Schisshasenpfeffer

Bestimmt kennen besonders Frauen diese Situation: Am Nachmittag habt ihr euer Auto auf einem großen, belebten, kostenlosen weil unbewachten Parkplatz abgestellt und wenn ihr in der Nacht wieder zum Auto geht, ist plötzlich alles anders. Es ist jetzt stockdunkel und die Hälfte der Laternen ist hinüber. Nebelschwaden wabern über ein paar übrig gebliebene, angelaufene Autos und bibbernd zieht ihr eure Jacke über der Brust zusammen. Ihr beschleunigt euren Schritt, denn ihr wisst, es gäbe mindestens ein Dutzend Verstecke für einen Strauchdieb/Raubmörder/Triebtäter, der es auf euch oder eure Handtasche abgesehen hat. Euer Auto ist noch so weit weg! War da nicht gerade ein Rascheln? Ihr dreht euch nicht um, sondern späht nach vorne in die Dunkelheit und erinnert euch dummerweise an den Fall einer abgeschlachteten Frau, die bedauernswerte Spusi-Beamte später in Einzelteilen aus irgendeinem Fluss fischten. Das war zwar nicht in der Gegend, in der ihr gerade seid, aber schlechte Menschen gibt es überall und vielleicht hat der irre Mörder seinen Radius erweitert?
Jetzt hört ihr kein Rascheln mehr sondern nur noch das laute Pochen eurer ängstlichen Herzen, die sich langsam zu den Ohren hocharbeiten und fangt an zu rennen. Endlich erreicht ihr das Auto, dankt dem Erfinder der Funkfernbedienung, fallt mit Herzrasen auf den Fahrersitz, verriegelt die Türen und schimpft mit euch selbst, dass ihr a.) aus Geiz die blöde Karre irgendwo JWD geparkt habt, b.) solche Schisser seid und c.) keine Waffe dabei habt.

Wenigstens Punkt c.) wollte ich ändern. In einer Art „Impulskauf“ habe ich Oleoresin capsicum besorgt, besser bekannt als „Pfefferspray“ und nahm es gleich gestern Abend mit zu einem Elternstammtisch in einem etwas abseitigen Lokal. Sicherheitshalber. Frau weiß ja nie.
Beim anschließenden Gang über den großen, fast leeren Parkplatz am Waldrand hielt ich mich an meiner Neuerwerbung

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fest, aber wohl fühlte ich mich trotzdem nicht. Damit ich ein Gespür für das Handling mit dem Kampfstoff bekomme, habe ich vorhin draußen mal etwas trainiert und die Botanik besprüht.
Die Plastiksicherung über dem Auslöser war recht leicht zu knacken und fehlt jetzt, was ein weiteres Mitführen in der Jackentasche m.E. nicht ganz unproblematisch macht. Wer öfter die Hände in den Taschen hat und dort vielleicht noch Feuerzeug und Kleingeld mit sich führt, hat schnell unbedacht die Zündung betätigt. Eine Aufbewahrung in den unendlichen Tiefen meiner Damenhandtasche macht nach meinem Dafürhalten nicht viel Sinn, würde es im Ernstfall viel zu lange dauern, bis ich es dort hervorgekramt hätte.
Die Reichweite des Sprays beträgt nach meinem Versuch auf der Terrasse sicher 4 m und der feine Nebel verteilte sich sofort zärtlich auf einem trockenen Buchsbaum. Obwohl ich auf die Windrichtung achtete und den Sprüharm ganz lang machte, bemerkte ich sofort einen kratzenden Hals sowie Nies- und Hustenreiz, der ungefähr eine halbe Stunde anhielt.
Von der verheerenden Wirkung, die das Zeug auf einen Angreifer haben könnte, konnte ich mir jetzt ein deutliches Bild machen aber die Vorstellung, dass ein potentieller Übeltäter mir die Dose aus der Hand winden und mich selbst damit ins beißende Fegefeuer stürzen könnte, macht mir letztlich doch noch mehr Angst als ein unbewaffneter Gang über einen einsamen Parkplatz.
Zu denken gibt mir darüber hinaus die Möglichkeit, dass ich irgendeinen Typen in vielleicht irrationaler, aufkommender Panik mit einer Ladung Pfeffernebel auf die Bretter schicke, der mich eigentlich nur nach der Uhrzeit, der nächsten Haltestelle oder meiner Telefonnummer fragen wollte. Nicht jeder Mann auf einem einsamen Parkplatz ist ja per se ein Dreckskerl.

Der MamS kann das Döschen gerne auf seine Joggingrunden durch den Wald mitnehmen, wo er sich bei Bedarf gegen wechselnde Wildschweine oder hungrige, bald wieder heimische Wölfe wehren könnte und in der Küche könnte ich selbst es auch fürs Salatdressing oder zum Würzen eines deftigen Zigeunersteaks verwenden, weil der Hersteller mit Lebensmittelechtheit wirbt. Nach reiflicher Überlegung, der Abwägung von Pro und Contra sowie meinem Versuch von vorhin werde ich mich nämlich für einen evtl. Ernstfall wohl weiterhin auf die „Knie in die Glocken-Taktik“, meine laute Stimme und meine leider nicht sehr schnellen Beine verlassen. Ich bin und bleibe halt doch ein Schisser.

Euch einen sicheren Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

10 commenti su “Schisshasenpfeffer

  1. DayLight sagt:

    Ach…glaub ja nicht, dass große starke Männer sich da keine Gedanken drum machen ,-)

  2. Georg sagt:

    Genau richtig. Woher weißt du das? Normalerweise denkt man nämlich nicht so, sondern fühlt sich mit einer Waffe sicher.
    Jede Waffe erfordert deren 100%ige Beherrschung. Wenn das nicht gegeben ist, stärkt sie den Angreifer indem er sie gegen einen selbst wendet. Außerdem wird durch ein solches Wettrüsten jede Situation immer unkontrollierbarer und somit Situationen, in denen ein beherrschtes Auftreten vielleicht schon zur Entschärfung führen würde, erst recht gefährlich, da der Angreifer durch die Waffe sich nun ebenfalls bedroht fühlt und zum Handeln gezwungen ist, dies vielleicht sogar unüberlegt reflexartig dann tut und, sollte er gefasst werden, hinterher der Polizei sagt: „Ich wollte sie nicht umbringen, aber sie hatte eine Waffe auf mich gerichtet…“.

  3. moggadodde sagt:

    @ DayLight: Alsdann: Ich schenk’s dir, wenn du willst!

    @ Georg: Das sagt mir mein Bauch und der hat mich selten belogen! Außerdem hätte ich Angst, im Fall des Falles zu zaghaft vorzugehen und eine halbherzige Verteidigung mit einem Teil, vor dem ich selbst Angst habe, bringt nichts. Vor meinem Knie habe ich keine Angst und wo der Solarplexus liegt, weiß ich auch 😉

  4. Georg sagt:

    Oh, ich kann dich sehr gut verstehen, hatte ich vor Jahren einmal eine Waffe, eine geladene Pistole in der Hand. Ich bekam schon Angst (nicht Angst, das ist nicht das richtige Wort, mir fällt aber auch nichts passendes ein, Vorsicht, Respekt vielleicht) die Pistole zufällig auf jemanden zu richten, es könnte ja ein Schuss versehentlich losgehen. Wie du, hätte ich Skrupel zu hart zu reagieren – wir sind halt eher sensible Intellektuelle.
    Im Notfall, wenn wir überfallen werden und uns in arger Bedrängnis wiederfinden, würden wir sicher wünschen, eine Waffe zu haben, doch wie wahrscheinlich ist eine solche Situation? Selbst der Rentner, der letztens halbtot geschlagen worden ist, wurde ja feige von hinten angegriffen, so dass er gar keine Chance hatte, sich zu wehren, selbst wenn seine Taschen vor Waffen nur so gestrotzt hätten. Ob ein geschulter Kampfsportler in jener Situation rechtzeitig binnen Sekunden den Angriff hätte abwehren können, wage ich sogar sehr zu bezweifeln.
    Es ist mal wieder interessant, was und wie du über Themen schreibst.

  5. Georg sagt:

    Sorry, nicht „interessant“, sehr, sehr gut, meine ich.

  6. azahar sagt:

    Ich gehöre ja auch zu den Angsthasen und trotzdem parke ich nie auf den Frauenparkplätzen im Parkhaus, wenn ich weiss, dass ich spät Abends und allein zu meinem Gefährt zurückkehren muss, denn bei Tageslicht kommt mir das immer vollkommen übertrieben vor.

    Doch wenn es dann so weit ist und ich durch die menschenleeren, düsteren Hallen zu meinem Auto zurückschleichen muss, verfluche ich mich jedesmal.

    Warum kann man sich sowas nicht abgewöhnen?

    Waffe würde ich übrigens auch keine mit mir führen. Als Jugendliche hat mich meine Mutter in x Selbstverteidigungskurse geschickt. Da mussten wir die verschiedensten Wurftechniken und Griffe üben mit denen man angeblich einen etwaigen Angreifer abschütteln, bzw. KO schlagen kann, aber ich bezweifle, dass ich davon irgendetwas anwenden könnte. Ich erinnere mich an das meiste ja nicht einmal mehr.

    Im Ernstfall hilft eh bloss schreien, wenn man in einer günstigen Position ist, ein Tritt in die Weichteile und dann darauf hoffen, dass man schnell und weit genug rennen kann, bevor er wieder zu Atem kommt.

  7. BS sagt:

    verehrteste :o)
    wenn meinereiner sich vornimmt dich zu schnappen dann nutzt dir ooch dein pfefferspray nüscht. ich kann mir ooch nicht vorstellen, das mich selbstverteidigungskurse a la azahar davon abhalten würden und wie georg schon sacht, ooch een geschulter kampfsportler ist sicher nicht immer herr der lache. ich fasse mich immer an kopp wenn ich im tv 80jährige omas sehe, die mit nen karateschlach ihren meester von den beenen prücheln. alles nur jeldschneiderei.
    azahar hat schon recht, schreien treten und wegloofen ist die beste wahl. zumindest bei mir hättest du da riesen chancen. wegloofen meine ich ;o). allerdings entgeht dir dabei ne einladung zu ’nem kaffee denn das wär der eenzigste grund wesswechen ich dich überfallen sollte ;o))).
    also, wenn irgendwann mal die figur von otti mit nen anderen kopp off den schultern hinter dir herschnauft, dann frag erst mal nach bevor du zutrittst ;o))).

    lass dirs jut jehn und lass dich nich mausen ;o) …schatzi *küsschen*

  8. moggadodde sagt:

    @ Georg: Letzten Endes weiß man sowieso nie, wie man in einer solchen Situation reagieren würde und ich bin auch gar nicht scharf drauf, es herauszufinden 😀 … Das Wort, das du gesucht hast, ist bestimmt „unbehaglich mit einem Schuss Kribbeln in der Wirbelsäule“. Ein nicht weiter definierbares Gefühl, die Knarre so schnell wie möglich wieder aus der Hand zu legen, stimmt’s?

    @ azahar: Bei Tag schimpfst du dich einen Deppen („Was soll passieren?“, „Ich hab keine Lust, so weit zu laufen“, „Bestimmt sind später noch mehr Leute da!“) und sobald es dunkel ist, beginnen Muffensausen und Kopfkino. Aber schlauer macht das nicht, da hast du leider Recht.
    Natürlich macht so ein SV-Kurs nur etwas Sinn, wenn man danach auch im Training bleibt. Aber vielleicht hat sich der eine oder andere Kniff irgendwo in deinem Gehirn verankert und würde im Ernstfall aktiviert? Geschadet haben die Kurse sicher nicht 😉

    @ BS: „Spazierstockverteidigung“ ist ein Angebot für die Senioren an der hiesigen VHS. Dort lernen dann die Altsemester, wie man mit dem Krückstück Angreifer in die Flucht schlägt. Für die Fitness ist es bestimmt nicht verkehrt 😉
    Also gut. Wenn ich mal von einem Otti-Klon überfallen werden sollte, frage ich ihn, ob er der Herr Schatz ist und verlange einen Kaffee. Das bringt den Typen ziemlich durcheinander und bis er recht weiß, was Sache ist, lande ich meinen Tritt in die Juwelen, mach mich vom Acker und weil ich schneller bin als Otti sitze ich schon vor meinem Cappu, ehe bei Otti die Sonne wieder aufgeht.
    Ich pass‘ schon auf, Herr Schatz! Danke 😀

  9. Georg sagt:

    @ Mogga:
    „Das Wort, das du gesucht hast, ist bestimmt “unbehaglich mit einem Schuss Kribbeln in der Wirbelsäule”. Ein nicht weiter definierbares Gefühl, die Knarre so schnell wie möglich wieder aus der Hand zu legen, stimmt’s?“

    Bingo! 🙂

  10. moggadodde sagt:

    @ Georg: Wusst‘ ich’s doch – mir ginge es nämlich genauso 😀

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