Vom Beichten, Büßen und Beten

Ein schulfreier Tag ist heute auch in Bayern. Ich erinnere mich an eine Zeit, da der Buß- und Bettag auch ein arbeitsfreier Tag war, bis er wegen der Pflegeversicherung geschmissen wurde. Zumindest in unserer Familie wurde nicht mehr oder weniger gebüßt und gebetet als sonst auch und Ausschlafen bis Mittag war allemal drin.
Während der MamS heute und morgen die, seiner Meinung nach grauenvolle QM-Fortbildung absolviert, von der er wünschte, er hätte sich niemals angemeldet, heißt das für mich: Ausschlafen, den Tag langsam angehen, über die Hausaufgaben schauen sowie mütterlich inspirierte Eselsbrücken bauen. So war Dixie, Neuling in Sachen BWR, außerstande, sich den Unterschied zwischen „netto“ und „brutto“ zu merken, bis ich ihr empfahl, Netto mit Nackt (also „ohne“) und Brutto mit Bekleidet (also „mit“) zu assoziieren, was ihr sofort einleuchtete und tatsächlich gezogen hat.

Noch nicht berichtet habe ich allerdings, dass sich der Sonntagabend langsam zur privaten, innerfamiliären Beichtgelegenheit entwickelt. Wenn ich am Abend auf der Terrasse mein Nikotindepot regeneriere und Dixie durch die Scheibe beobachte, wie sie scheinbar ziellos durch die Gegend schleicht, ahnt Muddi Mogga, dass die Beichtstunde eingeläutet ist. Am vergangenen Sonntag gab es auch einige unangenehme Wahrheiten, die ohne den Umstand, dass ich für Montag einen Termin mit dem Klassenlehrer vereinbart hatte, wohl nicht den Weg in die herbstliche Nacht gefunden hätten.
„Du hast doch morgen den Termin bei Herrn W. ausgemacht, gell?“ flötet Dixie. Ich bejahe und nehme einen tiefen Zug, wohl wissend, dass sich gleich unangenehme Wahrheiten den Weg in meine Gehörgänge bahnen werden. „Naja, da muss ich dir was sagen.“ „Hm“, antworte ich, „dann lass’ mal hören!“. Langes Schweigen folgt, während ich meine Zigarette ziemlich weit herunterqualme und mir vorsichtshalber gleich die nächste anstecke. Erwartungsvoll blicke ich in den dunklen Himmel und hoffe, dass mich diese Beichte nicht aus den Latschen kippen lässt. „Und?“ sage ich, „Was ist jetzt, langsam wird’s kalt. Wenn du mir was zu sagen hast, jetzt ist die Gelegenheit.“ Natürlich hatte sie mir nur die guten Noten präsentiert und davon gab es tatsächlich einige. In einigen Fächern herrschte jedoch nachrichtentechnisch ein verspätetes Sommerloch und mir war klar, dass ich nicht alles wusste. Deshalb ja der Termin mit dem Lehrer. „Naja, ich hab’ dir ein paar Noten nicht gesagt“, beginnt sie. „Aha“, sage ich. Wieder Schweigen. Jetzt hole ich mir schon mal was zu trinken. Das scheint hier länger zu dauern. „Was’n los“ fragt der MamS und guckt kurz vom „Tatort“ auf. „Nix besonderes“, antworte ich und kehre mit einem gut gefüllten Glas an den Ort meines persönlichen Sonntagskrimis zurück. Die Pause hat Dixie ermuntert und nun platzt es heraus: „Ich habe dir eine Fünf und zwei Sechser nicht gesagt.“ Ich, kurz angebunden: „Aha. Welche Fächer?“ Sie, händeringend: „Kunst, Erdkunde und Physik. In der Reihenfolge.“ Wunderbarerweise bleibe ich ruhig, nippe an meinem Kaltgetränk und frage, wer die Arbeiten denn unterschrieben habe, denn, soweit ich mich erinnere, war ICH das nicht. Sie meint, bei den betreffenden Lehrkräften müssten schlechte Noten nicht unterschrieben werden. Als ich die berechtigte Frage stelle, warum sie denn jetzt erst damit ankommt, meint sie kleinlaut, dass sie befürchtet hatte, ich würde ihr „die Hölle heiß“ machen und dass es doch besser sei, einmal das Donnerwetter für drei schlechte Noten zu kassieren als dreimal für eine. Immerhin scheint das logische Denkvermögen zwischenzeitlich zu funktionieren, dachte ich bei mir, als ich mir das Glas nochmals befüllte und war froh, dass sie mich nicht ins offene Messer laufen und mich bei ihrem Lehrer angesichts dieser Noten als eine komplett uninformierte Idiotin dastehen lassen wollte. Konsequenzen? Die schon länger von mir okkupierte Computermaus wird noch länger ihr verlorenes Dasein in der Einsamkeit eines dunklen, wohl gehüteten Verstecks fristen, um Dixies Fokus wieder auf zentrale Themen des Lebens zu lenken. Der Erhalt von fünfmarkstückgroßen Knutschflecken wird definitiv nicht dazu gehören.

Sie ist ein Mädchen, das sich geschickt den Weg des geringsten Widerstandes sucht, um ihren derzeit vordergründig wichtigen Interessen zu folgen und erinnert mich damit fatal an mich selbst in diesem Alter. Genau deshalb hege ich ganz tief in mir auch ein gaaanz kleines bisschen Verständnis für sie und motiviere sie erneut, ihren Weg zu überdenken. Den MamS werde ich nicht unterrichten, denn er würde sein gemeines, verbales Flammenschwert zücken und die Sünderin für ihre Taten büßen lassen bis in die nächste Dekade, und DAS wird dann ziemlich hässlich und böse. Außerdem ist der Beichtvater, resp. die Beichtmutter, zu strenger Verschwiegenheit verpflichtet.

So werde ich am Sonntag wieder meine Kerze der Hoffnung Abendzigarette anzünden und beten, dass niemand bußfertig in den Beichtstuhl auf die Terrasse tritt, um sich zu erleichtern (also mit Worten, meine ich).

Ach, das Gespräch am Montag ist wegen Erkrankung des Lehrers übrigens geplatzt. Aber eine Beichte ist ja niemals umsonst, heißt es ja immer …

Euch einen unschuldigen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

19 commenti su “Vom Beichten, Büßen und Beten

  1. Den Vergleich Netto mit Nackt und Brutto mit Bekleidet hab ich ja noch net gehört.

    Aber so jetzt beim Nachdenken frag ich mich grad wie ich mir das eigentlich merke…

  2. moggadodde sagt:

    Muss ich mir vielleicht mal patentieren lassen, meine Fähigkeit, wirksame Eselsbrücken zu fabrizieren. Obwohl, Ideengut kann nicht patentiert werden, oder? Mütter Müssen Mitdenken. Mein Motto.

  3. Ich merk mir das noch aus dem Rechnungswesen-Unterricht.

    Wenn „netto“ dabei steht, immer USt oder VSt dazu. Bei „brutto“ ist se scho drin

    So ungefähr. 😉

    Ideengut ist geistiges Eigentum des Erfinders 😉

  4. moggadodde sagt:

    „Komm‘ doch raus du kleine Maus und mach‘ dich netto“ ist doch viiiiel anschaulicher …

  5. Georg sagt:

    “Komm’ doch raus du kleine Maus und mach’ dich netto” – ich schmeiß mich wech :-)))

  6. morgiane sagt:

    also netto mach ich mich bei dem wetter höchstens in der gut vorgewärmten sauna…sonst bleibe ich lieber beim brutto, denn zu frisch sind noch die eindrücke von einer von viren darnieder geworfenen morgiane…
    die übrigens heute einen sehr netten anruf von dem tutor meines ältesten mit einer nicht abzulehnenden einladung erhalten hat…
    oioioio…was muß eine mutter alles ertragen, bevor die brut ihre flügelchen aufspreizt um das weite zu suchen?

  7. azahar sagt:

    und dass es doch besser sei, einmal das Donnerwetter für drei schlechte Noten zu kassieren als dreimal für eine.
    Ich muss sagen, das ist durchaus logisch.

    Das Eselsbrücken Erfinden ist eine sehr nützliche Gabe, auch für den persönlichen Lernerfolg. 😉

  8. bt sagt:

    Oh man… ich dachte das hört mal auf mit den schlechten Nachrichten aus der Schule. Ist ja echt stressig. Ich dachte immer Erdkunde sei easy und in Kunst sind die LehrerInnen nicht so knallhart. Heute kommt aber trotzdem kein Oberlehrerratschlag. Außer ‚lernen‘ fiele mir auch nichts ein. Für mich wäre Mausentzug voll die Härte. Obwohl, alle Betriebssysteme lassen sich auch …. vergessen wir das mal ganz schnell… wer weiß wer alles mitliest.

  9. moggadodde sagt:

    @ georg: BWR leicht gemacht. Nicht umsonst steht sie in BWR auf 1 …

    @ morgiane: Bist ja wieder auf dem Damm, habe ich gelesen, und drohst gleich wieder mit dem nächsten Tief … So nicht! Hoch mit dir und einen gescheiten Kaffee gemacht. Der November ist bald vorbei … Dann wird’s besser. Wird heute schon nicht so schlimm. Deiner ist doch schon groß!

    @ azahar: Gell? ich war auch geneigt, den Umstand, dass sie plötzlich logisch wird, als positives Fazit zu ziehen. Wenigstens eines …

    @bt: Och, im Moment geht das bei mir nicht so tief. Wird schon alles werden. In jedem Jahr gab es anfangs solche Geschichten und dann hat sie sich irgendwie aus dem „Sumpf“ gezogen. Erdkunde kann schwer sein, wenn man nicht gelernt und behalten hat und Kunstlehrerinnen sind nicht mehr verhuschte Brillenträgerinnen, die mit dem Kopf in den Wolken stecken. Wie „M“ in James Bond …
    Wir sind hier unter uns deshalb soviel: Ich mache mir richtig Sorgen nicht wegen der Noten sondern wegen Mitte Dezember, wenn „Schatzi“ wegzieht. DAS wird hart. Sie hat jetzt schon Anwandlungen und schläft in dem Bett, in dem er hier schlief, in derselben Bettwäsche … Das wird noch was, wo ich meine Antennen richtig scharfmachen und die Drogen schonmal beiseite schaffen muss …

  10. Mephisto sagt:

    Die Erklärung mit ’netto‘ und ‚brutto‘ ist witzig, anscheinend auch wirkungsvoll. In den Fächern Kunst, Erdkunde und Physik nützt das natürlich wenig.

    Die Logik deiner Tochter – lieber ein Donnerwetter für drei Noten als dreimal für jeweils eine – ist so richtig charmant, gefällt mir.

  11. morgiane sagt:

    @muddi-mogga: danke für den kollegialen gruß, ich werde es sehen und hören, was so erschröckliches sich in höheren deutschen lehranstalten zuträgt.
    was meine laune betrifft…nur nicht aufgeben!

  12. moggadodde sagt:

    @ mephisto: Du sagst charmant (das Wort habe ich übrigens schon ewig nicht mehr gehört oder gelesen)… ich nenne es zwar clever aber auch ausgebufft und gerissen. Zugegebenermaßen sind das Attribute, die im heutigen Leben leider eine immer größere Rolle spielen.

    @ morgiane: Tschakkaaaa!!

  13. Mephisto sagt:

    Es ist clever, ausgebufft und gerissen und entspricht damit durchaus dem etwas bedenklichen Zeitgeist. Ich fand es in diesem speziellen Fall auf einfach … sympathisch, darum schrieb ich charmant 🙂

  14. moggadodde sagt:

    Im Grunde ist sie ja auch eine liebe Tochter. Ein Miststück, aber ein liebes …

  15. morgiane sagt:

    ja tschakka!
    und töchter sind so…jedenfalls manchmal.
    meine macht mir seit 17 jahren das leben zur hölle…ähm vorhimmel…

  16. barbara sagt:

    ist ja nur einmal im Jahr 😉

    Haste schön geschrieben Moggadodderle

    auch wenn Töchter erwachsen sind, ist es manchmal die Hölle auf Erden.

  17. Uwe sagt:

    Sind Töchter nicht alle süsse, charmante kleine oder grosse Teufelchen ?

    Meine schafft es immer wieder, mich um den Finger zu wickeln.

    Aber das väterliche Flammenschwert muss trotz allem bei allen drei Monstern, äh Aasbiestern, ups – lieben süssen Teufelnniederfahren, um sie zu der einen oder anderen ungeliebten Angelegenheit zu treiben. Und sei es nur zu bemerken, wie schön es mit Muddern ist. ;-))

  18. moggadodde sagt:

    Ja, morgiane und barbara es ist wirklich harte Arbeit, die Viecher großzuziehen …

    @ uwe: Leider kann Dixie mit ihrem Vater überhaupt nicht, konnte sie noch nie. Dieses süße Gesäusel, das gestandene Mannsbilder zu willenlosen Erfüllungsgehilfen ihrer findigen Töchter macht und das ich mir bei ihr immer wünschte, hat sie nie ins Repertoire aufgenommen. Damit würde sie besser fahren und ohne diese Töchterkunst macht sie sich mit ihrer unnachgiebigen Art ihm gegenüber oft selbst das Leben schwer.

  19. Uwe sagt:

    Ich habe zum Glück nur eine Tochter. Aber die Jungs können mindestens genau so charmant sein.
    Aber das Verhältniss zu mir ist bei den Jungs natürlich ein anderes als zur Mutter. Genau wie das Verhältniss der Tochter zur Mutter ein etwas anderes ist. Die durchschaut nämlich das süsse Töchterchen und sieht das Teufelchen in der Engelsverkleidung. Ich tu das meistens nicht. 🙁

    Und eine Tochter reicht. Die Jungs sind zwar genau so charmant, aber nicht so hinterfotzig.

Schreibe einen Kommentar zu Georg Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert