Bye bye, Balboa!

Eine Ära geht blutend zu Ende: Der italienische Hengst geht zum letzten Mal auf die Schlachtbank in den Boxring und wir haben als Teil des Vorpremierenpublikums „Rocky Balboa“ knapp eine Woche vor offiziellem Filmstart genossen gesehen. Aus Angst vor heimlichen Mitschnitten wurden wir vor Einlass strengstens kontrolliert. Meine (immer) mitgeführte Kamera sowie meine Funkgurke musste ich einschließen lassen und während der gesamten Vorstellung standen mehrere, finster aussehende Securityschränke im Saal verteilt und beobachteten das Publikum (das sich zumeist in einem Alter befand, dass es beim Start von „Rocky III“ noch mit der Trompete um den Christbaum gekugelt ist), damit auch sicher niemand ein hineingeschmuggeltes Aufnahmegerät benutzte.
Ausgestattet mit Plastikarmbändern,

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die uns als wahlberechtigt auswiesen, mussten wir vor Beginn des Filmes allerdings noch ein „Nummerngirl“ küren. Mehrere Damen hatten sich beim örtlichen Radiosender beworben, und nun stelzten 6 hübsche Mädchen durch den Saal, leicht bekleidet und mit Nummerntafeln in der Hand und mussten sich den idiotischen Fragen genau des Moderators stellen, den ich in diesem Beruf als Gottes Strafe für absolute Fehlbesetzung ansehe. Gewonnen hat übrigens die Bewerberin erste Reihe rechts, ziemlich maulfaul zwar, aber darauf kommt es beim Gewinn (Fahrt zum bundesweiten Ausscheid und im dortigen Gewinnfall Fotoshooting mit irgendeinem Käseblatt) ja auch nicht an. „Dankeschön für alle, die mich gewählt haben“, so ihr formvollendetes Schlusswort. Meine Favoritin, 2. Reihe rechts, landete auf dem 3. Platz.

Ach, der Film, ja, naja, was soll ich sagen. Herr Stallone sah aus, wie man mit 60 Jahren mit extrem viel Muskelmasse halt nun einmal aussieht und ich rechne ihm hoch an, dass er nichts geschönt hat. Weder die unansehnlichen, hervorquellenden Blutgefäße noch die Unebenheiten am Musculus pectoralis major (ich wusste bisher nicht, dass es Orangenhaut auch auf den männlichen Brustmuskeln gibt) wurden retuschiert. Sehr dialoglastig verliefen die ersten beiden Drittel, aber ich fand Rocky recht sympathisch dargestellt, natürlich mit der erwarteten Extraportion Schmalz und rockyesken Geographieverirrungen („Jamaica, hm, das liegt in Europa“). Aber Stallone verkörpert einen Rocky, der immer noch das Herz auf der Zunge und auch sonst am rechten Fleck hat, inkl. der Entdeckung der zweiten Liebe nach der dahingeschiedenen Adriane. Das letzte Drittel des Films wird von dem unsäglich harten Training (natürlich auch in Paulies Schlachterei!) sowie vom finalen Kampf selbst dominiert und hier trat im Kino dann die juvenile Fraktion auf den Plan, die die vollkommen überzogenen und unrealistischen Übungseinheiten mit Zwischenapplaus bedachte! Als Rocky tatsächlich gegen den desillusionierten, mehrmaligen Weltmeister-Jungspund im Ring steht, wird er selbstredend ziemlich verprügelt, aber er hält die Distanz über 12 Runden, weil sich sein Kontrahent an Rockys Hüfte die Hand bricht und weil er zwischendrin an Adrian und Apollo Creed und an seinen Sohn denkt und so verliert er nur knapp nach Punkten.

Im Grunde war er ganz nett, der Abgesang auf Rocky Balboa. Er komplettiert die Geschichte und lässt die Zuseher im Bewusstsein zurück, dass Rocky im Frieden mit sich selbst und seinem Sohn dereinst in die kalte Gruft neben Adriane zum Liegen kommt. Aber das ist auch schon alles, was an Positivem zum letzten Auftritt vom „Italian Stallion“ zu sagen ist.

Euch eine haferstechende Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

7 commenti su “Bye bye, Balboa!

  1. Anne sagt:

    Ach herrjeh. Das wär für mich gar kein Film. Ich mochte weder Rambo noch Rocky …

    Schönen Sonntag 🙂

  2. bt sagt:

    Das muss man sich mal vor Augen halten: Da wird man nicht nach Waffen oder gefährlichen Gegenständen gefilzt, sondern nach Kameras oder anderen Aufzeichnungsgeräten. Da hätte ich ja so einen Hals bekommen. Ob mit oder ohne Pumper (Securites). Ich hätte wahrscheinlich so lange rumgefrozelt, bis man mich herauskomplimentiert hätte und die Dame meines Herzens rot vor Scham in der Ecke versunken wäre.

    Hat der Hauptdarsteller eigentlich diesmal einen Film mit ganzen Sätzen zustande gebracht?

    (Ja, ich habe alle alle Actionfilme mit Stallone schon gesehen, sogar den, in dem er eine tiefgefrorene Pizza mit dem Elektromesser zerteilt und zum Frühstück verspeist bzw. lutscht)

  3. moggadodde sagt:

    @ Anne: Ach, irgendwie gehört der Rocky doch zu meinem Leben! Als der erste Teil rauskam, fing meine Pubertät an, bei Rocky III war ich im zweiten Lehrjahr und bei Rocky V war ich frisch verheiratet. So ist Rocky wie ein alter, entfernter Verwandter in Ãœbersee, den man nur alle paar Jahrzehnte mal sieht, der aber trotzdem irgendwie zur Familie gehört …

    @ bt: Irgendwie hatte die Vorführung etwas Konspiratives, Geheimes, Wichtiges. Es hat nur noch gefehlt, dass wir eine Verschwiegenheitsverpflichtung hätten unterschreiben müssen …
    Ja, Rocky hat altersweise, vollständige Sätze vom Stapel gelassen, wie erwartet haben die Drehbuchschreiber ihn sämtliche familiären Widrigkeiten (Konflikt mit Jr., unverarbeitete Trauer um Adriane) mit seiner fast tumben, tapsigen Art im Federstreich lösen lassen. Ich ging aus dem Kino und dachte: „Jetzt ist es passiert. Rocky ist Rentner und du hast auch nimmer lang …“

  4. bt sagt:

    Das mit den Kontrollen ist sowas von lächerlich. Ich hab nur einmal kurz geschaut (nicht in den Tauschbörsen, ganz simple Adressen) und schon seitenweise den kompletten Film gefunden. Ich hab mal die ersten 30 Sekunden runtergeladen und nur zum Test in den Film reingesehen. Keine schlechte Qualität. Das war bestimmt nicht abgefilmt. Die undichten Stellen müssen ganz woanders sein.

    Ich kenne von ihm nur die Rambo- und Copfilme. Boxen war noch nie mein Ding. Ich war immer wieder verblüfft, mit wie wenig Worten ein Schauspieler zu solch einem Cinestar werden konnte.
    Du mit deinen jungen Jahren… wart´s ab da passiert noch was 🙂

  5. morgiane sagt:

    also ich weiß noch nicht…fürs kino reicht momentan der kulturbudget nicht aus…aber selbst wenn. ich fand ihn immer ganz unterhaltsam, so typisch american dream, von ganz unten nach ganz oben, wenn man nur an seinen traum glaubt und kämpft…eben popcorn qualität…
    vielleicht auf dvd, später, irgendwann einmal…

  6. moggadodde sagt:

    @ bt: In Amerika läuft der Film ja schon länger und offenbar haben die Überwachungsmethoden dort auch nicht funktioniert, wenngleich ich auch glaube, dass die undichte Stelle in eigenen Reihen zu suchen ist.

    @ morgiane: Hier wehren sich übrigens Kinobesitzer gegen die Verleihfirmen, die z.B. Eragon schon nach 3 Monaten auf DVD herausgeben wollen, indem sie den Film einfach absetzen, aber das wird sicher nichts bringen, so wirst du Rocky bald auf DVD sehen können, wenn du willst. Ich hätte ihn ganz sicher nicht angeschaut, wenn der MamS nicht die Karten gewonnen hätte …

  7. Steve sagt:

    Habe gestern Abend die Preview gesehen! Ein HAMMER FILM!! Wer den ersten und zweiten Rocky Film mochte, wird den 6.Rocky Film lieben!! Ich finde auch Sly wurde schon IMMER unterschätzt (gerade von den Kritikern). Der Film MUSS mindestens 4OSCARS bekommen: BESTER FILM, BESTER HAUPTDARSTELLER, BESTES DREHBUCH , BESTE REGIE!! Aber statt dessen werden die Oscars wieder an Filme vergeben wie Elisabeth, wo kein Mensch ins Kino geht. Oh Mann, könnte mich wieder aufregen, wenn ich daran denke! Ich habe noch nie, so viel BEGEISTERUNG bei KINOZUSCHAUERN erlebt, wie gestern Abend im Kino bei ROCKY!! Das GANZE KINO hat Ihn geliebt und mit gefühlt! Es wurde unter anderem am Ende des Films aplaudiert! Rocky Filme werden immer als Box/Actionfilme abgestempelt, aber das sind sie nicht! Habt Ihr das Comeback gesehen mit Russel Crow? Mann schaut euch den an und dann Rocky 6! Und Ihr werdet den Unterschied schon merken, Rocky 6 ist mit VIEL LIEBE gedreht worden, keine Sekunde langweilig, kein überflüssiger Satz oder so! DANKE STALLONE FÜR DIESEN WUNDERBAREN ABSCHLUSS DEINER ROCKY REIHE!!!

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