Hamburg, Baby!

In der romantischen Vorstellung meiner Kindheit fand ich es aufregend, in einem U-Boot zu sein. Aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt dem Film, ist meine Schwärmerei schon lange abgekühlt. Letztens, in Hamburg, beim Aussteigen der Fähre von Stade kommend, liefen wir an der U-434 vorbei, einem Museumsschiff, das einst im Dienst der Russen stand und überlegten nicht lange. Das schauen wir uns mal näher an.

Der Einstieg allein ist nichts für allzu umfangreich bemessene Menschen. Von außen sieht das Boot recht geräumig aus, dieser Eindruck ist schon nach einer halben Minute vernichtet. Es ist nicht zu glauben, dass sich dort um die 80 Männer gleichzeitig aufgehalten haben. Eine Enge, die auch nicht agoraphobe Menschen in Bedrängnis bringt, es stinkt nach altem Öl und Schmiere und der Vorstellung jahrelang vergossenen Schweißes. Pausenlos bleibt man an irgendwas hängen oder stolpert, weil das ganze Boot komplett vollgestopft ist mit Instrumenten, Anzeigen, Aggregaten, Kabeln, Schaltern, Rohren und allerlei irrwitziger Technik, damit der Koloss überhaupt bewegt werden konnte. Betten wurden natürlich im 2-Schicht-Betrieb belegt, die Verpflegung soll hervorragend gewesen sein, der Moral wegen, denn 3 Monate ohne Sonnenlicht, da kommt der stabilste an seine Grenzen. Dünn, klein und wendig – so musste die Besatzung sein und wer hier arbeitete, musste sein Menschsein komplett ablegen und funktionieren. Betten gibt es überall, wo Platz ist, auch in einer Ecke des Maschinen- oder Torpedoraums. Die Kombüse ist winzig, die Toilette indiskutabel wenig einladend und überall sind Luken und Durchschlupfe – ich konnte mir nicht vorstellen, dass man sich auf einem U-Boot verlaufen kann, aber das geht ganz schnell.

Kaum vorstellbar, dass dieses Monstrum erst vor 20 Jahren ausgemustert und demilitarisiert nach Hamburg geschleppt wurde. Nach einer Stunde im Bauch des Bootes mit Klettern und Rutschen durch die drei (oder waren es vier?) Ebenen war ich heilfroh, nach draußen zu kommen. Es gibt auch einen Film zum Boot, der die Enge zeigt, aber zu Glück nicht, wie es darin riecht.

Danach besuchten wir noch angenehmere und luftigere Ecken von Hamburg und liefen, bis die Socken qualmten.

Ist eigentlich ganz schön da in dem Hamburg. Aber unser Basislager war in Stade, ein wahrhaft entzückendes Örtchen mit einer Ansammlung an herrschaftlichen Häusern aus früheren Zeiten, wie ich sie nicht so oft sah.

Beschaulich, gemütlich und mit früh hochgeklappten Gehsteigen und dennoch nah am pulsierenden Hamburg: Stade ist absolut sehenswert!

Erfrischt
moggadodde

Lunatic

In ein paar Tagen fliege ich zum Mond. In einer großen, blauen Mappe sind die Dokumente, Gesundheitsnachweise, Berechtigungen, Anweisungen für Experimente und technische Aufzeichnungen, die ich bald geschickt bekomme. Ich bin unsicher beim Kofferpacken. Brauche ich ein Trinkglas? Nein, beschließe ich. Im Shuttle wird man aus Bechern mit Halmen trinken. Klamotten? Nein, ich trage doch diesen Anzug. Ein Fotoalbum der Familie, das aber sicher nur Ballast wäre, weil mein Blick ohnehin immer wieder voller historischer Besoffenheit abschwöffe, zum Fenster hinaus, wo mir die Erde majestätisch zu Füßen liegt. Ich bin aufgeregt wie nie zuvor im Leben.

Dann erreicht mich ein Anruf der Deutschen Post. Ich solle sofort zur Trafostation am Ortseingang kommen. Mehrere Personen warten dort und teilen mit, dass das Paket mit der blauen Mappe gestohlen wurde. Ich eskaliere sofort und umfassend. Das ist immer diese Scheiße, keife ich, dass der Scheiß-Postbote die Scheiß-Pakete bei Nichtantreffen einfach vor die Scheiß-Haustür legt! Da hat jemand mit einem Griff meinen Lebenstraum geklaut.

Die Medien berichten groß darüber und über die verabscheuungswürdige Gemeinheit des Diebstahls. Die Zeitungen sind voll, während ich darüber sinniere, welche Pakete ich in den letzten Tagen aufgegeben habe und mir einfällt, dass ich Oma letztens mit einer Verschickung von Kleidern des toten Opas unter die Arme griff. Ich gehe mit klopfendem Herzen zu meinem Schrank, wo unten der halb gepackte Koffer liegt und ganz hinten, fast unsichtbar vor dem schwarzglänzenden Futter, liegt die kostbare Mappe. Ich hatte sie schon komplett vergessen.
Das geklaute Paket war Omas, nicht meines.

Was nun? Alles aufklären und unter der geifernden Gehässigkeit der Welt fliegen? Die Leute würden sagen, ha, die Alte will zum Mond und kann sich nicht mal an den Verbleib einer Mappe erinnern! Wie will die denn die Instrumente da ordentlich bedienen! Die crasht das Shuttle garantiert kurz nach Liftoff und landet irgendwo in der kasachischen Steppe! Zum Mond! Lachhaft!

Jetzt bin ich in der Zwickmühle.

Dann wache ich auf und beschließe, zuhause zu bleiben und nach dem gelben Wagen zu horchen, weil dringend auf ein Paket warte. Werde ich allmählich etwa wunderlich?

Astronomische Grüße
moggadodde

Der heiße Draht

Für mich als Italienerin im Herzen gibt es nichts besseres zum Frühstück. Marmelade, okay. Schinken, kann man machen. Aber wenn ein frisches Bägger-Schäfer-Brödle an einem Samstagmorgen mit einer Schicht Tomaten verheiratet, ein paar Scheiben Büffelmozzarella zugedeckt und frischen Basilikumblättchen garniert wird, ist das für mich die Eintrittskarte für ein paradiesisches Paradeiserfrühstück. Auch wenn es dem gemeinen Germanen grausen mag angesichts der Kombination mit einem Cappuccino oder einem leckeren Latte, Geschmäcker sind so vielfältig wie es Zungen gibt auf der Welt, also lasst mir gefälligst meine Freude.

Als nun der kleine Hank, dem ich diese Vorliebe qua Indoktrination mit auf den Weg gab, den Beutel Büffelmozzarella vorfreudig öffnete, um das wabbelige Käseklöpschen salomonisch für uns beide zu teilen, entfuhr ihm ein „Ey verdammt, da ist ein Draht drin!“, und tatsächlich: Ein vielleicht 1 cm langes, feines, aber sehr hartes Stück Draht prangte obenauf, thronte auf dem schneeweißen Käse, mein Appetit sank schlagartig auf Zero und noch bevor der kleine Hank „Mamma mia“ sagen konnte, sah ich die Katastrophe vor meinem geistigen Auge: Unentdeckt könnte dieser gefährliche Fremdkörper durchbohrte Kehlen verursachen, ich sah röchelnde Käsekonsumenten im Todeskampf oder blutig perforierte Backen und fuhr das ganz große Besteck auf:

Ich informierte sofort die Käserei im südlichen Italien per Mail mit Chargennummer und Haltbarkeitsdatum und meldete dem Bayrischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz den Fund, was über eine App narrensicher und innerhalb weniger Minuten getan ist. Ich beweissicherte Tüte und Draht, der Käse selbst fand den Weg in den Müll und den Rest des Tages war ich dankbar darüber, dass Hanks junge Augen und der Zufall selbst für eine Entdeckung gesorgt hatten.

Nun lag ich in der Nacht auch aus anderen Gründen lange wach und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Das Gehirn ist ein sonderbares Ding, meines zumindest, und wirklich nur Augenblicke, als ich dem Schlaf entgegendämmerte, durchfuhr ein Gedankenblitz meinen Kopf. Die Schere … Die Schere, die der kleine Hank benutzt hat … Die Schere hatte ich zwei Tage zuvor in der Hand … Was hab ich mit dieser Schere gemacht … Mit dieser Schere hatte ich eine Bastelei fabriziert … Teil dieser Bastelei: Draht.

Was, wenn ich selbst der Urheber der Verunreinigung war? Wenn bei der Bastelei Draht an der Schere verblieben und die Käserei komplett unschuldig war? Sofort stand ich auf und verglich den Basteldraht gründlichst mittels Lupe und Licht mit dem Fundstück. Tatsächlich: Stärke und Farbe waren gleich. Es gibt Zufälle, ja. Aber nicht zwei Stück Draht auf 2000 km Entfernung, die komplett gleich sind. Ich war die Quelle des Übels, die Causa della Käse.

Nun war es mitten in der Nacht und ich hatte zwei Möglichkeiten: Entweder, ich log fortan und beharrte darauf, dass der Betrieb Mist gebaut oder nicht reinlich gearbeitet hat. Ich würde in kauf nehmen, dass sie mit einem Rattenschwanz an Schwierigkeiten zu kämpfen hätten, dass Myriaden an Büffelmozzarellatüten zurückgerufen, Verbraucher verunsichert, der Ruf der Firma nachhaltig angeknackst und Caseficios arbeitslos werden. Es wäre leicht gewesen, eine Firma zu zerstören. Doch das stand für mich nicht einen Moment zur Debatte.

Sofort, noch in der Nacht, verfasste ich eine Mail an die Käserei: Dass es mein Fehler war und mit ihrem Produkt alles in Ordnung. An das Staatsministerium: Dass die Verunreinigung im hiesigen Haushalt zu finden war und die Käserei keinesfalls der Verursacher sei. Nun hatte ich nur auf die automatische Eingangsbestätigung antworten können und war unsicher, ob deutsche Behördenmailmühlen diese Nachricht zuverlässig an die einschlägigen Stellen weiterleiten würden. Kurz: Ich hatte eine schlaflose Nacht.

Am nächsten Morgen hatte ich schon Nachricht: Ich solle Tüte und Draht sichern und der hiesigen Stelle für Lebensmittelüberwachung zuleiten. Nun hängte ich mich ans Telefon, um die Falschmeldung wieder einzufangen und es war zwar mühselig, aber gleichzeitig beruhigend zu sehen, dass die Mechanismen bei einer solchen Meldung innerhalb weniger Stunden gegriffen hätten. Oberschleißheim, München, Würzburg, die oberste Landesbehörde von Nordrhein-Westfalen – ich haben einigen Leuten eine Menge überflüssiger Arbeit bereitet, was mir von Herzen Leid tut und so peinlich ist, wie kaum etwas in meinem Leben, aber nichts gegen das Gefühl, das dauerhaft gewesen wäre, hätte ich einfach die Klappe gehalten und weiter die Italiener falsch beschuldigt.

Seit diesem Ereignis haben der kleine Hank und ich natürlich einen running gag, denn selbstverständlich gehört Pomodoro con Mozzarella di Bufala weiter zu unserem Lieblingsfrühstück. „Guck, da ist ein Draht drin!“, ruft er zuverlässig jedesmal und ich weiß, dass dieses Ereignis etwas ist, an das er sich auch noch nach meinem Tod erinnern wird, ein Tod, der mich zwar ganz sicher, höchstwahrscheinlich aber immerhin nicht mit einem Stück Draht im Hals ereilen wird.

Und die Moral von der Geschichte? Es ist Käse, keine Eier zu haben!

Salute!
moggadodde

Impfent, Impfent, die Hütte brennt

Bald ist ja schon 1. Impfent und Sputnikolaus steht vor dem Vektor, aber Carola hat uns auch in diesem Herbst im Griff. Im Gegensatz zum letzten Jahr hätten wir es jetzt sehr viel leichter haben können, leben wir doch in Moderna Zeiten, Fakten und Wissenschaft spielen in den Köpfen zu vieler Verweigerer leider trotzdem noch keine Kontrolle. Aber das steht auf einem anderen Fax.

Den Sommer verbrachte ich ohne Nebenwirkungen. Die Reise zum Gardasil war der Peak des Jahres, zwischen Pizza Virustica und Aperol Spritze, bei denen wir oft nach den Inzidenzen forschten, weil sie so viel besser schmecken als daheim, aber wir wussten uns keinen ratiopharm. In pandemischer Lageposition nippten wir am Frozen Cominarty, den Strand und mäandernde Infektionswellen beobachtend. Unsere Nachbarn Vaxximilian und sein Papa Cetamol luden uns gelegentlich zu einem Astra Zeneca ein, serum kamen wir oft reichlich angestochen nach Hause, Pandemien ne va plus! Ich wollte gelegentlich verweigern, drosten trafen wir uns fast jeden Tag, SARSen zusammen, hörten Musik von Jack Johnson & Johnson, ECMO Fresh und James Viruslast, manchmal sahen wir auch zusammen quirlige Evidencefilme an, oft mit Dolly Booster, oder war es Booster Keaton? Das habe ich vergessen, denn wir FFP2 ließen uns ziemlich Gn in dieser Zeit.
Auf dem Markt wollten wir Hamster kaufen, die waren aber vergriffen, deshalb begnügte ich mich mit einer Lockdownendecke, weil die Nächte schon Kühlwaren. Als ich mir auf der novagewaxten Treppe den PCR stauchte, kamen mir kurz die Quarantänen, denn es war nun vorbei mit Urlaub.
Obwohl mir Schmuck nichts bedeutet, bedankte ich mich für die Infektionskette, die sie mir zum Abschied schenkten. AHA, dachte ich, sind das doch zwei feine Kerle und ich hatte sie pfizer lieb gewonnen! Trotzdem: Södern ich wollte, ich konnte nicht bleiben. Jetzt ist spahn angesagt: Für den nächsten Urlaub muss ich mich wieder streecken.

Wirr, wirrer, kurz vor Hirnschmelze
moggadodde

Eine Woche Sommer

Am Ende dieses Sommers, der gefühlt keiner war, verschlug es uns also doch noch schnell an den Lago der Herzen. Natürlich ist es am Wasser unvergleichlich schön. Kein Gebirge könnte mir jemals dieses Gefühl von so tiefer Entspannung geben, wie ein Gewässer, an dessen Gestaden ich meine bleichen Gebeine in starke, südliche Sonne strecken kann und in dessen Kühle ein aufgeheizter Leib zittrige Erfrischung findet.

Nach einigen Tagen des Dösens und Labens, unterbrochen nur von häufigen Aperolsprizzbetankungen am Strand, stand uns der Sinn nach Abwechslung: Die Wallfahrtskirche „Madonna della Corona“ war mir aus Reiseführern wohlbekannt und eines der wenigen Gardasee-Highlights, die ich in zahlreichen Besuchen dort noch nicht angesteuert hatte.

Ein Ticket für die Autofähre auf die andere Seite des Sees war just an diesem Tag nicht möglich. So gondelten wir mit Leonardo, dem Cabrio, hinüber und in Ermangelung eines Navigationsgeräts und weil googlemaps andauernd auf Kriegsfuß mit dem GPS stand, fuhren wir nach Gefühl auf den Monte Baldo und natürlich hatten wir uns böse verfranzt. Ich bin eine lausige Am-Berg-Anfahrerin, was auf Straßen, kaum größer als ein Fahrzeug breit ist, zudem mit Gegenverkehrgefahr, nervenkitzliger war, als ich es mir gewünscht hätte. Nach einem kleinen Disput mit dem Mams über Kupplungen, und was sie in der Lage sind abzukönnen, landeten wir doch irgendwann in Spiazza, der Heimat der Madonna.
Ein serpentiniger Fußweg führt steil hinunter zur Wallfahrtskirche, die absolut spektakulär in den Fels gebaut ist.

Und weil ich immer viel mehr guckenguckengucken muss als der MamS, verlor ich ihn auf dem ebenso serpentinigen Rückweg hinauf aus den Augen. Hatte ich ihn in einer der zahlreichen Grotten und Aussichtsbuchten übersehen und überholt? War er schon oben? War er noch unten? Ich jedenfalls verspürte wenig Lust auf die Suche zu gehen. Ein älteres Paar auf dem Weg sprach ich an. „Entschuldigen Sie bitte, ich habe meinen Mann verloren!“, sagte ich, ein wenig verschwitzt und außer Atem wegen der höllischen Serpentinen an diesem heiligen Ort und ehe ich fortfahren konnte, rief sie: „Das tut mir leid. Wie lange ist es her?“ „Etwa eine halbe Stunde aber nein, wir haben uns nur aus den Augen verloren!“, klärte ich auf, was großes Gelächter zur Folge hatte. Mit einer einschlägigen Beschreibung des Vermissten (keine Haare, blaues Shirt) und der freundlichen Bitte, ihn bei Antreffen von meiner Absicht, den Parkplatz anzusteuern zu unterrichten, verabschiedeten wir uns und ich trabte weiter bergauf.

Als ich nach etwa 20 Minuten oben anlandete, hatte der MamS tatsächlich bereits die Speisekarte der nahen Trattoria gecheckt. Ich entlud ein wenig heiligen Zorn ob seines spurlosen Verschwindens und dann genehmigten wir uns die beste Portion Carne Salada tutto il mondo.

Mit offenem Verdeck und der Sonne im Gesicht fuhren wir, diesmal auf dem richtigen Weg, hinunter zum See, umrundeten ihn erneut und schlugen spät am Abend im Hotel der Freiwillig Grußlosen wieder auf.
Ich freute mich auf den nächsten Tag. Sonne mit Sonne und Sonne am See.

Und ich wurde wieder nicht enttäuscht.

War das schön!
moggadodde