Maine Post

„Blogger meets Main-Post“ hieß das Motto der gestrigen Veranstaltung in den Räumen der heimischen Tageszeitung

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Die Gelegenheit zu einer Führung durch die Produktionshallen hatte ich noch nicht. Und über die gigantische Commander CT hatte ich bisher nur viel gehört.

Strikte Diskussionsthemen waren im Vorfeld nicht festgelegt. Und so entspann sich ein lockeres und interessantes Gespräch rund um die Problematik Paywall und wie man Hürden niedrig hält, die Notwendigkeit der Monetarisierung online bereitgestellter Nachrichten, schneckenlahme Verbindungsgeschwindigkeiten auf dem flachen Land und die Tatsache, dass eine Vielzahl von Lesern der Printausgabe noch immer Wert auf Informationen zu aktuellen Eierpreisen, Telefontarifen, Börsenkursen vom Vortag sowie Biowetter und Pollenflug wünscht. Hier offenbart sich ein weiteres Dilemma der gedruckten Zeitung: Der Spagat zwischen dem Informationsanspruch und den Interessen des 70jährigen Rassegeflügelzüchters aus dem Ochsenfurter Gau und denen der 25jährigen Versicherungsangestellten aus der Würzburger Innenstadt ist nur schwer zu vollziehen.
Wir wurden mit allerhand beeindruckendem Zahlenwerk versorgt, von dem mir trotz fahrtauglichkeitsbedingter Alkoholabstinenz an diesem Abend nicht allzu viel im Gedächtnis geblieben ist. Diversifikation, Cross-Media, das Anzeigengeschäft und die Konkurrenz durch kostenlose Onlineportale: Wir wurden umfassend informiert.

Sodann ging’s in die Praxis. In der Zeitungsproduktion gibt es viel Papier, noch mehr Lärm und eine schier unüberschaubare Fülle an computergesteuerten Prozessen, die von monströsen Maschinen

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irrwitzig gewundenen Transportbändern

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und ausgefeilter Logistik ausgeführt dafür sorgen, dass ich zum 6 Uhr-Kaffee die Zeitung auf dem Tisch habe (sofern der Austräger nicht verschläft). Zugegeben: Ich genieße es, Informationen, die mir oft auch schon am Vortag durch Radio oder Internet zuflossen, vertieft und ausführlich in einer von den Digital Natives als „bedrucktes Totholz“ beschimpften Zeitung zu lesen. Internetaffinität hin oder her: Die Art des Zeitunglesens ist Gewohnheitssache. Ich lese sie schlicht lieber auf Papier als auf TFT und obwohl ich online Newsportale besuche oder Radio höre, ist Zeitung eine zusätzliche Informationsmöglichkeit, die zudem oftmals auch Themen behandelt, nach denen ich nie gesucht hätte, die sich aber als interessant herausstellen. Pro Druckwerk kommt hinzu, dass so eine Zeitung verschütteten Kaffee, gekleckerte Marmelade und Brödlibrösel nicht so krumm nimmt wie ein Tablet oder eine Laptoptastatur. Wer einmal das Gelbe eines 5-Minuten-Eis mit dem Wattestäbchen aus dem Touchpad schrubbte, weiß, wovon ich spreche.

Im Gegensatz zu Hazamel blieben bei mir nicht viele Fragen offen. Über Erwartungen der Gastgeber an uns Blogger kann ich nichts sagen und verbuche das einfach mal als Leserservice. Aber mir war klar, dass in zwei Stunden Besuchszeit nicht das grundsätzliche Phänomen des Zeitungssterbens würde geklärt werden können. Gut, das mit einer Nassoffset-Zeitungsrotation könnte ich gerade immer noch nicht ganz fehlerfrei erklären, aber ich hatte mir den Abend eigentlich genauso vorgestellt. Fakten, Fakten, Fakten, Schnittchen und lockeres Plaudern unterhalb des Niggemeier- oder Lobo-Niveaus, inklusive eines Plädoyers für Print das, zugegeben, bei mir offene Ohren einrannte.

Eine druckreife Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

8 commenti su “Maine Post

  1. Hazamel sagt:

    Ich hab auch eigentlich keine tiefgründigen Diskussionen über die Zukunft des Printmediums in einer digitalen Welt erwartet, sondern war eben verwundert.
    Immerhin haben wir ja nicht bei der Mainpost gefragt ob wir mal hinter die Kulissen schauen dürfen sondern, soweit ich das mitbekommen habe, wollte die Mainpost ja uns kennenlernen (und hat dann sogar noch nachgecastet nachdem es scheinbar zu wenige Interessenten waren).
    Und wenn mich jemand explizit wegen dem was ich mache einlädt, dann denke ich mir schon, dass der sich was dabei denkt und nicht nur den Betrieb zeigt und mir erzählt um wie schwierig es ist, es allen Recht zu machen. 😉

    Vielleicht ist es ja auch ein Generationenkonflikt, dass ich morgens nicht die Zeit habe, die Zeitung vollzukleckern und Informationen eher in einem stetigen Fluss über den Tag verteilt aus mehreren Quellen konsumiere. Ehrlichgesagt ist es mehr als einmal vorgekommen dass ich den Zeitungsboten erschreckt habe, als ich das Haus verlassen habe.

    • moggadodde sagt:

      Möglicherweise wollte man ja bei den Netzmenschen ein wenig Verständnis für die Situation des dort oft gescholtenen Printmediums insgesamt wecken, auf dass wir the word spreaden, oder wie das heißt. Ich glaube nämlich nicht, dass zumindest mein Blog die Redaktion in irgendeiner Weise interessiert.
      Kennengelernt hat man uns ja; in erster Linie als verfressene Bande, nehme ich an.

      Ach doch … mindestens einige, ausgedehnte Blicke sind morgens schon drin. Und der Rest dann eben am Abend. Moment. Hast Du mich eben alt genannt?
      Falls ja, hast Du verdammt recht.

      • Hazamel sagt:

        Also Heidi! Ich würde dich doch nie alt nennen! Lebenserfahren und weise… aber nie alt!

        Der Schinken war aber auch zu lecker. Da steh ich dazu.
        Ich sehe übrigens keine Grund das Printmedium zu schelten. Ich finde, dass die ihren Job ganz gut machen und finde auch nicht, dass wir Waldfeldundwiesen-Blogger da irgendeine Bedrohung sind. Schon allein weil, zumindest bei mir, die Intention eine ganz andere ist. Das hätte ich denen auch so gesagt, wenn jemand gefragt hätte.

        • moggadodde sagt:

          Ich denke, das wissen sie da auf dem Heuchelhügel auch so sehr gut. Apropos: Gut war auch der Käse, wenn nicht gar ein Gedicht.

          Vielleicht gibt’s etwas Ähnliches ja doch irgendwann nochmal wieder. Die Commander CT würde ich schon gern mal in vollem Lauf erleben.

  2. Georg sagt:

    Wie wär’s mit einer Gegeneinladung? Blogger meet Press? Vielleicht in der Küche beim Vorbereiten des Mittagessens für die Familie, mittendrin bloggen – welch Unterschied zwischen einer gigantischen Pressefirma und einer (nur beispielsweise) halbtags des Geldes wegen in einem pressefremden Betätigungsfeld beschäftigten Aushilfskraft und anderen halbtags mit der Familie und dem Haushalt beschäftigten Mutter. Ein Vergleich, der absurder nicht ausfallen könnte, und doch stehen die Resultate (Berichterstattungen) in Hinsicht ihrer journalistischen Qualität (wieder nur beispielsweise) über lokale Ereignisse durchaus in Konkurrenz, wenn nicht sogar die Artikel vereinzelter Blogger sehr viel mehr ansprechender ausfallen als ein standardisiertes und immer gleich oder ähnlich lautendes Blabla der Lokalredaktionen. Wirtschaftliche Zwänge, über gut zahlende Anzeigenkunden stets positiv zu schreiben, gibt es i.d.R. für Blogger nicht, das Volumen aber auch das Augenmerk oder die politische Tendenz ihrer Artikel ist uneingeschränkt und am Ende entscheidet einzig der Leser, ob oder was er konsumiert.

    Schlimm, wenn nicht sogar unerträglich, stelle ich mir für die Verlage die Augenblicke vor, da gerade mal wieder ein Blogger einen (Grimme-) Preis für journalistisch hervorragende Arbeit bekommt – da stellt sich doch jedes Mal erneut die Frage nach dem eigenen Aufwand ihres Tuns. Vielleicht besteht das Interesse der Presse für die Bloggerszene ja letztlich aus vorausschauendem Kalkül, indem ein Ersatz für die geplante Stillegung bestimmter zu teuer gewordener Ressorts in freischaffenden Mitarbeitern (Bloggern) gesucht wird?

    • moggadodde sagt:

      Ein guter Gedanke, Georg! Die lokale Zeitung hat allerdings bereits zahlreiche Kolumnen am Start, die weitgehend das bedienen, was in einer Bloggerküche aufs Tablett kommen könnte. Insofern besteht da sicher kein Bedarf.
      Wie man Blogger als Freie einbindet, macht ja die Huffington Post gerade vor. Ich bin zwiegespalten über dieses Modell; Journalismus ist ja nichts, was man, soll es Hand und Fuß haben, im Vorbeigehen lernt und davon leben können soll man auch noch. Den im Geldbeutel messbaren Gewinn streicht der Verlag ein, die Blogger werden „mit Reichweite“ bezahlt, während gelernte, sagen wir bei einer Zeitung angestellte Journalisten ihre Miete nicht mit Reichweite bezahlen können. Ich bin gespannt, wie sich das in D entwickelt.

      • Hazamel sagt:

        Leider gibt es da in Deutschland auch schon Erfahrungen allerdings nicht von der positiven Seite.
        Vor gar nicht all zu langer Zeit hat sich GamersGlobal, eine Seite, deren Konzept daraus besteht mit User-generated-Content der Community Geld verdienen zu wollen, derart in die Nesseln gesetzt, dass sie zum Thema „bezahltes Praktikum“ sinngemäß vom Stapel gelassen haben, dass die Praktis ja froh sein sollen wenn sie dann GamerGlobal in der Vita stehen haben und eigentlich noch Geld mitbringen sollten.
        Ich stehe sowas also eher zwiegespalten gegenüber. Da hat der König schon Recht, wenn er lieber auf schöne Artikel verlinkt (Und die Zugriffszahlen geben ihm Recht) als dass sie von Gast-Bloggern auf dem Würzblog erscheinen

        • moggadodde sagt:

          Super Sache. Ein bezahltes Praktikum, nur andersherum. Natürlich, Praktikanten machen Arbeit, aber ein guter könnte sich im Unternehmen doch bezahlt machen und irgendwo müssen sie doch mal schnuppern können. Ausbeuter, elendige.

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