Sinkstar

Eine Hausmacher Brotzeit ist ja immer etwas Feines. Auf dem Kirchenburgmarkt in Hüttenheim deckten wir uns mit allerlei fränkischen Preziosen ein, natürlich fehlte auch ein feiner, gut gekühlter Rotling heimischer Lage nicht im Sortiment. Bei SchwäSu ließen wir uns nieder und machten uns über die Einkäufe her.

Fränkische Brotzeit

Leberwurst, Fleisch im Glas und ekliges Griebenschmalz brauche ich nicht unbedingt, aber dank Schinken und Käseauswahl auf ofenfrischem Speckbrot kamen alle auf ihr Quantum an Hüftgold ihre Kosten.
Die Besonderheit der Käseplatte stellte ein Morbier dar, auch als Aschenkäse bekannt, nicht mir allerdings, ich hatte nämlich noch nie davon gehört. Wie der Name schon sagt, ziert das Innere dieser Kuhmilchgrausamkeit nämlich eine dünne Schicht Asche. Bevor ich etwas esse, muss ich zwingend daran schnuppern und dieser Käse roch, als hätte man ihn in einem Aschenbecher paniert, bevor man ihn in Zellophan packte. Geruch ist sicher nicht alles, aber trotzdem brachte es niemand über sich, davon zu essen.

Frisch gestärkt ließen wir zwei Damen sodann die Herren dösend vor dem Fernseher zurück. Su. packte die E-Gitarre ihres Söhnchens aus und zusammen machten wir etwas, das phantasievolle Menschen entfernt an Musik erinnern könnte. Die eisern besuchten Gitarrestunden zahlen sich bei Su. langsam aus, vielmehr lag es an meinem grauenhaften Begleitgesang, dass mein 15jähriger Neffe verstört den Raum verließ. Auch Gassenhauer wie „Nothing else matters“ beherrsche ich textsicher leider nur im Refrain und für Celentanos „Una festa sui prati“ befinde ich mich in vollkommen falscher Tonlage. Generell ähnelt meine Singstimme ohnehin leider dem herzzerreißenden Gejaule einer Katze, deren Schwanzende unter eine Waschbetonplatte geraten ist.

Trotzdem lobte mich die liebe SchwäSu scheinheilig schmeichelnd für den einen oder anderen sicheren Einsatz und riet zu Karaoke und Trockengesang. Wenn morgen die Belegschaft wieder ausgeflogen ist, werde ich mich an Ramazzottis „Adesso tu“ versuchen. Vermutlich bin ich trotzdem unter dem realitätsfremden Kanonenfutter Sängermaterial, das meint bei „DSDS“ mehr als Hohn und Spott ernten zu können (zu besichtigen auch bei Barbara), selbst noch die Amsel in einer Gruppe kehlkopfoperierter Pinguine.

Dass das Geschäft mit der Musik ohnehin ein schnöder Beruf ist wie jeder andere, mit Sinnkrisen, depressiven Phasen, Kollegenbashing und Arbeitszeitkonflikten, zeigt die Dokumentation aus dem Jahr 2003 über „Metallica“, die ich bereits vor einigen Wochen gesehen habe und die am 20.05. um 3.00 Uhr und nochmals am 29.05. um die gleiche Zeit bei arte gesendet wird. Zu sehen, wie ein Haufen mittelalter, bissiger, egozentrischer Alphamännchen versucht, sich am Riemen zu reißen und ein neues Album an den Start zu bringen und sich dabei auch der Hilfe eines gruppentherapeutisch erfahrenen Psychotherapeuten bedient, ist absolut sehenswert.

Weil mich der MamS wegen meines Geschnarches später ohnehin wieder mit unsanften Schubsern aus dem Bett expedieren wird, bleibe ich lieber gleich hier sitzen, wo ich bei offener Terrasse dem virtuosen Gesang der seit ein paar Tagen hier konzertierenden Nachtigall lauschen darf, die ganz ohne Unterricht und aus ihrer Natur heraus mit ihrer Stimme zu bezaubern versteht. Da dürfte selbst ein Herr Bohlen nichts zu meckern haben.

Euch eine musikalische Nacht wünscht
moggadodde

„No“vum

Eigentlich bin ich in nachbarschaftlichen Belangen ein hilfsbereiter Mensch. Ich vergebe jederzeit Zitronen, Eier, Kaffeefilter und Zucker und die Ankündigung „Ich besorg’s dir wieder!“ beantworte ich meist mit einem beiläufigen „Lass stecken!“, denn wenn ich wieder mal keine Milch im Haus habe, weiß ich ja, an wen ich mich wenden kann. Das sind ja auch alles Peanuts, wie man so sagt.

Heute nun klingelte Silvio an der Tür. Silvio heißt natürlich nicht Silvio aber so ähnlich. Mit Silvios Ansichten z.B. Ausländern im Allgemeinen und Italienern im Speziellen konnten der MamS und ich ebenso wenig konform gehen wie mit seiner despektierlichen Meinung zu Homosexuellen, der Verehrung der Republikanischen Partei und der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Letztere gehöre nach seiner Meinung wahlweise ins Bett oder vor den Herd, je nach Bedarf. Er ist die Vorlage für das geringschätzige Bild, das das yellow-impressed und uninformierte Ausland vom deutschen (M)Neckermann hat: Verbissen-biestig-spießig, pausenlos mit der Bierflasche einheimischer Provenzienz in der Hand und mit einem Horizont ausgestattet, der die Ausmaße seines akkurat gepflegten Kleingartens nicht überschreitet.

Nach einem Streit vor einigen Jahren, im Laufe dessen der MamS die von Silvio vergötterten Zillertaler Schürzenjäger als ranzige Bierzeltcombo bezeichnet hatte, drohte Silvio, ihm eine „aufs Maul“ zu hauen und warf sich zur Verdeutlichung seiner Absicht quer über den Tisch. Der Umsicht und ohnehin ewigen Nüchternheit des MamS ist es zu verdanken, dass die Situation dereinst nicht eskalierte und der gnomengroße Silvio selbst keine Trümmerfraktur seiner ohnehin hässlichen Nase davontrug. Wie der MamS später berichtete, hätte er nämlich zu gerne Silvios besoffenen Zinken an die Innenseite von dessen hinterer Schädelwand katapultiert, aber er wisse sich ja zu benehmen. In der Folgezeit beschränkte sich der Kontakt wechselweise auf höflichkeitsschuldiges Grüßen oder uninteressierter Ignoranz, je nach Befindlichkeit der Beteiligten.

Einige Schicksalsschläge beruflicher Natur bewirkten allerdings, dass Silvio nun eine etwas dezidiertere Meinung zu oben genannten Diskussionsthemen vertritt. Seine letzte Jobchance in der Krankenhausküche verlangte es nämlich, dass er sich mit Mitarbeitern aus aller Herren Länder verträgt und im Laufe der letzten beiden Jahre konnte er erkennen, dass es sich auch bei tunesischen Hilfsköchen und kongolesischen Spülerinnen um ganz nette Menschen handeln kann. Über Schwule und die Republikaner habe ich zwar nie mehr mit ihm gesprochen, aber wegen des Umstandes, dass aus seiner Wohnung seit einiger Zeit des öfteren AC/DC-Klänge schallen hege ich Hoffnung, dass er auch zu diesen Themen seine Meinung überdacht hat und er sich möglicherweise sogar auf dem Weg der Läuterung befinden könnte.

Mit der Frau an seiner Seite verstehe ich mich indessen recht gut. Öfter trinken wir einen Kaffee zusammen oder eine Flasche sprudeligen Spumantes und sie verdrehte wegen seiner Engstirnigkeit oft die Augen. Nicht zuletzt wegen einer kleinen Ehekrise, in deren Verlauf sie ihm endlich einmal zeigte, wo der Frosch die Locken hat, wurde er zunehmend sozialverträglich, weshalb sich doch das eine oder andere oberflächliche Gespräch über Fußballergebnisse, das Wetter oder die Spritpreise ergab. Ich bin ja schließlich kein Unmensch und denke, nicht alle aber manche haben eine zweite Chance verdient.

Silvio klingelte also heute und fragte kleinlaut, ob einer von uns ihn morgen früh fahren könnte. Er wolle mit einem Fanclub nach München zum Bayernspiel und deshalb müsse er um 7.45 Uhr an der Abholstation in 20 km Entfernung sein. Ohne den MamS zu fragen wusste ich, dass er ihn zu dieser für einen Samstag nachtschlafenden Zeit nicht fahren würde, Fußballfan hin oder her.
„Nein“ zu sagen, fällt mir normalerweise ziemlich schwer. Lieber nehme ich zähneknirschend etwas auf mich und verfluche mich im Nachhinein, als den anderen enttäuschen zu müssen und wer weiß, vielleicht brauche ich ja selbst einmal Hilfe oder eine Mitfahrgelegenheit. Deshalb konnte ich diese Bitte auch diesmal nicht ad hoc ablehnen und bot mir zumindest eine Bedenkzeit aus. Mein Samstagsvormittagsausschlafritus ist zwar ein fast unumstößliches Gesetz, aber für bestimmte Notfälle würde ich natürlich eine Ausnahme machen. Weil wir uns im letzten halben Jahr in relativ normalem, nachbarschaftlichem Kontakt befanden, ließ ich mir die Sache immerhin durch den Kopf gehen, aber ich war unglaublich stolz auf mich, als ich ihm später verkündete, dass mir sein Ansinnen für einen Samstag einfach zu früh wäre. Die ganze Woche sei ich früher als früh aufgestanden, da würde ich am Samstag doch gerne mal bis nach halb 9 in der Kiste verbringen, weshalb er sich leider anderweitig orientieren müsse.
Er schluckte zwar, war aber zuversichtlich, bei einem anderen Nachbarn erfolgreich zu sein, was schließlich auch geklappt hat.

Es fällt mir zwar immer noch unheimlich schwer, aber ich bin, wie Silvio auf seine Art, auf einem guten Weg der Läuterung. „Nein“ zu sagen, wenn es nicht in den Kram passt, „Nein“ zu sagen, wenn mir nicht nach Zustimmung ist und nur um des lieben Friedens willen „Ja“ zu sagen, auch das ist für einen Harmoniejunkie wie ich es bin ein Prozess, der bewältigt werden will. Silvio hat mir eine gute Übungseinheit beschert.
Ich habe den festen Vorsatz, dass ich in Zukunft öfter „Nein“ sagen werde, wenn meine Vernunft und mein Willen mich auf die einzig richtige Route bringen wollen, auch wenn die dumme Kuh Erika Eintracht meint, ich müsse etwas tun, worauf ich eigentlich gar keine Lust habe. „Nein“ sagen ist vielleicht doch auch eine Kunst, die erst erlernt werden will wie die preußischen Tugenden.
Auch wenn man der Kirche selbst nicht sehr viel abgewinnen kann, der biblische Ausspruch „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist hier ein sehr treffender Analogismus. Ich selbst schätze mich und meine Bedürfnisse nämlich schon sehr hoch, deshalb werde ich den Teufel tun und Silvio morgen zu seiner Busstation bringen. Irgendwann ist die Zeit eben reif für einen „Nein“anfang.

Euch eine ehrliche Nacht wünscht
moggadodde

Karnickelcontent

Gerade hat sich Dixie wieder ziemlich im Griff und ihre Blutbahnen werden nicht mehr von hormonellen Tsunamis überschwemmt, da spinnt das Karnickel.
Seit einer Woche, zwischen 5.00 und 7.00 Uhr versucht sie in ihrem Stall ein Loch in den Hartplastikboden zu buddeln. Ganz besonders am Wochenende oder an freien Tagen bringt mich das nervtötende Scharren, abwechselnd mit den beunruhigenden, kratzenden Geräuschen, wenn die fesche Lola beharrlich an ihrem sündhaft teuren Holzstall herumkaut, an den Rande der Mordlust.

Reichlich angesäuert stapfe ich dann schweren Schrittes im Nachtgewand zum Stall vor dem Schlafzimmer, versuche sie mit Salat zu bestechen oder, wenn kein Salat im Haus ist, haue ich auch mal ordentlich auf den Deckel um mich wieder im Bett darüber zu ärgern, dass mein Einsatz der Karnickeldame am Arsch an der Blume vorbeigegangen ist. In solchen Momenten kommen mir die besten Kaninchenrezepte in den Sinn.

Mit ihrem ausgezupften Bauchfell hat sie sich jetzt in einer abgelegenen Ecke des Stalls ein Nest gebaut.

Lola baut

Sie lässt sich nicht gern anfassen oder herausnehmen, säuft viel und pinkelt nicht und meine Recherchen bei Veterinär und Netz haben ergeben, dass das Kaninchen schwanger ist, scheinschwanger um genau zu sein, weil ihr Hausfreund Spielkamerad, das kastrierte Männchen „Flöggchen“ gar nicht mit brauchbarem Samen dienen kann.

Wenn ich wüsste, dass es später auch Abnehmer für ihre Kaninchenkinder gäbe, würde ich ihr ja gerne einen funktionsfähigen Rammler für ein paar Schäferstündchen besorgen. So aber ist im Hasenstall die Null-Kind-Politik beschlossene Sache, auch wenn das auch in Zukunft noch einige Rebellionen im Morgengrauen verursachen wird. Das Kaninchen weiß gar nicht, was ihm alles erspart bleibt, Hasenhirn, das!

Euch einen fruchtbaren Tag wünscht
moggadodde

Assoziativtraum

Eben hatte ich noch einen Traum, in dem Dixie von zwei schmierigen, blondierten Mittdreißigern in einer weißen Corvette mit Frankfurter Kennzeichen abgeholt wird. Ich sehe natürlich sofort, dass diese Kerle alles andere als ein fruchtbarer Umgang für sie sind, aber Dixie besteht darauf, mitzufahren. „Die sind echt nett!“, sagt sie im Wegfahren.
Dass ich von ihr geträumt habe, hängt bestimmt mit der Tatsache zusammen, dass Dixie heute ein einwöchiges Praktikum in einer Krankenkasse beginnt und die sitzt erstens ausgerechnet in der Kaiserstraße (wenn auch nicht in Frankfurt) und zweitens kann man das Wort „Praktikantin“ seit Lewinsky ja nicht mehr reinen Gewissens verwenden. Das Gehirn ist schon ein seltsames Ding, meines zumindest.

Euch einen gesunden Tag wünscht
moggadodde

Lillebror

Es gibt wirklich unangenehmere Orte, an denen man einen prächtigen Sonntagnachmittag verbringen kann und nachdem Mutter und Brüderchen den jungen Fußballgott Hank noch nie in Aktion gesehen hatten, verbanden wir kurzerhand Muttertagsausflug und Jugendspiel und fuhren zusammen in den Spessart.
Die auf dem Sportgelände gereichten Pommes Frites hätten zwar auch in eine Wand geklopft werden können, hart wie sie waren, aber Brüderchen ist in puncto Treibstoff nicht so wählerisch. Mir selbst allerdings verging der Appetit schon weit vor der Essensausgabe, wo es durchdringend nach Frittenfett müffelte. Dieses schwere, unverwechselbare Odeur kann ich nun aber überhaupt nicht vertragen (es kommt sogar noch weit vor Urinalduftstein und Jil Sander Sun und gleich nach frischem Achselschweiß) und wenn ich auch nur kurz im Dunst einer Friteuse verweile, wird mir sehr schnell sehr lange sehr übel.

Statt also etwas zu essen, unterstützte ich Hank (in blau-weiß) erfolgreich bei seinen stürmischen Vorstößen

Schnell ...Schneller ...Hank!

und weil ich auch mit Szenenapplaus nicht sparte, wurde ich meinem Brüderchen schnell peinlich. Ich meine, ich führte mich absolut nicht unangebracht auf, ich feuerte lediglich unsere „Mann“schaft an und mir war es schließlich auch nicht peinlich, mit ihm und seinem St. Pauli-RETTER-Shirt gesehen zu werden. Als er sich genant von unserer Mutter und mir entfernte um ein paar Fotos zu machen, wies ich ihn darauf hin, dass ich nunmehr langsam in ein Alter käme, in dem man über Peinlichkeit erhaben ist.
Mal ehrlich: Was schert es mich, was andere von mir denken? Ich bin alt und selbstbewusst genug um zu wissen, was wann in welcher Lautstärke und welchem Umfang angebracht ist. Wenn das jemandem peinlich ist, hat er ein Problem, das allerdings nicht meines ist.

Insgeheim glaube ich aber, dass Brüderchen nur so tut, als ob es ihm peinlich ist, weil er nämlich eher ein stiller Vertreter der Spezies Mensch und ein klein wenig stolz auf seine große Schwester ist, die halt auch auf den Putz haut, wenn ihr danach ist. Er gleicht im Charakter sehr unserem ein wenig knorrig gewesenen Vater, während ich wie unsere Mutter eher impulsiv, offenherzig und mitteilsam bin und das könnte auch ein Grund sein, warum wir uns eigentlich ganz gut verstehen ziemlich gern haben ich ihn liebe.

Tja. Und wenn ich ihm peinlich sein sollte ist das, wie gesagt, ein Problem das nicht meines ist. Verwandtschaft kann man sich eben nicht aussuchen. Pech gehabt.

Euch eine einträchtige Nacht wünscht
moggadodde