Gönnen können

Quer durch die Nachrichten ging heute das Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Ein namhafter Schuhhersteller hat sich entschlossen, Arbeitnehmern nach dem 58. Lebensjahr zwei zusätzliche, nämlich 36 statt 34 Tage Urlaub im Jahr zu gewähren. Dagegen geklagt hatten sieben Beschäftigte zwischen 45 und 56 Jahren, die sich mit dieser Ungleichbehandlung wegen ihres Alters diskriminiert sahen. Das BAG hat diese Klage heute nun abgewiesen.

So oft wurde die Nachricht vermeldet, ich konnte gar nicht anders, als mir Gedanken zu machen. In einer Fabrik (jaja, Birkenstock war’s) ist die Arbeit ganz sicher strapaziöser als beim Maßschuhmacher. Ich könnte mir laute Maschinen, widerspenstiges, schweres Material und überaus hohe Anforderungen an genaues und zügiges Arbeiten vorstellen. Schichtbetrieb. Schlechte Luft. Monotone Handgriffe, immer und immer wieder. Wahrscheinlich ist die Arbeit in der Schuhfabrik, auch wenn sie modern und nach deutschen Arbeitsschutzstandards stattfindet, nichts, was man sich am Anfang seines Arbeitslebens als Traumberuf auserkoren hätte.

Die Erklärung, wie es dazu kam, führt zu weit (nur eines, Ihr mitlesenden Frauen im gebärfähigen Alter: Bleibt bloß nicht wegen der Kinder zu lange weg!). Aber nun bin ich einmal in den, wie ich sie hassliebevoll nenne, „Katakomben“ gelandet. Es ist eine vor allem körperlich fordernde Arbeit dort, die sich orthopädenfreundlich im Gehen, Stehen und (sehr wenig) Sitzen ausüben lässt. Ich bewege händisch recht hohe Lasten mit Medikamenten und medizinischen Produkten, es ist laut, es sollte schnell und muss genau gearbeitet werden und oft bin ich nach Feierabend so groggy, dass ich mich erst einmal für ein Weilchen in die Horizontale begeben muss. Diese Arbeit verrichte ich nur drei Tage in der Woche, aber es gibt auch Frauen dort, die älter sind als ich, die das z.T. in einer 5 Tage-Woche leisten und ich überlegte, wie ich reagieren würde, hätten diese Kolleginnen allein wegen ihres höheren Alters mehr Anspruch auf Urlaub als ich.

Angenommen, der oberste Entscheider in der Katakomben-Teppichbodenetage würde jedem Mitarbeiter ab, übernehmen wir ruhig das Birkenstock-Beispiel, 58 Jahren zwei Tage mehr Urlaub genehmigen, ich würde mich für die Kollegen freuen! Ich würde nicht wie ein kleinlicher Neidhammel mit Schaum vor dem Mund das Gericht anrufen! Ich wäre froh, in einer Firma zu arbeiten, in der die Geschäftsleitung ihren betagteren Leuten am Ende der Beschäftigten-Nahrungskette eine Erleichterung in Form von zwei zusätzlichen Urlaubstagen verschafft. Vorstellen könnte ich mir ja, dass dieses „Geschenk“ der Hoffnung auf weniger Krankheitszeiten geschuldet ist aber, so what!? Was soll dieses boshafte Gezänk? Das missgünstige Schielen auf Vorteile, das Schwingen der Diskriminierungskeule, das verbissene Pochen auf Gleichmacherei, wo doch jeder spürt, dass mit jedem weiteren Lebensjahr die Arbeit immer schwerer fällt?

Das ist keine Frage des Gerechtigkeitssinns, sondern des Neids. Und Neid ist etwas, das ich überhaupt nicht verstehen kann. Neidische Leute sind mir ein Gräuel. Ich bin alles, nur nicht katholisch erzogen, aber ist es nicht eine Frage der Menschenfreundlichkeit, auch mal gönnen zu können?

„Deutschland ist das einzige Land der Welt, in dem der Neid stärker ausgeprägt ist als der Geschlechtstrieb“, schrieb einst der Romancier Stephan Reimertz. Mehr Kinder hätten wir ja auch dringend nötig. Aber noch nötiger hätten wir Menschen, die Philantropie nicht für eine neue Sorte von Doppelrahmfrischkäse halten!

Eine sahnige Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

4 commenti su “Gönnen können

  1. yeow sagt:

    Ich kann Dir nur zustimmen.
    Ich habe vor wenigen Wochen die magische Alte-Säcke-Grenze (50 Lenze) überschritten und währe froh, wenn meine Teppichbodenetage eine solche Regelung eingeführt hätte.
    Ich würde mich darauf freuen, die 58 zu erreichen und ich würde mich freuen, wenn die Kollegen, die z.T. sehr viel härteren körperlichen Anforderungen genügen müssen, eine solche Regelung bekämen.

    Ich persönlich bräuchte sie nicht. Ich bin, zumindest zur Zeit , Schreibtischtäter. Aber für andere wäre es ein fairer Ausgleich für z.T. lebenslanges, körperliches Schuften. Und wenn dabei der Krankenstand sinkt, ist es doch für beide Seiten ein Win-Win-Situation.

    Ich kann genau so wenig wie Du verstehen, warum da die Neider aufkommen. Ich währe nur froh, das überhaupt eine solche Regelung vorhanden ist.

  2. Hazamel sagt:

    Na ist doch super, dass sich das Bundesarbeitsgericht so einig ist 😉

    Immerhin gab es 2012 ein Gerichtsurteil des Bundesarbeitsgerichtes, dass junge Arbeitnehmer gegenüber älteren urlaubstechnisch nicht diskriminiert werden dürfen (http://www.hensche.de/Urlaub_Alter_Diskriminierung_Urlaub_nach_Alter_ist_Diskriminierung_TVoeD_Urlaub_BAG_9AZR529-10.html)
    Seitdem haben alle im TVöD gleich viel Urlaub… Also außer denen die, die über 55 sind. Bei denen hat man nämlich beschlossen, dass die nen Tag mehr bekommen. Die Neuregelung gab es übrigens auf Basis des Gerichtsurteils. Scheinbar hatte unsere Personalstelle da Probleme zu verstehen um was es bei der Klage ging 😉

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