Kahlauer

Ich erinnere mich noch gut an meinen Italienischlehrer Alberto. Alberto war nicht gerade der Prototyp des feurigen Südländers. Sein Selbstbild unterschied sich aber von unserem ein wenig. Wir fanden ihn nämlich weder groß noch schlank noch besonders gut aussehend, aber er selbst stolzierte cäsarisch durch die Klasse und flirtete auf diavolo komm raus mit allem, was auch nur entfernt einen Rock hätte tragen können.
Natürlich wusste Alberto nicht, dass wir sein dunkles Geheimnis schon in Lezione Uno entdeckt hatten. Stand er mit dem Rücken zu uns an der Tafel, blitzten kleine silberne Nädelchen aus seinem dunklen Haar. Kein Zweifel: Unser kleiner Italiener trug ein Haarteil, was wir aber immer noch besser fanden, als wenn er sich das Resthaar in einem verzweifelten Akt quer über den Schädel gekämmt hätte.

Jetzt ist ja wieder die Zeit der Stürme: Der Herbst bläst die Backen auf und pustet den Planeten durch. So weit so laut. Obacht geben sollten in dieser Zeit besonders Toupet- und Zweithaarträger wie Alberto. War Alberto vielleicht ein eitler Gockel, dumm war er nicht. Jedenfalls war er nicht so dumm wie der Mann, der eines Tages bei stürmischem Wetter seine Rübe samt Zweitfrisur aus dem Fenster steckte. Vielleicht wollte er nachsehen, ob die Dachrinne noch hängt oder die Nachbarin den Postboten im Negligé empfängt. Bei diesem Tun jedenfalls fegte eine heftige Bö darnieder und dem Ärmsten den Fiffi vom Kopf. Nicht überliefert ist, ob der Wind das Ding über die Grenzen trug und jetzt eine österreichische oder gar italienische Glatze ziert. Vielleicht wurde es auch von einem Laster bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, jedenfalls suchte der nun endgültig kahle Mann um die Erstattung der Kunstfrisur bei seiner Hausratversicherung nach in der Annahme, Sturmschäden wären mit abgedeckt. Letztere stellte sich quer und der Fall landete vor dem Münchner Amtsgericht, das entschied, dass die Versicherung nur für Sturmschäden haften müsse, die sich innerhalb des Gebäudes ereigneten (261 C 29411/07). Mit dem Recken des Kopfes durch das offene Fenster habe der Kläger allerdings die Gebäudegrenzen überschritten und müsste deshalb in Zukunft entweder in Haarmut leben oder auf den Anschaffungskosten für eine neue Perücke sitzen bleiben.
Würde die Zweitfrisur verschmurgeln, weil sie der Sturm auf den Herd bläst, wo sich der Kläger bei offenem Fenster gerade ein Rührei bruzzelt, hätte die Versicherung also übernehmen müssen? Aber auf die Idee, ein verlustig gegangenes Haarteil bei der Hausratversicherung geltend zu machen, muss man ja überhaupt auch erst einmal kommen. Ich wäre ja dafür viel zu unausgekocht.

Dass Männer mit ohne viel Kopfschmuck keinen Eindruck hinterlassen können, ist übrigens ein Gerücht. Auch der MamS verfügt bekanntlich über einen inzwischen recht geräumigen Landeplatz auf der Nordhalbkugel.

Einer der wenigen Männer, denen ich übrigens Tag und Nacht mein Ohr leihen würde, ist Herr Bruno Ganz. Dies ist die Raststättenrede aus dem wunderbaren Film „Ein starker Abgang“ mit der grandiosen, leider viel zu früh verstorbenen Monica Bleibtreu:

Es ist doch so: Ein Mann kann nicht zu wenig Haare haben. Nur zu wenig Hirn.

Einen ehrlichen Abend wünscht
moggadodde