Missgestimmt

Der liebe Gott hat seine Begabungen ja eigentlich nicht kleinlich über mich verschüttet. Ich kann richtig viel, wenn auch nichts perfekt, aber wenn ich etwas richtig gut kann, dann ist es schlecht singen. Und wenn ich schlecht sage, meine ich schlecht. Schlecht im Sinne von räudig. Armselig. Im wahrsten Wortsinn jämmerlich.

Mein Unvermögen diesbezüglich hält mich allerdings nicht davon ab, Musik zu mögen. Mein Hörspektrum ist genreübergreifend und vielfältig und ich mag Musik sogar so, dass ich ab und zu Konzerte besuche. Am vergangenen Wochenende, beim U&D-Festival in Würzburg hatte ich dazu ja reichlich Gelegenheit. Und eben hier hatte ich wieder ein Erlebnis der unangenehmeren Art.

Auch wenn ich Fränkin bin: Sofern das Gehörte mir gefällt, bin ich sehr wohl auch zu einem gewissen Eifer hinsichtlich der Beteiligung meiner Person an der gezeigten Darbietung in der Lage. I clap my hands, wenn ich dazu aufgefordert werde, wippe mit dem Körper, lege häufig sogar Schrittfolgen an den Tag, die mit etwas
Phantasie oder gutem Willen als Tanzansatz bezeichnet werden könnten und bin im Gefallfall begeisterte Spenderin anhaltenden Applauses. Außer bei Konzerten der eher rustikaleren Sorte ich bin zwar meist nicht überschwänglich, wüsste ein momentanes Wohlbehagen aber durchaus auch zu zeigen.

Leider fällt meine zunächst zaghaft keimende Ekstase oft einem konzertösen Killerkommando zum Opfer, nämlich dann, wenn es ums Mitsingen geht, was ich eben wieder auf eben erwähntem Festival erlebte. Ich meine, ich bin zum Konzert gekommen, um Leute zu hören, die das können und nicht, um selbst zu singen, denn, wie erwähnt, ich kann es nicht.

Wenn also das Kommando „And now you sing“ oder so ähnlich kommt, wandelt sich mein Plaisir flugs in leichte Panik, zumindest wenn sich die Darbietung nicht in einer 2000 Menschen fassenden Halle, sondern in einem mit ein paar wenigen Menschen sparsam bestellten Zelt abspielt. Wieso zur Hölle unterbricht der Sänger den gerade so tollen Flow dieses wirklich guten und eingängigen Stücks durch die ernüchternde Aufforderung an etwa 50 in einem geräumigen Zelt weitläufig zerstreute Hanserln, nun an seiner Statt den Refrain zu übernehmen?
Ich Ein Teil des Publikums würde eventuell sogar mitsingen, käme es nicht aus Franken, hätte genug getankt oder der Tag einen gewissen Fortschritt erfahren. Von schummriger Dunkelheit geschützt sänge es sich ja leichter, aber doch nicht am helllichten Nachmittag in einem Zelt mit einer (übrigens völlig zu Unrecht) so mageren Kulisse! Nicht einmal wenn Mr. George Michael himself auf dieser Bühne gestanden wäre, hätte ich einen Ton über die Lippen bekommen, ohne dass die schützende Stimme eines Vokalkünstlers dort oben mich begleitet! Nicht ich! Nicht ich mit meiner Stimme!

So oder ähnlich müssen auch die anderen Leute gedacht haben, denn kaum einer folgte der Mitsing-Weisung. Hoffnungsvoll hielt der (ansonsten tolle) Sänger sein Mikrofon in Richtung des versprengten Häufleins und flugs killten ein paar zaghafte Stimmchen die vormals schöne Atmosphäre schneller, als ein Herr Bohlen „Pferdepimmel“ sagen kann.
Vom erfolglosen, ersten Versuch nicht gewarnt, testete der Interpret erneut sein Publikum und wurde trotz eines beherzt eingeworfenen „I can’t hear you!“ erwartungsgemäß wieder enttäuscht. Er musste seinen Vortrag jetzt doch allein zu Ende bringen und wie, um ihm zu zeigen, dass die schweigende Arbeitsverweigerung nicht persönlich gemeint war, wippten und klatschten die Leute noch einen Zacken stärker als zuvor und spendeten am Ende besonderen Beifall, der vielleicht auch der Erleichterung geschuldet war, die fremdschämbehaftete Mitsing-Unterbrechung überstanden zu haben, ohne sich selbst bis auf die bleichen Knochen zu blamieren.

Hier vermisse ich doch ein wenig einen VHS-Kurs für Bands und sonstige Bühnenkünstler. „Wie bekomme ich das Publikum in den Griff?“, „Crashkurs: Euphorisieren leicht gemacht!“ oder, am wichtigsten: „Beteiligung der Konzertbesucher unter Berücksichtigung von Auftrittsort, Tageszeit und Alkoholpegel“ wären für viele Künstler höchst angezeigt.
Natürlich könnte ich selbst auch einfach einem Chor beitreten und zumindest soweit an meiner Fistelstimme arbeiten, dass ich beim nächsten Gig nicht vor Scham in den Boden versünke, rutschte mir in einem unbedachten Moment doch einmal der eine oder andere Ton heraus. Aber ich glaube, die würden mir schneller kündigen, als ein Herr Bohlen „Pferdepimmel“ sagen kann. Und das geht sicher unglaublich schnell.

Euch einen musikalischen Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

4 commenti su “Missgestimmt

  1. Emily sagt:

    Danke, mal wieder herzlich gelacht 😉 Wie Du so schön geschrieben hast. Im Dunkeln, in der Menge untergehend, singe ich auch mal bei „Ring of fire“ mit. Aber doch nicht am hellichten Nachmittag mit viel Raum um mich herum. 😉

    • moggadodde sagt:

      Ich spielte eher auf das Muttersöhne-Konzert auf der Drinnen-Bühne an. Da hätte ich ja zu gern den Refrain von „Let me put my love into you“ geträllert, aber … s.o.
      Bei „Ring of Fire“ habe ich, soweit ich mich erinnere, sogar leise mitgebrummelt. Wobei ich sicher bin, dass Du über eine sehr hübsche Singstimme verfügst!

  2. barbara sagt:

    dann mußt du mich mal hören … Ich hatte früher eine glockenähnliche Engelsstimme, heute ist selbst das Pfeifen schröcklich 😉

    • moggadodde sagt:

      Ach, das wurde erst schröcklich? Immerhin konntest Du Deine Tochter noch mit Schlaf- und sonstigen Beruhigungsliedern beglücken. Ich las meinen Kindern lieber gleich was vor, aus Angst, ich könnte sie verschrecken 😀

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