Stadtkind, immer noch

Hier sitze ich am liebsten in der Blauen Stunde,

blaue Stunde

dem Ãœbergang von Tag zu Nacht, wenn kaum noch vorhandenes Licht der Umgebung einen leichten Blaustich verleiht.
Vom Wald über dem Hang weht eine leichte Brise herunter, die die Haut kühlt, was nach einem heißen Tag und vor der Abenddusche eine Wohltat ist.
Ich zünde ein paar Kerzen an, die nur wenig Licht geben, gerade so viel, um nicht über die eigenen Füße zu stolpern und genieße jede Minute, denn gleich ist es ganz finster und es wird unheimlich, weil ich plötzlich nicht mehr allein sein werde.
Im Schutz der Dunkelheit wagt sich nämlich allerlei Getier heraus, angefangen von den quirligen Ohrwürmern, die sich gern in der Ritze über der Leertaste niederlassen würden und auch meinen guten Chiaretto mögen, über Stechmücken, die die nächste Mahlzeit wittern und riesigen, unberechenbaren Heuschrecken, die neben mir über die noch warme Fassade krabbeln.
Das Geräusch der Grillen mag ich und auch die Nachtigall, die seit ein paar Tagen hier singt. Plötzlich macht mir das Hiersitzen aber keinen Spaß mehr. Aus den Augenwinkeln sehe ich dauernd irgendwas herumkriechen, beim Griff zur Zigarettenschachtel merke ich, dass da einige Ohrwürmer auf dem Tisch herumsausen, die Fledermäuse machen auch erst im letzten Moment einen Bogen um mich und irgendwas krabbelt mein Bein hinauf. War da nicht auch gerade was an meinem Rücken? Mäuse fiepen im Gebüsch und Mist, jetzt hat mich was gestochen! Licht! Ich brauche mehr Licht! Aber es gibt draußen keinen Strom und ich habe keine Lust, wegen der halben Stunde noch mehr Kerzen anzuzünden. Es ist unheimlich und dauernd knackt und knistert es irgendwo. Marder, die kreischen wie kleine Kinder, liefern sich in der Nähe einen lauten Kampf, aber erst die weiße Katze, die lautlos an mir vorbeischleicht und mir beinahe einen Herzinfarkt beschert, gibt mir den Rest. Ich packe meinen Kram und gehe nach drinnen, wo mir das beruhigende Schnarchen des MamS endlich Sicherheit signalisiert.
Für das Leben auf dem Land muss ich mir unbedingt ein dickeres Fell zulegen. Gibt es da vielleicht einen Volkshochschulkurs?

Euch eine ruhige Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

4 commenti su “Stadtkind, immer noch

  1. Nordlicht sagt:

    Volkshochschulkurse für solche Belange wirds wohl nie geben, zu wenig ist das Interesse daran 😀

    Eine stressfreien Abend wünscht

    Nordlicht

    • moggadodde sagt:

      Dabei bin ich so gern draußen! Aber wenn ich die Bedrohungen mehr vermute und höre denn sehe, wird es unangenehm. Vielleicht sollte die VHS so einen Kurs mal einführen. Verschärfte Konfrontationstherapie oder so etwas …

  2. Georg sagt:

    Wieder wunderbar geschrieben. Ich setze mich nie mit dem Laptop nach draußen – genau aus diesen Gründen 😉

    Die Blaue Stunde ist für mich nachts. Gerade der Übergang von Nacht und Morgen, so gegen ein und drei Uhr, wo absolute Stille herrscht. Da kann man hineinhorchen in die eigene Seele.

    Viele Grüße

    • moggadodde sagt:

      Tagsüber kann ich wegen der Spiegelungen auf dem Monitor nicht gescheit sehen, die beste Zeit fürs Draußensitzen ist „meine“ blaue Stunde. Wenn es dann richtig dunkel ist, ist aus bekannten Gründen meine Aufmerksamkeit etwas reduziert.
      Deine blaue Stunde kann ich mir auch gut vorstellen, aber wenn dann wäre meine Zeit wieder ab 4, halb 5 Uhr, wenn man langsam den Morgen erahnt und aus der Schwärze erst kaum erkennbar, dann immer stärker die Konturen der Umgebung erscheinen. Ich bin nicht so fürs ganz Dunkle! Nachtblind bin ich eh, glaube ich. Da ist schon eher sense!

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