit fremden Federn schmückt, zumal die ostfriesische Küste sicherlich selbst mit Leuchttürmen gespickt ist, aber vielleicht ist ja keiner so fotogen wie der von Westerhever.
Klar war auch, dass sich der Turm nicht von seiner besten Seite zeigt, wenn ich komme.

Vernebelt

Erstens hatte ich mir leichtsinnigerweise eingebildet, man könnte mit dem Auto zumindest bis in die Nähe des Turms kommen. Lauffaul, das habe ich am ersten Nordseetag schon gelernt, darf man hier nicht sein und auch nicht zu leicht angezogen. Ich parkte also in der Einöde, völlig allein und wanderte mit Wollmütze plus Kapuze, die auch dringend vonnöten waren, auf den Deich, um nach dem Turm Ausschau zu halten. Ich sah nichts, diesiges Wetter und trotzdem unglaubliche Weite trübten meinen Blick. Oben auf dem Deich ist aber eine gezeichnete Wegbeschreibung: Drüben runter vom Deich, geradeaus und dann links ab durch die Mitte.

Eine gute Dreiviertelstunde später, inzwischen konnte ich im Nebel den Turm schon erkennen, blitzte ein Gedanke durch mein Gehirn: Ist das Auto eigentlich abgeschlossen? Ich konnte mich nicht daran erinnern, abgeschlossen zu haben! Wie beim vielleicht nicht abgeschalteten Bügeleisen wurde ich unruhig. Ich hatte bis auf die Kamera und das Telefon alles im Auto gelassen: Zimmerschlüssel, Navi, Geld, Karten, Fluppen, was man halt so hat, unterwegs. Schnell wischte ich den Gedanken an räuberisches Gesindel beiseite. Ich hatte, seit ich hier angekommen war, keine Menschenseele gesehen, warum also sollte jemand diesen gottverlassenen Parkplatz aufsuchen und einen Kombi klauen? Auch wenn ich weiter unruhig blieb, ich marschierte weiter und kam dem Turm trotz eisigen, frontal blasenden und schneidenden Windes langsam näher.

Das Törchen stand offen und mein durch düstere Nordseegeschichten geprägter Verstand erwartete jetzt einen wollmützigen Seebären mit Pfeife im Mundwinkel, der mir grimmig das Innere des trutzigen Turms zeigt und mir zum Aufwärmen einen Grog mit Rum kredenzt, bei dem ich feststellen würde, dass Seebären nett sind, auch wenn sie grimmig aussehen.

Ich klopfte also an einem der beiden kleinen Häuser, die wohl zu Forschungszwecken für das Nationaldingsbums Wattenmeer verwendet werden Ein Ökofreak unbestimmten Geschlechts öffnete und auf meine Frage, wann denn die nächste Möglichkeit zum Besteigen des Turms wäre antwortete er oder sie, dass er an Ostern wieder besichtigt werden könne. Ostern! Ich sagte, dass ich nicht gedenke, so lange zu bleiben und er oder sie antwortete, dass in einer kleinen Hütte nebenan eine Infoecke eingerichtet sei. Infoecke! Was soll das denn? Da kann ich ja auch ins Internet und mich informieren und muss nicht stundenlang durch sturmeisiges Geläuf marschieren, oder?

Stinkig stiefelte ich zurück und hatte wenigstens den Wind jetzt im Rücken. Ich sinnierte darüber, dass in Zeiten von GPS und computerunterstützter Navigation Leuchttürme ja schon lange überflüssig geworden sind und nur noch für gefühlsduselige Touristen da stehen, denen ein drei-Kilometer-Marsch (einfach) nicht zuviel ist, um einen rot-weiß getünchten Turm anzustarren. Das Innere, die Technik, die Treppen, die Enge – das hätte ich gerne gesehen, aber nicht auf Schaubildern sondern in natura, wenn ich meinen Kadaver da schon durch die Heide hieve!
Zurück am Parkplatz entdeckte auch ich dumme Landratte endlich das Hinweisschild, wonach Führungen auf den Westerhever Leuchtturm erst wieder an Ostern stattfinden. Gibt es denn hier nicht einen mitteilsamen Rentner, der auch Wintertouristen auf den Turm führt? Oder wie wär’s mit einem 1-Euro-Jobber oder einen von den Ökotypen, die in ihrer Forschungsstation mit Vögelzählen oder Robbengucken unmöglich ausgelastet sein können! Dem aushängenden „Kummerkasten“ hätte ich gerne mein Anliegen anvertraut, was mangels Schreibzeug aber auch nicht ging.
Das Auto war natürlich abgeschlossen und ich bin sicher, ich hätte sogar die Türen plus Kofferraum offen stehen lassen oder als Nixe oder Heuler verkleidet auf dem Parkplatz liegen können, ohne dass es vor Ostern in dieser irrsinnigen Einsamkeit irgendjemand bemerkt hätte.

Versöhnt hat mich danach das schleswig-holsteinische savoir-vivre, in einer Hotellobby rauchen zu dürfen. Das Gefühl, wie es ist, mit Cappucino und Zigarette in einem mit vier Wänden umgebenen und öffentlichen Raum zu sitzen, ist man als gemeiner Bayer ja gar nicht mehr gewöhnt. Als ich so da saß und mir langsam wieder warm wurde, fand ich meine bis zu den Knien hoch matschverspritzte Hose gar nicht mehr so schlimm, aber trotzdem hätte ich den Leuchtturm wirklich zu gerne auch von innen gesehen. Deswegen fahre ich morgen zum Shopping nach Husum. Da wird man auch als Wintertourist sicher nicht vor verschlossener Tür stehen müssen.

Euch einen wärmeren Tag wünscht
moggadodde

Mal schnell vonne Küste …

Die Narren waren heute wohl alle Fasching feiern, auf der ganzen Strecke nur drei Drängler und Raser. Vorbildlich! Vor Hamburg war ich so gut drauf, dass ich dachte, ich könnte jetzt eigentlich auch bis zum Nordkap durchfahren. Danach wurde es aber ziemlich öde und zog sich wie blöd.
Dann natürlich gleich ans Wasser:

Lektion 1: Vorne ist verdammt weit weg

Vorne ist verdammt weit weg

Lektion 2: Nach hinten ist es auch nicht näher

Hinten ist auch verdammt weit weg

Lektion 3: Niemals ohne Tempo an den Strand, will man sich eine blubbernde Rotznase ersparen. Davon habe ich kein Bild, worüber ihr froh sein solltet.

W-LAN: äußerst schneckig und nervenaufreibend instabil, Wetter: friesisch-herb, Windstärke: viel.

Eindruck bis jetzt: Gar nicht mal so übel. Und weit und breit keine Moppelkotze, Labskaus oder Jan und sein Sack. Trotzdem erhöhte Restaurant- und Kneipendichte und Fisch an allen Ecken.
Das war’s aus dem Norden, ich geh‘ jetzt in die Waagerechte.

Und tschüss
moggadodde