La paziente italiana

Sehr clever wähnte ich mich heute früh: Um nicht wieder den halben Vormittag unter italienisch quatschenden Kranken zu verbringen, schlug ich schon um 8.15 Uhr beim Dottore auf. Das Schild besagte, dass die Praxis um 8.30 Uhr öffnet. Die Tür war verschlossen. Yeah!, dachte ich, Erste!, dann bin ich um 9.00 Uhr wieder raus! Leise Stimmen drangen aus den Räumen. Ich vermutete, der Dottore und seine Frau sterilisierten noch ein paar Instrumente, oder was man sonst kurz vor Praxisöffnung so tut und wartete beruhigt vor den Räumen.
Um kurz vor halb 9 öffnete Jupiter-Flavio höchstpersönlich die Tür, hakte die Verriegelung aus und ich betrat das Wartezimmer, in dem, haltet euch fest, 10 (zehn!) Patienten mir Buongiorno wünschten. Ich fragte mich, wie die hier wohl hereingekommen waren, die Tür war schließlich zu gewesen! Oder waren die von gestern noch übrig? Verdammt!

In Italien scheint die bequeme und einigermaßen verlässliche Terminvergabe in Arztpraxen sowieso eher unüblich zu sein. Eigentlich ist es eher wie beim Metzger an der Theke. Man schneit einfach herein, merkt sich, wer vor einem ist und wenn alle durch sind, steht man auf und wartet vor der Tür des Dottore, bis er einen hereinruft. Die in einem Kabuff sitzende Ehefrau und Arzthelferin in Personalunion telefoniert und stellt Rezepte für die Laufkundschaft aus, die nicht zum Jupiter-Flavio ins Büro muss. Von wegen mehrere MTA’s, die Patientendaten erfassen, Blutdruck messen, Abrechnungen zum Quartalsende machen, Überweisungen und Chipkarten einfordern oder mit Pipiproben oder Blutkanülen durch die Praxis hechten. Pah! Nur die Frau und der Dottore, der keinen Computer hat, sondern mit der für Italiener aller Geschlechter prägnanten, geschwungenen Kleinmädchen-Handschrift unleserliche Rezepte und Rechnungen kritzelt. Rechnungen … ach ja:
Der Jupiter Flavio besah sich heute meinen Arm, der in der Röte tatsächlich ganz leicht besser geworden war. Neu allerdings war unterhalb des Ellenbogens am selben Arm ein neuer Knubbel unter der Haut, der gestern Abend noch nicht da war. Genauso hatte das am Oberarm auch angefangen! Schissdrack!
Mit seinem Englisch war der Dottore heute noch nicht weiter, genauso wie mit seinem Latein zur Diagnose. Eine Raupe. Mosquito. Oder eine Spinne. Keine Zecke. Oder die Pinien. Oder die Thujen. Oder WeißderGeierwas!
Sicherheitshalber verpasste mir der Dottore noch eine Portion Tetanus und empfahl, tüchtig weiter zu schmieren, auch auf den neuen Knubbel. Und ihn dopo domani nochmals anzurufen, wie sich mein Befinden verändert hätte. Morgen wäre nämlich sein freier Tag. Schön für ihn.

Er kritzelte eine Rechnung, angesichts der sich die Sachbearbeiter bei der Auslandskrankenversicherung wohl recht ratlos am Kopf kratzen werden. 40,00 € inkl. Tetanus und eines für mich kostenfreien Anrufs am Donnerstag. Um halb 11 verließ ich die Praxis. Wieder fast einen halber Urlaubstag auf den Arm geschmiert!
Weil der Supermarkt nur handelsübliche Pflaster im Sortiment hat, ließ ich gestern auch noch knapp 20,00 € in der Farmacia für 10 Monsterpflaster, die mitnichten ordentlich pappen und bekam noch nicht mal das obligatorische Tempopäckchen in die Tüte. Von Traubenzucker ganz zu schweigen.

Ob die Patientin den morgigen Tag noch erlebt? Wird sie die Tetanuseinstichstelle in 24 Stunden immer noch spüren? Wo wird sie nach dem Aufwachen einen neuen Knubbel gefunden haben? Schalten Sie wieder ein, wenn es heißt:
Amalato in Italia – Una storia orribile.

Euch einen filmreifen Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

4 commenti su “La paziente italiana

  1. Georg sagt:

    Neuer Knubbel? Na, siehste, von wegen Urban Legend 😉

    Hab neulich noch gelesen, da wurde in Süditalien ein Mann vollkommen von innen aufgefressen. Bemerkt wurde es als es leider schon zu spät war: Die Nieren, die Leber und die halbe Lunge waren schon gar nicht mehr vorhanden. Und – da würde ich mir nun doch etwas Sorgen machen, im Gehirn entwickelte sich eine um die Hirnwindungen sich gleichfalls windende Kreatur, desssen Herkunft selbst die eilig herbeigeholten Evolutionsbiologen nicht zu deuten wussten.

    Du Ärmste!

    • moggadodde sagt:

      Du verstehst es wirklich, mich aufzumuntern! Irgendwelchen fremden Organismen würde ich aber nicht unbedingt meine Lunge zum Verzehr empfehlen, von der Leber ganz zu schweigen. In meinem Hirn ist auch nichts Gescheites zu finden. Die Tierchen würden sich schnell verdünnisieren, sobald sie wüssten, worauf sie sich eingelassen haben!

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