Ich.Bin.Weg.

In Amerika ist man in manchen Belangen ja schon ein wenig weiter. Dort besteht die Möglichkeit, die besorgten Angehörigen via Twitter permanent und ohne Zeitverzögerung über das Befinden des Patienten direkt aus dem Operationssaal zu unterrichten. Auf den ersten Blick fand ich das ziemlich genial. Auf den zweiten Blick gewann die Meinung die Oberhand, dass auf 140 Zeichen komprimierte Nachrichten, die so lauten könnten

„Fr. Mogga liegt nun mit aufgeschnittener Kehle vor mir. Wegen dramatischen Blutdruckabfalls fährt Sr. Hubert schon mal den Defibrillator hoch“

nicht unbedingt zur Beruhigung des familiären Umfeldes geeignet wären und sich der Operateur außerdem besser auf sein eigentliches Tagesgeschäft konzentrieren sollte, statt die Verwandtschaft kirre zu machen.

In der klinischen Einöde werde ich mindestens eine Woche vom regulären Netzbetrieb abgeschnitten sein, aber der treue @Onkel_Heiko wird Euch sowohl hier als auch bei Tante Twitter über meinen Zustand auf dem Laufenden halten. Falls es nicht so erfreulich laufen sollte, sage ich an dieser Stelle schon mal Tschüss, Servus und Goodbye. Wir sehen uns dann in der Hölle, irgendwann.

Euch eine gute Zeit wünscht
moggadodde

Tag X minus 3 = Operation Schwanenhals

Es schmeichelt mir nur vordergründig, dass der sehr nette und gar nicht unhübsche Traumlandverschicker Anästhesist sich an mich und meine akute Gallenproblematik vor fünf Jahren erinnert, denn er tut es einzig wegen meiner „irregulären, anatomischen Verhältnisse“ und verlieh mir aufgrund dessen heute das Prädikat „schwer zu intubieren“. Immerhin ist jetzt aber gewährleistet, dass entsprechend biegsames Schlauchwerk bereit liegt, um mir problemlos das Maul zu stopfen den knock-out zu verabreichen.

Die aufnehmende Ärztin mit unglaublich kleinen Füßen informierte mich danach über das bestehende Risiko für meinen Geschmack zu gründlich. Zu den Vokabeln, die ich nicht so gerne gehört hätte, zählen z.B. „Nachoperation“ und „Luftröhrenschnitt“. Wiederum beruhigt hat mich hier aber die Aussicht auf ein stattfindendes Neuromonitoring während des Eingriffs, mittels dessen ein hoffentlich fähiger und erholter Operateur dauernd über den Aufenthaltsort meines lieblichen Stimmbandnervs informiert ist, um diesem möglichst nicht mit dem Skalpell zu begegnen.

Ich kann nicht leugnen, dass sich langsam Nervosität einstellt und die verschollen geglaubte Angela Angst drauf und dran ist, im Kampf mit dem guten alten Gerd Galgenhumor die Oberhand zu gewinnen. Die vielseitigen Beruhigungsversuche, dass es sich um einen Routineeingriff handelt, sind wirklich gut gemeint. Denn um einen solchen handelte es sich irgendwann bei der Nachbarin ein Stück die Straße runter auch und jetzt spricht sie mit demselben Timbre wie Don Vito Corleone nur mit Brüsten. Das ist nicht das, was ich mir wünsche.

So bleibt mir nicht mehr übrig als zu hoffen, dass dem Herrn Oberarzt statt einer Doppelschicht ein richtig entspanntes Wochenende bevor steht, an dem er endlich sein Golf-Handicap verbessert und granatigen Sex hat (aber nicht zuviel, das macht müde!) sowie knusprige Brötchen zum Sonntagsfrühstück.
Schön wäre auch, wenn seine Gattin nicht unbedingt morgen oder übermorgen Probleme mit ungeratenen Kindern oder überfälligen Rechnungen diskutieren würde. Außerdem würde ich sehr begrüßen, wenn sie eine Liason mit dem Stromableser erst am Montagabend beichtet und auch andere, möglicherweise vorhandene Leichen noch ein wenig im Keller behält, zumindest so lange, bis ich im Aufwachraum liege. An dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank, gnä‘ Frau!

Zum Glück: Gerd Galgenhumor zeigt noch Vitalfunktionen.

Euch einen entspannten Abend wünscht
moggadodde

Eindeutig zweideutig

Erinnert sich noch jemand an die Fernsehsendung, in der das Publikum als Laienrichter über nachgespielte aber so tatsächlich anhängig gewesene Rechtsfälle per Knopfdruck urteilen und diskutieren durfte? Ein Studiogericht sprach dann das Urteil so, wie es sich im echten Verfahren ergeben hat. Bei „Wie würden Sie entscheiden?“ hätte dieses Schild

Wie jetzt?

für rege Diskussionen gesorgt. Durfte sich die 102jährige Frau Posemuckel auf seine Aussage verlassen und davon ausgehen, dass der verschneite Weg tatsächlich von der freundlichen Wohnungsgesellschaft geräumt wurde? Oder bleibt sie jetzt auf ihrem doppelten Oberschenkelhalsbruch sitzen?

Linke Bazillen hegten nun möglicherweise den Gedanken, sich im Winter dort einmal theatralisch auf die Nase zu legen, um wegen des nicht geräumten Weges ein hübsches Schmerzensgeld abzugreifen. Wie simuliert man nochmal eine Gehirnerschütterung?

Euch einen unfallfreien Tag wünscht
moggadodde

Tag X minus 7

Auf massiven Druck sowohl Angehöriger und Ärzte als auch des Knotens auf meinen Luftversorgungsschacht wird es mir in einer Woche endlich an den Kragen gehen. Schmetterlinge im Bauch sind in der Prosa geflügelte Begleiter. Die schmetterlingsförmige Drüse im Hals dagegen taugt, ganz besonders vergrößert, nicht zur leichten Unterhaltung.

Zur OP-Vorbereitung fand ich mich deshalb heute beim Dottore zu einigen Tests ein. Dass aufgrund meiner offenbar recht reichhaltigen Bodylotion die EKG-Stöpsel nicht auf der Haut haften wollten, fand ich noch witzig, ebenso die übliche, verzweifelte Suche der MTA nach einer ergiebigen Vene. Weil sich bei meinem Leibarzt die Toilette am einen und das Labor am anderen Ende der Praxis befindet, musste ich meinen Pinkelprobenbecher quer durch die engen Reihen anderer Patienten lavieren, peinlich darauf bedacht, nicht über ein ausgestrecktes Bein zu segeln. Gleichzeitig umklammerte ich den Becher mit beiden Händen: Ich finde, die Farbe meiner Körperflüssigkeiten geht niemanden etwas an.

Bei der anschließenden Stimmbandprüfung schob mir der Untersucher eine Stange in den Schlund, während er sich mit eisernem Griff wie ein Ertrinkender so lange an meine ohnehin nicht mit Länge gesegnete Zunge klammerte, bis ich endlich ein „iiiii“ herausknörte, das den miesepetrigen Dottore zufriedenzustellen schien. Ein wenig mehr Gestocher noch und mein Würgereiz hätte sich auf des Doktors Kittel Bahn gebrochen, soviel ist sicher.

Am Freitag stehen Aufklärungsgespräche mit Anästhesist und Chirurgen an, in deren Verlauf ich mit Risiken und Nebenwirkungen vertraut gemacht werde. Es gibt eigentlich nichts, das ich in Bezug auf diesen Eingriff noch nicht weiß.
Eine Unterschrift unter die Auflistung möglicher Komplikationen setzen zu müssen kommt mir allerdings so vor, als unterschriebe ich einen Kaufvertrag und verzichte dabei auf jegliches Reklamationsrecht, auch wenn die Ware nur unbrauchbarer Schrott ist: „Hier! Sie haben unterschrieben und wussten von dem Risiko, dass Sie den Rest Ihres Lebens krächzend wie der Rabe Abraxas bestreiten könnten!“ oder „Dass der Operateur vorher frisches Brot gegessen, deshalb einen Schluckauf bekommen und mit einem Schnitt ihre Stimmlippen zum Schweigen gebracht hat, konnte niemand voraussehen, aber Ihre Kinder werden dankbar sein, glauben Sie mir!“

Bis es also soweit ist, lenke ich mich ab mit nützlichen Gedanken wie der Überlegung, ob ich mir das Geld für einen Friseurbesuch vor der OP sparen sollte, dass ich aber, falls mich meine Leute bei nicht überlebtem Eingriff aufbahren lassen wollen, so wenigstens eine hübsche Leiche abgebe.
Galgenhumor ist für mich schon immer die beste Art Stressbewältigung gewesen.

Euch einen makabren Tag wünscht
moggadodde