Bedrohnung

Strahlende Sonne beim Spaziergang und eisige Kälte. Ein bisschen frische Luft soll ja nicht schädlich sein, aber plötzlich umfängt mich ein Geräusch. Hornissen in Würzburg? Ein Killerwespenschwarm? Hat Gott sein Plagensortiment mit Trump auf dem nordamerikanischen Kontinent experimentell erweitert und schickt den Würzburgern erst einmal die guten, alten, biblischen Heuschrecken?
Ich schaue mich um und entdecke über mir ein Fluggerät, einen Quadrocopter, wie sich diese moderne Plage aus der Tech-Ecke wohl nennt. Sirrend bewegt es sich hin und her und ich fühle mich sofort unbehaglich. Was nimmt er ins Visier? Welche Auflösung bieten die Aufnahmen? Ist es hier sicher oder machen die Batterien schlapp und die Rotoren rasieren mir beim Absturz ein paar Ecken in den Damenbart oder kracht mir das Teil gleich mit einem ordentlichen Wumms auf die Rübe? Ich fühle mich bedrohnt, gehe in die Gegenoffensive und fotografiere zurück.

Wo zum Teufel steckt der Pilot?
Ich entdecke ihn auf dem Domplatz. In einer Ecke stehend guckt er in einen Kasten, den er mit Gurten am Oberkörper trägt. Natürlich will ich da nachhaken und nähere mich. Der MamS hasst es, wenn ich fremde Leute in kritische Gespräche verwickle, aber das kratzt mich bekanntlich wenig. Er läuft weiter, während ich den Piloten anspreche, ob ich stören darf, oder ob das eine Gefahr für die Passanten darstellt? Sehr freundlich ist der Mann und beantwortet mir meine Fragen. Die Aufnahmen sind für einen Radiosender und auf dem Monitor sehe ich aus der eben gesehenen Flughöhe gestochen klare Bilder. Er erkundigt sich nach meinen Bedenken, die ich sehr gern erläutere und die er zu entkräften versucht, was ihm trotz der offenbaren Joystick-Virtuosität nicht wirklich gelingt. Er scheint zu wissen, was er tut, es handelt sich um eine Auftragsarbeit, er macht einen besonnenen Eindruck. Aber ich bin immer noch sehr nachdenklich.

Luftbilder sind keine neue Erfindung. Schon vor vielen Jahren hing in der Wohnküche meiner Oma eine Aufnahme des hart erarbeiteten Eigenheims von oben. Aber das waren Profis, die aus Cessnas knipsten. Und billig war das nicht.
Heute können sich Hinz und Kunz, Doof und Saudoof sowie Spanner und Hirnlose aller Couleur zum Aviator aufschwingen und für ein paar Kröten und ohne Registrierung nicht nur schöne Bilder und Filme machen, sondern auch spitzeln, spionieren und spannen.
Noch schlimmer aber ist, dass sich selbst harmlose Hobbypiloten zuweilen mit der Steuerung überschätzen. Technische Defekte oder ein upps! plötzlich leerer Akku sind keine neuen, sondern immer öfter verkündeten Nachrichten. Es ist nach meiner Befürchtung angesichts der schieren Masse der mittlerweile verkauften Copter und Drohnen nur eine Frage der Zeit, bis einer dieser Brocken nicht mehr nur auf der Autobahn notlandet, sondern ein Unglück mit ernsthaftem Personenschaden anrichtet.

Sogar elektrische Rollstühle müssen über Nummernschild und Haftpflichtversicherung verfügen, wenn sie schneller als 6 km/h fahren, während die Mehrzahl der Freizeit-Luftikusse ihre hoch gefährlichen Fluggeräte völlig anonym mit bis zu 60 Sachen durch den Luftraum jagt? Nicht auszumalen, wenn eines dieser meist als „Spielzeug“ klassifizierten Flugkörper aus 30 m Höhe auf einen Menschen kracht.

Im eigenen Garten, in den eigenen vier Wänden, auf und über dem eigenen Grundstück oder auf eigens dafür vorgesehenen Geländen – hey, viel Spaß und ab dafür! Nennt mich spießig, aber für mich haben diese Geräte ohne Lizenz, fundierte und fachlich belastbare Einweisung in der Art eines Führerscheins sowie Eigentumsnachweis im öffentlichen Raum einfach nichts verloren.
Ich jedenfalls möchte nicht „airleben“, wie mir so ein Geschoss aus heiterem Himmel einen zweiten Scheitel zieht!

Einen luftigen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

6 commenti su “Bedrohnung

  1. hazamel sagt:

    Regeln gibt es. Gerade erst neue. (https://netzpolitik.org/2017/kabinett-beschliesst-schaerfere-regeln-fuer-drohnen und https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kennzeichen-und-Kenntnisnachweis-Neue-Pflichten-fuer-Drohnenpiloten-kommen-3601385.html) anonym sollten sie damit auch nicht mehr sein.

    Abgesehen davon hat der Herr sich dann wohl eh schon falsch verhalten, weil er über bewohntem Gebiet geflogen ist und dann das ganze auch noch optimiert hat indem er über den Monitor und nicht auf „Sicht“ geflogen ist. Radiosender hin oder her. Und dass er mit einem 250g Copter rumgedüst ist glaube ich fast nicht.

    Aber das interessiert die Medien ja auch nicht. Erinnere mich noch gut, dass die Mainpost vor gar nicht all zu langer Zeit das Video eines (gescheiterten) komunalen Jungpolitikers gefeatuered hat, auf dem man sieht wie er am Stadttheater seinen Multicopter steigen lässt und dabei nur auf den Bildschirm schaut. Verfolgt wird an der Stelle scheinbar gar nicht. Kostenpflichtig bestraft wie vor ein paar Wochen in New York erst Recht nicht. Erinnere mich auch, dass vor ein paar Jahren so ein Hochleistungscopter beim einem Slalom-Wettbewerb in Österreich runtergekommen ist und nur knapp den Fahrer verfehlt hat.

  2. moggadodde sagt:

    Sehr schön, danke für die Links! Einerseits finde ich diese Copterrennen ja absolut faszinierend, aber über Menschen muss das wasserdicht gelernt werden. Da hat man ja mit den neuen Vorschriften gute Regeln gesetzt. Nur vermute ich, wie Du, dass die Ahndung von Verstößen nicht einfach wird, Kennzeichen gut und schön, aber von unten sind die nutzlos.
    Keine Ahnung, wie schwer das gestern war. Wenn die Videobrillen mit dem Sichtflug gleich gesetzt werden, könnte das für den Monitor auch gelten?
    Ach, ne. Ich will einfach nicht auch noch nach oben aufpassen müssen. Hab schon genug damit zu tun, mich beim Überqueren einer Straße nicht überfahren zu lassen.

  3. Mirko sagt:

    Ja, schon seltsam, die Sache mit den inflationär auftretenden Coptern. Selbst mich, als aeroaffinen, eher ehemaligen Segelflieger, der noch heute jedem Flieger hinterhersieht und sogar im Frankfurter Endanflug von den heulenden (singenden?) Turbinen fasziniert ist, nerven diese Teile gewaltig. Gute Luftaufnahmen anzufertigen ist eine Kunst für sich und ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als das quasi nur für die Wendepunktdokumentation erlaubt war. Da war das noch wirklich was Besonderes. Bei meinem ersten Ãœberlandflug hab ich das erste Wendepunktfoto dermassen verbockt und bin in der Luft rumgefallen, dass ich meine Höhe komplett verloren hatte und dort landen musste. Heute hängen die Kiddies die Gopro unter ihre Drohne und aerobatiken über die Gegend. Manche übrigens dermassen virtuos, dass einem die Spucke wegbleibt. Und verantwortungsbewusste Modellflieger wissen, was sie tun. Denen gilt mein tiefer Respekt. Das Problem ist, dass die Elektronik mittlerweile Unglaubliches möglich macht und blutige Anfänger und Möchtegernpiloten sich solche Teile zulegen, die aus der Verpackung heraus fliegen. Der „Pilot“ stört dabei dann eher. Offensichtlich gibt es mittlerweile schon einige Massnahmen zur Gegenwehr. Bin gespannt, wie sich die Sache weiterentwickelt. Bei den Luftaufnahmen gibt es übrigens auch eine romantische Variante: KAP (Kite Aerial Photography). Da sind die Aufnahmen wirklich Kunst und es steckt viel Herzblut drin. Eben weils grad nicht so einfach ist und man sich einiges einfallen lassen muss, damit das klappt. Bei uns im Binnenland fehlt dazu leider meist der entsprechende Wind.
    Werd mal über ne Bazooka nachdenken…;-)

    • moggadodde sagt:

      Ja, Mirko, die Umkehrschubgeräusche beim Anflug auf Frankfurt können wir hier auch ganz genau hören … gibt immer ein bisschen Kribbeln im Nacken!
      Von KAP hörte ich noch nie und hab mir eben ein paar Clips dazu angeschaut. So leicht wie es aussieht, ist es wohl nicht und da, wo die (sagt man da auch?) Piloten waren, scheint es, wirklich einsam und mit perfektem Wind gesegnet zu sein. Drachen mit Kamera, schön! Ãœber einsamem Gebiet, noch schöner 😀

      Dass Technik, zudem für jedes Taschengeld erschwinglich, jedem alles leicht macht, ist der verkehrte Weg und öffnet Selbstüberschätzung und Leichtsinn Tür und Tor. Das ist ja in der Singerei dasselbe: Mit Autotune und einer Menge Schiebereglern wird auch die schrägste Stimme zur Netrebko. Umso wichtiger, dass den Nachwuchsaeronauten die Verantwortung ihres Tuns nachdrücklich nahe gebracht wird. Ich hätte jedenfalls ziemlich Bauchweh, wenn ich einem pickligen Halbwüchsigen so etwas über den Tresen verkaufen müsste.

      Ans Abschießen würde ich ja auch gleich denken, würde mir hier im Sommer einer copternd ins Dekolleté filmen – aber bei meinem Geschick könnte ich für nix garantieren 😀

  4. Furchtbar diese Teile. Du kannst heute nichts mehr machen, nirgendwo mehr in der Nase popeln, ohne Sorge haben zu müssen, irgendwo auf YouTube & Co. dieses Bild eventuell zu entdecken. Diese ganze Filmerei geht mir mittlerweile tierisch auf den Senkel. Jetzt kommense auch noch von oben. Mal ebkes kurz in Nachbars Garten schauen, was da so los ist. Wie funktionieren hier die Comic-Fluch-Zeichen? (Wolke, Blitz, Regen, Totenkopf…)

    • moggadodde sagt:

      Comic-Fluchzeichen gibt’s hier doch nicht, lieber Georg! HIer musste noch oldschool schimpfen! Aber ja, unbeobachtet ist man sowieso nur noch in den eigenen Wänden, sofern die Webcam abgeklebt ist (habbich!) 😀

Schreibe einen Kommentar zu moggadodde Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert