Tag X minus 2 – Ansichtssache

Die vorletzten Vorbereitungen hinsichtlich der angemessenen Bekleidung wurden heute in Angriff genommen und hier war der MamS um einiges cleverer als ich. Schon vor Wochen probierte er seinen einige Jahre alten Anzug und dieser passt wie neu, obwohl er dauernd über sein angeblich mit den Jahren zunehmendes Gewicht lamentiert. Da kann ich nur lachen, denn ich hingegen war der Meinung, mein ebenfalls einige Jahre auf dem Buckel habendes, schwarzes Beinkleid, selten getragen, dürfte mein Unterteil adäquat verhüllen, aber weit gefehlt! Verdammt, ich habe ziemlich Gewicht gemacht! Mit einiger Anstrengung kann ich den Knopf noch schließen, allerdings sehe ich damit aus wie ein aus der Form gelaufener Rührkuchen und außerdem müsste ich dauernd den Bauch einziehen, würde in der Kirchenbank wohl schnell hyperventilieren und vermutlich zu Füßen der ungerührt auf mich hinabblickenden Jungfrau Maria einen sensationellen Kollaps erleiden. So musste ich umdisponieren und laufe nun in Braun auf, das sowieso das neue Schwarz sein soll (hieß es jedenfalls in der vorvorletzten Saison).
Die kindliche Kleiderordnung hat sich zumindest bei den Mädels in den letzten Jahrzehnten nicht sehr verändert. Diese bestehen im betreffenden Alter ja meist auf althergebrachter Ausstattung plus aufwändigster, oft vom Coiffeur fabrizierter Hair-Fashion sowie typgerechtem Make-Up und ich finde es, muß ich gestehen, ziemlich putzig, wie die Miniaturbräute stolz ihre meist weißen, oft aber auch eierschalfarbenen („ecru“ für die Modejunkies) und nicht selten sündhaft teuren Hochzeitskleidchen spazieren führen, obwohl Mutti das Gewand im nächsten Herbst auf dem Kleiderbasar meist weit unter Wert verhökern muss. Die Buben haben es nochmal besser (meine Abneigung gegen die Verkleidung von kleinen Jungs mit Samtfliege oder Seidenkrawatte habe ich ja bereits bekundet), denn hier herrscht außer der Notwendigkeit, dass die Klamotten zur Abwechslung mal sauber sein sollen, keine besondere Kleideretikette mehr, Hank wird deshalb ziemlich leger erscheinen.
Wie auch immer, Tatsache ist, dass auch hier eine sehr sinnvolle Einrichtung Einzug gehalten hat: Das Tragen einer Kutte, mit Fachterminus „Apostelgewand“ genannt, ist Pflicht und es stellt sicher, dass es vollkommen egal ist, ob darunter ein 300-€-Couture-Kleid oder einfach ein legeres Freizeitdress steckt. Mit der Kutte sind endlich alle gleich vor Jesus Christ und Big Daddy und außerdem sehen die Gruppenfotos mit einheitlichem Outfit zweifellos harmonischer aus, auch wenn sich die Eltern lange gegen die Einführung sträubten, weil die kostspielige Kommunionverkleidung schließlich auch gezeigt werden wollte.

Eine solitäre und schlichte, weiße Hortensie schmückt nun den Eingang und zahlreiche, kleine Päckchen wurden gefertigt, denn ab morgen früh ziehen Geschenke überbringende Kinder durch die Gemeinde, klappern die Kommunionhaushalte ab und erwarten dafür eine kleine Aufmerksamkeit. Wir verwendeten dazu bunte Servietten, die wir mit Süßigkeiten füllten und mit Kräuselband verschlossen. Der Trend kommt auf, diesen „Aufmerksamkeiten“ wiederum richtige Geschenke beizugeben in Form von Jo-Jos, Glitzerstiften oder bunten Radiergummis. Der neueste Schrei ist hier eine kleine Fahne am Päckchen, auf die ein Danksagungsspruch und das Konterfei des beschenkten Kindes gedruckt ist. Diesem Firlefanz ebenso wie der aufkommenden Unsitte, sämtliche Nachbarn am Sonntag mit hausgemachtem Backwerk zu versorgen, verweigere ich mich.
Weil ich mich also von möglichst vielen, überflüssigen Aktionen freigemacht habe und nicht mehr tue, als für uns und Hank wichtig ist, hält sich die befürchtete Hektik in Grenzen.
Trotzdem bin ich heilfroh, wenn der Zauber endlich vorbei ist und verspreche hoch und heilig, dass in diesem Blog für die Dauer mindestens eines Jahres kein Mitglied der Wortfamilie „Kirche“ im weitesten Sinne je genannt werden wird. Langsam wird das hier nämlich reichlich glaubenslastig und ich und sicher auch ihr seid mit mir erleichtert, wenn der heilige Zauber endlich vorüber ist. Dann geht es hier nämlich wieder mit den richtigen und wirklich wichtigen Themen des Lebens weiter.

Euch einen hoffnungsvollen Abend wünscht
moggadodde

Tag X minus 3 – Zu Tisch!

Traditionell findet hier am Donnerstag vor der Erstkommunion eine Abendmahlfeier im Pfarrheim statt, vergleichbar einem normalen Gottesdienst, nur im Schnelldurchlauf. Die Tische in U-Form, sämtliche Eltern und betroffene Kinder sowie unser Herr Pfarrer mit Brot alias Leib Christi und Traubensaft alias Blut. Ausreichend stimmkräftige Gläubige waren anwesend, so dass ich mein dünnes Stimmlein schonen konnte, ausgenommen bei „Fest soll mein Taufbund immer stehn“ und „Großer Gott wir loben dich“, meine absoluten Favoriten in den Top Five der religiösen Charts, hier schmetterte ich für meine Verhältnisse lautstark mit, aber ohne jegliche instrumentale Begleitung ist der Genussfaktor stark verringert und erinnert an einen miserabel trainierten Hobbychor.
Wir brachen das Brot und tranken den Saft und ich hatte den Eindruck, dass zumindest das Gros der Erwachsenen froh über das baldige Ende der Zeremonie war. Als besonders positiv empfand ich den Umstand, dass wir nur dasitzen mussten und nicht, wie in der Kirche, pausenlos zwischen Sitzen, Stehen und Knien pendelten, wobei ich persönlich a. mich ohnehin nicht hinknie und b. trotz relativ häufigen Aufenthalts in heiligen Hallen in letzter Zeit immer noch nicht weiß, an welcher Stelle ich nun welche Position einnehmen muss. Ich verlasse mich entweder auf dezente Handzeichen des Vorstehers oder auf die fleißigeren Mitschafe, die besser wissen, was zu tun ist.

Im Anschluss daran folgte das sog. „gemütliche Beisammensein“, wo endlich der richtige Wein auf den Tisch kam und letzte Instruktionen darüber, wer wann was zu tun hat, erteilt wurden. Eine höchst hitzige Diskussion entsponn sich über die fundamental wichtige Frage, ob in den Kirchenbänken hinter den Kindern nur die Eltern oder auch die zugehörigen Taufpaten Platz finden dürfen. Ein Vater ereiferte sich sehr und ziemlich offensiv darüber, dass einige die Meinung vertraten, die Paten gehörten zu den Eltern nach vorne, während er meinte, die ersten Bänke seien ausschließlich Kindern und Erzeugern vorbehalten. Er, der hitzköpfige Vater, der seinem Söhnchen des öfteren eine verbale Abreibung der gemeinen Art oder auch schon mal eine fiese Kopfnuss verpasst, forderte bei der Feier der ersten heiligen Kommunion ganz nah hinter seinem Sohn zu sein und verlangte eine Abstimmung, die 8 : 6 für ein exklusives Sitzrecht für Eltern endete. Sodann hob ein sehr gläubiger Vater an und zitierte zu diesem Disput eine Bibelstelle aus dem Stegreif, wo es um Fußwaschung und Kompromisse ging, danach ergriff der Kopfnuss-Vater nochmals das Wort und deshalb ging ich erstmal draußen frische Luft schnappen eine Fluppe anzünden, weil die sedierende Wirkung des Weins noch nicht eingesetzt hatte.

Am Ende des Abends hatten sich aber alle wieder richtig lieb und keiner wird dem anderen etwas nachtragen, denke ich. Ich meine, immerhin war Jesus heute bei uns zu Gast und eigentlich hätte er dem sich vorlaut ereifernden Vater mit dem Palmwedel kräftig eine auf die Zwölf geben müssen.
Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass Gott persönlich heute Abend gewirkt hat. Von Hanks Phobie vor der labialen Berührung von irgendetwas, das auch nur ansatzweise mit etwas in Kontakt gekommen ist, was ein anderer schon im Mund hatte (so weigerte er sich vorgestern, aus einem Zaziki-Schälchen zu nehmen, aus dem der MamS sich kurz vorher mit seinem zuvor abgeleckten Messer bedient hatte), berichtete ich ja bereits. Als wir alle, also ca. 40 Personen (außer mir, gerade frei von HSV-1 und ohne Lust auf erneuten Herpes) aus einem einzigen Kelch trinken sollten, der reihum gereicht wurde, glaubte ich mich im falschen Film: Hank nahm ohne auch nur mit der Wimper zu zucken den Kelch und trank (nach kurzem Drüberwischen mit einem Tuch, sehr nachlässig allerdings) einen kräftigen Schluck. Ich konnte es nicht fassen! Ein Wunder? Habe ich heute Gott geschaut?

Euch einen klaren Abend wünscht
moggadodde

Tag X minus 4 – Beichte light

„Gelobt sei Jesus Christus. In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden. Meine letzte Beichte war am xxx.“ Das war der vorgeschriebene Satz, mit dem zu unserer Kindheitszeit die Beichtzeremonie eingeleitet wurde. Mit pochendem Herzen hockte man in einer der drei dunklen Kammern, in der Mitte der Pfarrer und auf der anderen Seite durch ein Schiebetürchen abgetrennt der nächste reuige Sünder, dem sich der Pfarrer nach Behandlung meines Falles zuwenden würde. Flüsternd zählte man nun die Verfehlungen der letzten Zeit auf, die sich in meinem Fall stets auf die gängigen Feld-Wald- und Wiesen-Sünden beschränkten: „Ich habe meine Eltern angelogen. Ich habe der Monika ans Schienbein getreten. Ich habe einen Kaugummi geklaut“. Streng genommen hätte auch das Vorhandensein unkeuscher Gedanken oder gar Taten zum Vortrag kommen müssen, aber noch bevor ich in den dunklen Beichtstuhl trat wusste ich, dass ich diese Sünde mit niemandem teilen würde, was darauf hinweist, dass meine religiöse Karriere schon zu früher Zeit zum Scheitern verurteilt war, denn bei der notwendigen Gewissenserforschung im Vorfeld konnte ich nicht versprechen, dass ich diesbezüglich nicht wieder sündigen würde – wer kann schließlich schon etwas für seine Gedanken? „Ich will mich ernstlich bessern und bitte um Buße und Lossprechung“ waren die letzten Worte, die der Beichtvater dann mit dem Ausspruch einer der Sünden angemessenen Strafe quittierte. 10 Ave Maria oder 3 Vaterunser. Der MamS musste in seiner Jugend auch des öfteren den Kreuzwegberg erklimmen.
Hank hatte heute eine Einführung ins Beichtprozedere und ich muss sagen, da hat sich Großes geändert. Während wir uns unsere Verfehlungen noch selbst aus den Tiefen der verdrängten Erinnerung hervorpopeln mussten, bekam Hank ein Vorschlagsblatt überreicht mit einer üppigen Auswahl an Sünden, kategorisch getrennt in „Daheim“ (z.B. „streiten“, „schimpfen“, „Teller kaputt machen“, „dreckig sein“, „Eltern schlagen“), „In der Schule“ (z.B. „abgucken“, „schwätzen“, „in der Pause prügeln“, „schlechte Noten schreiben“), „Beim Spiel“ („mogeln“, „heimlich vorrücken“, „jemanden schlagen“) und „Gebet und Gottesdienst“ („Blödsinn machen“, „Sünden begehen“, „nicht an Gott glauben“), wobei mir die Auswahl schon etwas engstirnig anmutet. Niemand schreibt schlechte Noten vorsätzlich und dass „dreckig sein“ eine Sünde ist, war auch mir neu. Und wer gar nicht erst an Gott glaubt, kann folglich auch gar keine Sünden begehen. Böser Denkfehler, Herr Pfarrer!
Praktischerweise wurde Hank gleich noch ein DIN A-4 Blatt übergeben, auf dem er seine Sünden aufschreiben und ihn als Spickzettel mit in den Beichtstuhl nehmen darf. Das nenne ich mal fortschrittlich!

Wenn euch jetzt der Sinn nach Erleichterung steht, ihr müsst nicht einmal das nächste Fachgeschäft aufsuchen. Hier ist nämlich u.a. genau beschrieben, wie die Online-Beichte funktioniert und da habe ich schon nicht schlecht gestaunt.
Hank wird wohl neben den lässlichen, alltäglichen Sünden nicht viel zu beichten haben, denn in seinen Augen ist er sowieso fehlerlos. Ein Vergehen, das er zu beichten gedenkt, hat er mir allerdings sogar eröffnet: „Mama“, sagte er „jetzt weiß ich, was ich beichte! Ich beichte einfach, dass ich beim Fußball letzten Samstag den Ball zu wenig abgegeben habe!“ Wenn ich mir die obige Sündenliste so anschaue glaube ich ohne Zweifel, dass das alsbald noch in den Schandtatenkatalog aufgenommen werden müsste.

Euch einen sündigen Abend wünscht
moggadodde

Tag X minus 5 – Super-GAU im Hühnerstall

Ein entsetzter Anruf erreichte mich gestern von einer der federführenden Cheforganisatorinnen der sonntäglichen Leistungsschau: Der eigens engagierte Photograph, der für alle beteiligten Hauptpersonen die Aufnahmen in der Kirche machen sollte um zu vermeiden, dass 15 Väter vor dem Altar herumhüpfen und die Früchte ihrer Lenden aus allen erdenklichen Winkeln ablichten, was die Konzentration des betagten Herrn Pfarrers stören und Unruhe im Kirchenschiff schaffen könnte, hat sich eine Erkrankung zugezogen und wird wegen eines Krankenhausaufenthalts den für ihn ohnehin nicht sonderlich lukrativen Auftrag nicht wahrnehmen können.
In einer halben Woche einen ähnlich günstigen Fachmann zu finden, der nicht aus den Reihen der Angehörigen rekrutiert wird und dem man deshalb bei mißlungenen Aufnahmen nur zurückhaltende Vorhaltungen machen könnte, schien aussichtslos und die anderen Mütter drehten ob dieser Botschaft von Hiob himself am Rad wie ein Rudel Hamster auf Speed. „Jetzt kann es uns passieren, dass der Erich die letzte Möglichkeit ist. Ich habe noch keine Fotos von ihm gesehen aber die F. hat gesagt, der kann nicht fotografieren“, sagte Mutter L. „Hast du nicht noch eine Idee?“ begann sie zu flehen. Ich verschwieg, dass mein Brüderchen ein recht passabler Fotograf ist um zu vermeiden, dass der Ärmste von hysterischen Elternteilen mit Blicken in der stillen Kirche getrietzt wird, damit ihr Sprößling unter allen Umständen ausreichend geknipst wird. Außerdem soll er sich ja wenigstens ein bisschen amüsieren und nicht arbeiten müssen.
Statt dessen äußerte ich meine ehrliche Meinung und dass diese mit der Ansicht eines Großteils der betroffenen Muttertiere nicht konform geht, war mir schon vorher klar: „Mir“, sagte ich, „ist es eigentlich vollkommen schnurzpiepegal, ob Fotos im Inneren der Kirche gemacht werden.“ Ich bräuchte nicht unbedingt ein Foto meines Sohnes von dem Moment, wenn er sich zum ersten Mal eine Hostie in den Mund schiebt. Ich wüsse zwar genau, dass sich die Aufnahme des Leib Christi zumindest bei Hank nicht sehr oft wiederholen würde, zumal er nach der langwierigen Vorbereitung und der jetzigen Woche täglichen Choreographie-Trainings für die nächsten Jahre ohnehin keine Kirche mehr freiwillig von innen sehen wollte. Aber ich weiß aus Erfahrung mit Dixie sehr wohl, dass die kirchlichen Aufnahmen ihrer Kommunion in einem Schuhkarton vor sich hin gammeln. Nur die in gelöster Atmosphäre am Nachmittag im Freien von uns selbst geschossenen Fotos würden dann und wann hervorgeholt. Wenn es in der Kirche Fotos gebe, sei es gut, wenn es keine gebe, empfände ich das aber auch nicht als Grund, mich im Taufbecken zu ersäufen.
Wie erwartet herrschte geplättete Stille. „Naja, nee, also ich will schon, dass die Jana-Franziska fotografiert wird, wenn sie die Hostie kriegt“, konterte sie und erklärte, dass sie nun die anderen Mütter informieren würde. Vielleicht hätte dort ja noch jemand eine Idee und tatsächlich, so habe ich vorhin erfahren, wurde L. fündig und hat einen Ersatz gefunden, der für 5,00 € pro Kind Fotos und eine CD avisiert hat.

Ehrlich gesagt bin ich ziemlich froh, nicht an Hanks Stelle sein zu müssen und am Sonntag wie eine ferngesteuerte Marionette die fast ungeteilte Aufmerksamkeit einer proppevollen Kirche plus einem Ersatz-Paparazzo zu haben. Heute hat er bereits schärfstens herumgenölt, dass der Herr Pfarrer die Kinder bei der Probe zusammengestaucht hat („Wenn ihr euch jetzt nicht richtig hinstellt, hören wir einfach auf und ihr blamiert euch am Sonntag, nicht ich!“) und die nun tägliche Stell-, Gesangs- und Sprechprobe unterzieht seine kindliche Geduld ohnehin einer harten Prüfung. Er hat es so gewollt – da muss er nun durch – und ich wohl mit.

Euch einen friedlichen Abend wünscht
moggadodde

Ich bin dann mal weg

Klerikale Aufgaben in Vorbereitung auf die am Sonntag anstehende soziale Leistungsschau, landläufig auch Erstkommunion genannt, sowie allerhand profane Präparation genusstauglicher Gebäckwerke hierzu werden mich in der restlichen Woche umfassend in Anspruch nehmen. Vielleicht finde ich Zeit, hier genauere Ausführungen vorzubringen, vielleicht lasse ich es aber auch, weil es sowieso keine Sau Menschenseele interessiert.
So long.

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