Fortschreitende Formatierung

SchwäSu und ich sind einigermaßen enthusiastische Leser und Cineasten. Immer öfter entspinnt sich allerdings in etwa folgender Dialog:

Su.: „Hey, du hast doch auch das neue Buch von Kathy Rich schon gelesen!“

Ich: „Das, in dem Freddie und Stan in Atlanta den Rattengiftmörder jagen?“

Sie: „Nee, naja, in Atlanta schon. Aber ging’s da nicht um den Serienkiller, der seinen Opfern Kidneybohnen in die Nasenlöcher stopft? Und war das mit dem Rattengift nicht von Linda Floyd?“

Ich: „Du täuschst dich. Das war in diesem Buch, auf dem vorne eine 50er-Jahre Küche drauf ist, ach, wie hieß der noch, äh, äh, Moment, ja!: „Laila und der Currykönig“! Von Marie-Luise Limmer!“

Sie: „Quatsch. Warte, ich hab mir irgendwo aufgeschrieben, ja, hier: „Der Pizzabäcker des Grauens“. Da war das mit den Bohnen. War das nicht im ‚Currykönig‘ mit den indischen Mädchenhändlern? Die dann in der finnischen Sauna in Moskau gelandet sind?“

Ich: „Kann sein. Aber, hm. Ich kann mich an dieses Rich-Buch irgendwie gar nicht erinnern.

Sie: „Ich auch nicht.“

Früher wären Autorennamen, Augen- und Haarfarbe der Protagonisten, Gestaltung des Schutzumschlags und vollkommen korrekt wiedergegebene Handlung genauso spontan aus unseren Mündern geflossen wie der Schaum aus einer Flasche geschüttelten Champagners spritzt.
Seit einiger Zeit jedoch stellen wir diesbezüglich jedoch immense Lücken in unseren Denkapparaten fest und fragen uns besorgt: Ist das der Anfang? Neigt sich die Nadel unserer Gehirnleistungsanzeige langsam aber sicher in den roten Bereich? Nähern wir uns mit Riesenschritten einem Zustand, der im Endstadium ziemlich schattig daherkommt, der Dementia senilis? Ich meine, beide sind wir jetzt über 40 und der Zenit scheint nicht nur in greifbarer Nähe sondern vielleicht schon unter unseren Zehenspitzen. Hasta la Vista. Schluss mit Lustig. Ende der Fahnenstange. Aus die Maus.

In feuchtfröhlichen aufarbeitenden Gesprächen sind wir jedoch zum Ergebnis gekommen, dass die Demenz rational betrachtet und unter Außerachtlassung jeglicher Sentimentalitäten auch eine Bereicherung sein kann. Weil Inhalte von Filmen und Büchern von unseren mentalen Speichermedien getilgt sind, sparen wir uns ein hübsches Sümmchen, lesen die gleichen Schinken in gewissen zeitlichen Abständen immer wieder und erleben sie, als läsen wir sie zum ersten mal, so wie es ab und an schon jetzt vorkommen kann. Es kommt eben immer auf den Blickwinkel an.

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Euch einen denkwürdigen Abend wünscht
moggadodde

Cook mal weg!

Offenbar habe ich mit den inzwischen verlorenen Pfunden auch Teile meiner cuisinellen Fähigkeiten eingebüßt. Die angeforderten Kuchen für das morgige After-Church-Brunch und die heutige Jebriwami-Party bei den weggezogenen Nachbarn haben mich stundenlang auf Trab gehalten. Einen lausigen Rührkuchen, mit Rotwein und Kakao, habe ich schon dutzende male aus dem Ärmel geschüttelt. Einfach, schnell und gut, dachte ich mir, da machste gleich zwei und bist fettich. So weit so schlecht. Denn irgendwie war das heute gar nichts. Gut, ich hatte eine neue Kastenform von Herrn Kamprad aber das allein konnte nicht ausmachen, dass der Kuchen hastenichtgesehen schwarz und schwärzer wurde und entsprechend roch stank, während sein dunkles Herz immer noch eine flüssige Konsistenz zeigte. Beim zweiten Durchgang plinste ich schon öfter mal in den Ofen und teilte den Teig nochmals auf kleinere Formen auf, aber auch diese Runde ging verloren. Ein kleines, rundes Exemplar schmiss ich sofort in die Tonne, die anderen beiden bearbeitete ich wie August Rodin. Mit dem Messer habe ich die schlimmsten Verbrennungen beseitigt und ordentlich Kuchenglasur darübergekippt, damit die Unebenheiten aufgrund meiner bildhauerischen Betätigungen nicht offensichtlich sind. Als Entschädigung für das mißlungenene Backwerk habe ich zur Beseitigung meines schlechten Gewissens noch einen leckeren Tomatensalat mit Schafskäse und roten Zwiebeln vorbereitet, den ich gleich zur Jebriwami-Party mitnehme.

Der Kuchen versaut, der Salat sensationell. Irgendwie scheint mich mein Unterbewusstsein mehr zu beherrschen, als mir lieb ist.

Euch einen schmackhaften Abend wünscht
moggadodde

Very truly yours

Eben beim Abspülen fragte Hank: „Mama, was ist dein größter Besitz?“ und da musste ich erstmal nachdenken. Ich antwortete ihm in kindgerechten Worten aber sinngemäß, dass mein persönlicher, größter im Sinne von teuerster Besitz der Diamantring sei, den ich mir noch zu kinderlosen Zeiten aus eigener Tasche auf Anraten meiner Ex-Chefin (der blöden Schabracke, das sagte ich aber nicht) als Wertanlage gekauft hatte. Er schien enttäuscht, weil ich nicht ihn oder wenigstens seine Schwester oder noch wenigstenser seinen Vater nannte. Ich erklärte ihm, dass man Menschen nicht besitzen könne. Ein Auto könne man besitzen oder ein Haus oder eben ein Schmuckstück. Er und seine Schwester seien mir das Liebste auf der Welt und das sei ein Unterschied, weil das bedeutet, dass er mir nicht gehöre und ich nicht über ihn bestimmen könne. „Gegenfrage“, sagte ich, um ihn zu testen: „und was ist dein größter Besitz?“. Er fing an aufzuzählen, seine Mineraliensammlung, seinen Gameboy und dann drückte er mich mit seinen spülwasserfeuchten Händen und sagte: „Und ihr natürlich!“. Zwar stand mein Mutterherz nun in Flammen aber ich fürchte doch, für philosophische Exkursionen ist er eindeutig zu jung …

Euch einen liebevollen Abend wünscht
moggadodde

Nicht bügelfrei

Wie gestern bereits angekündigt, besuchte ich heute den plastischen Chirurgen für die Vorbesprechung eines kleineren Eingriffs in meinem Gesicht. Muss mir die Tatsache, dass der Operateur in einem zerknitterten, ungebügelten Hemd auftrat, irgendwie zu denken geben? Ich bin unschlüssig …

Euch einen glatten Tag wünscht
moggadodde

Wurmig

Was für ein beschissener Tag! Nicht, dass mir irgendetwas Schlimmes passiert wäre, Radarfalle, Mahnbescheid, galoppierende Diarrhoe oder ähnliches, nein, nichts dergleichen. Trotzdem gibt es diese Tage, da schaue ich in den Badezimmerspiegel und weiß mit glasklarer Sicherheit: Das wird heute nix. Obwohl ich ausnahmsweise ausreichend Schlaf hatte (vielleicht gerade deswegen?) und mich nicht dem Alkohol hingab (vielleicht hätte ich es tun sollen?) nervte allein schon der Geschmack der Zahnpasta. Dem rhetorischen Underdog-Moderator im Lokalsender, den ich normalerweise nur abdrehe, hätte ich heute zusätzlich gerne mit dem Fleischklopfer eins auf die Zwölf gegeben. Irgendeine Szenekneipe bewarb zudem einen dortigen „Sassan-Comfett-Abend“. Wer mit Mitte 20 noch kein halbwegs anständiges „Tiiiiäitsch“ über die Lippen bekommt, bei dem ist der Zug abgefahren und es ist ja auch keine Lebensnotwendigkeit, den leckeren „Southern Comfort“ dem Zielpublikum phonetisch korrekt zu offerieren, aber professioneller würde das im Radio allemal wirken.
Auch in den Katakomben war ich nach 5 Minuten genervt, sämtliche anwesenden Bediensteten hätte ich heute zu gerne an die kalkweißen Wände genagelt und in diesem Zustand sind 8 Stunden ganz schön lang. Zwei Kolleginnen erkundigten sich mittags, ob es mir denn heute nicht gut gehe und ich schob alles auf akutes PMS und das stürmische Wetter. Eine dicke Lüge zwar, aber so rettete ich mich vor weiteren, mitfühlenden Fragen.
Zu allem Überfluss hatte Dixie heute Geburtstag und da konnte ich meinen gefühlten Schweinehund ja schlecht über die Kaffeetafel kotzen lassen, so riss ich mich mächtig zusammen, um ihr den Nachmittag nicht zu verderben.
Viele Leute, mit denen ich heute zusammenkam, bestätigten, dass im heuten Tag irgendwie der Wurm steckte und nach meiner unbestätigten Theorie hat die Regierung was ins Trinkwasser gemischt.

Die kommenden Tage sind vollgestopft mit Terminen, für diverse Ereignisse muss ich diverse Kuchen backen und diese beknackte Scheiß-Holz-Sonne für den Vorstellungsgottesdienst am Sonntag muss ich auch noch beschreiben und morgen früh habe ich einen Termin beim plastischen Chirurgen. Jawoll. Das ziehe ich jetzt auch noch durch.

Gerne hätte ich euch jetzt ein Foto von meinem Lieblings-Schnapsglas und der passenden Grappa-Flasche gezeigt. Leider haben die Batterien ihren Geist aufgegeben und andere habe ich nicht. Das passt zum heutigen Tag wie Arsch auf Eimer und die Fehler von gestern werde ich nicht wiederholen. Ich werde nicht früh schlafen gehen und ich werde nicht nicht trinken. So.

Euch eine wurmlose Nacht wünscht
moggadodde