Ich bin unmohralisch, eindeutig.

Der Hörbuch-Hype ist ja ungebrochen und ich kenne bislang noch niemanden, der nicht in den höchsten Tönen davon schwärmt, sich ganz kommod und möglicherweise mit geschlossenen Augen was auf die Ohren geben zu lassen. Soweit ich mich erinnern kann, wurde mir in meiner Kindheit nie vorgelesen; bestimmt deshalb nahm ich als Kind das Heft selbst in die Hand und brachte mir schon im zarten Alter von fünf Jahren selbst das Lesen bei.

Die Aussicht, dass Christian Ulmen höchstselbst den neuen Sedaris „Schöner wird’s nicht“ in gesprochenes Wort wandelt, ließ mich zu Weihnachten das Hörbuch auf den Wunschzettel setzen. Jetzt, Ende Januar, hänge ich immer noch an CD 1 von 4.
Egal, wie ich es versuche, ich kriege das nicht gebacken! Im Schlafzimmer ist das Radiowecker/CD-Gerät einfach zu schlecht. Mucksmäuschenstill muss es sein, damit ich was mitkriege und das Schnarchen des MamS, der nach vier Sätzen schon pennt, ist auch eher kontraproduktiv.
Im Ohral Office Wohnzimmer, unter wirklich optimalen, ohralen Umständen, kann ich mich zwar auch lange genug konzentrieren, aber weil es sich bei Sedaris‘ Buch um ein eher Lustiges handelt, muss ich dauernd lachen und während ich das tue, verpasse ich schon wieder den nächsten Satz und muss im Text entweder zurück oder rechtzeitig die Pause-Taste auf der Fernbedienung finden, was schwer fällt, weil ich schließlich nicht schon im Voraus weiß, wann eine lachenswerte Stelle ansteht und kein verdammter Hellseher bin. Außerdem kann ich mich beim Hörlesen nicht entspannen: Meine Augen flackern nervös unter den geschlossenen Lidern, als suchten sie irgendwo die geschriebenen Worte, mit denen mein Oberstübchen da eben bombardiert wird.

Dann hatte ich mir in den Kopf gesetzt, das Hörbuch auf den mp3-Player zu bannen, vielleicht wäre es ja einfacher, wenn das Gehörlesene auf kürzestem Weg ins Gehirn strömt und ich lachen kann, ohne dass ich was versäume, wenn ich das Ding nur laut genug aufdrehe. Es dauerte ein paar Stündchen bis mir däute, dass man eine cda-Datei nicht so mirnixdirnix auf einen mp3-Player ziehen kann und weil bei meiner Winamp-Version diese Konvertierungsart nicht dabei ist, versuchte ich mp4, was sich ja schließlich so ähnlich anhört und auch geklappt hat. Leider ist nun der Speicherplatz auf meinem Player von Haus aus nicht die Welt und dass ich den jetzt leere, um Sedaris draufzupacken, fällt mir ja im Traum nicht ein, weil mir insgeheim dämmert, dass ich auch so nicht aufs Hörbuch anspringen werde.
Wenn ich mir was merken muss, bleibt es eindeutig leichter haften, wenn ich es mir aufschreibe. Einmal aufgeschrieben, kann ich die Notiz noch Tage später vor meinem geistigen Auge „sehen“ und sie bleibt leicht abrufbar, während mir verbal geäußerte oder auch nur gedachte to-do-notes schwuppdiwupp ins geistige Nirvana entgleiten. Ich bin eindeutig der visuelle Wahrnehmungstyp und somit für Hörbücher gänzlich ungeeignet, das habe ich jetzt endlich begriffen.

Mit meiner DéSirée, zugegebenermaßen höchst dilettantisch vertont (nein ich sitze nicht in einem Grab und ich kann auch das „s“ sprechen), könnt ihr das selbst ausprobieren. Wenn ich ihn lese, gefällt mir der Text. Wenn ich ihn, zudem mit meiner, mir selbst so fremden Stimme erzählt höre, finde ich ihn nur grausig.

Gut, dass ich bald Geburtstag habe. Auf dem Wunschzettel wird wieder Sedaris stehen. Aber nur als richtiges, duftendes, vielseitiges Buch, das ich mit den eigenen Händen halten, mit den eigenen Augen lesen und sogar mit der Prinzenrolle vollkrümeln kann, ohne dass es gleich hinüber ist. Ich gucke scheinbar schneller als ich höre, was mich nicht verwundert, weil Licht ja auch schneller ist als Schall und nicht umsonst heißt es ja „Augenmerk“ und nicht „Ohrmerk“.
An mir verdient jedenfalls kein Hörbuchverlag mehr auch nur einen müden Cent.

Euch einen offensichtlichen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

12 commenti su “Ich bin unmohralisch, eindeutig.

  1. socki sagt:

    Du sprichst mir aus dem Herzen. Das ist vielleicht eine gute Sachen, wenn man stundenlang autofahren muß aber ansonsten kann ich mich auch besser auf ein Buch konzentrieren. Da hat das Hirn keine Möglichkeit abzuschweifen.

    • moggadodde sagt:

      Mit etwas Glück kann ich in der Faschingswoche an die Nordsee fahren, ganz allein, dann kriegt das Ding noch eine Chance, obwohl ich mich ja dann auf die Uschi und die Straße konzentrieren muss. Als Beifahrer kann ich’s mir besser vorstellen. Mal sehen …

  2. biffo sagt:

    Geht mir ähnlich – ich habe auch einige Hörbücher im Schrank liegen und komme nicht dazu sie zu HÖREN

  3. Emily sagt:

    Endlich, ich fühle mich nicht mehr so alleine. Ich kann mich nicht hinsetzen und ein Hörbuch hören, da werde ich kribbelig. Wenn ich nebenbei was arbeite muss ich mal aus dem Zimmer und verpasse einen Teil. Außerdem lesen die so langsam, da bin ich selbstlesenderweise auch schneller. Den Konsum von Hörbüchern habe ich um hoffentlich etliche Jahre verschoben, wenn ich normale Bücher vielleicht mal nicht mehr lesen kann.

    • moggadodde sagt:

      Genau, kribbelig werde ich auch. Und das mit dem Tempo ist auch richtig. Der MamS hat ein Hörbuch von Leoluca Orlando über die Mafia, viel zu schnell gesprochen von Moritz Bleibtreu. So sehr kann man sich gar nicht konzentrieren. Da treten wir regelmäßig gleich nach dem ersten Kapitel ab und sind erschöpft, so anstrengend ist das.
      Diese neuen eBooks fand ich interessant. Dann habe ich mir überlegt, dass ich nie mehr in der Sonne lesen könnte, weil das doch sicher ist wie beim Bildschirm vom Computer und auch die Haptik fehlt. Ein Buch ist weich und warm und ich könnte es sogar mit an den Strand nehmen, während ein eBook bestimmt wie ein rohes Ei behandelt werden muss.

      OT eine Frage noch: Hättest du „Im Westen nichts Neues“ von Remarque im Schrank gehabt????

      • Emily sagt:

        Die eBooks kann man auch in der Sonne lesen, ist sogar besser als im Schatten, da sie nicht beleuchtet sind. 😉 Ist eine andere Bildschirmtechnik als die Laptops. Wären sie nicht so teuer, würde ich mir die auch überlegen. Aber noch lohnt sich das nicht für mich. Mal sehen, was da in Zukunft noch kommt. Das Gefühl des echten Buches fehlt aber auf jeden Fall, für mich käme das nur für Reisen und ähnliches in Frage, komplett umsteigen möchte ich nie.

        OT: Nein, tut mir leid. Mit Literaturklassikern bin ich nur sehr schlecht ausgestattet.

        • moggadodde sagt:

          Nicht schlimm, ich wollte mich nur vergewissern, weil ich gestern einige WÃœ-und-was-außenrum-liegt-Blogger angefleht angerufen habe, weil Dixie das HEUTE für ein Referat gebraucht hätte. Auf dich bin ich erst zu spät gekommen aber deine Antwort sagt mir, dass ich mir deswegen jetzt nicht in den Hintern beißen muss. Puh, Glück gehabt … 😉

          • Gefleht? Naja… 😉

            Och, is doch kein Problem…

            Ich war jedenfalls leicht verwirrt, als du angerufen hast. Haste wohl selbst gemerkt… =)

          • moggadodde sagt:

            Hast Recht, ich habe mich erkundigt. Flehen entspricht sowieso nicht meiner Natur …
            Du? Verwirrt? Du warst halt so, wie du immer bist … ;D
            Haste heute einen dicken Kopf?

          • Emily sagt:

            Also wen ich mir das genau überlege, so ganz weit hinten in irgendeiner Ecke könnte es vielleicht doch, ganz eventuell, vielleicht… (würde gerne sehen, wie moggadodde sich in den Allerwertesten beißt. ;o) )

            Typisch, Referat am nächsten Tag und nicht mal das Buch da. Höre ich ziemlich oft. *g*

          • moggadodde sagt:

            Schon beim Schreiben habe ich darüber nachgedacht, dass es geringe, technische Probleme geben könnte bei der Durchführung.
            Das meiste hat sie ja geschafft, ohne das Buch je gelesen zu haben. Wie habe ich meine Schulzeit nur ohne vorgefertigte Referate aus dem Internet überlebt 😉 ….

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