Einfädelatio praecox

Falsches Verkehrsverhalten kann zweifelsfrei krank machen. Damit meine ich nicht die latente Gefahr eines harten Schankers oder ein paar Filzläuse, obwohl ich ein paar dieser putzigen Krabbler den Hirnheimern auf der B 27 an die Sackhaare wünsche. Nein, ich meine den Straßenverkehr und die Möglichkeit, dass ich selbst demnächst in einem Anfall akuten Amoks aussteige und gewissen Rentnern und Rentnerähnlichen an die Gurgel springe.

Auf dem Heimweg muss ich nämlich durch das neue Baustellen-Nadelöhr kurz nach der Nordtangente unterhalb vom Löwen am Stein, eine in den Fels gehauene Abbildung eines Löwen, der den „Stein“ genannten Weinberg bewacht. Zwei Fahrspuren vereinigen sich dort und werden zu einer. Was sich eigentlich romantisch anhört, bedeutet allerdings im Berufsverkehr blitzblanke Nerven, drastisch erhöhten Puls und aufkeimende Mordlust, zumindest bei mir.

In Stein gemeißelt ist scheinbar auch die Dummheit. Denn welchen Teil von „Vorne einfädeln“ auf den riesigen Schildern am Straßenrand kann man eigentlich nicht verstehen? „Vorne einfädeln“ bedeutet offenbar nach dem Dafürhalten einer erquicklichen Anzahl unterbelichteter Fahrzeuglenker, dass sofort nach Sichtbarwerden des Schildes, spätestens 300 m vor der eigentlichen Baustelle auf der zu räumenden Fahrspur herumgekrebst, verkrampft nach einer Lücke gesucht und damit der nachfolgende Verkehr behindert werden muss. Weil die Fahrer auf der zu füllenden Spur absolut nachvollziehbar ihre Schlange dicht machen, geht die blinkende Schleichfahrt meist schließlich doch bis vorne. Nur wenige andere und ich wissen offenbar, was „vorne“ bedeutet. Mit „vorne“ ist „vorne an der Baustelle“ gemeint, „vorne“ ist in der Regel noch ganz weit weg, „vorne“ ist, wenn die Absperrbake direkt vor eurer Motorhaube steht, ihr gummibereiften Gehirnvakuumisten!

Jetzt habe ich der Tagespresse entnommen, dass die streitgegenständliche Baustelle noch bis Mitte Dezember mein Pendlerherz peinigen wird. Entweder also ich arrangiere mich und präge mir

a. ) beim Vorbeizuckeln gelassen jedes Detail des in den Stein gehauenen Löwen ein, weil ich mich vorher ordentlich opiatisch stimuliert habe oder ich werde
b.) anlässlich einer möglicherweise blutig verlaufenden Kurzschlusshandlung stationärer, psychiatrischer Behandlung zugeführt, die Klinik wäre in der Füchsleinstraße ja auch gleich um die Ecke.

Die erstgenannte Variante ist mir jedenfalls sympathischer. Und vielleicht hat auch die letzte, schnarchnasige Dachlatte bis zum Winter kapiert, dass vorne da ist, wo die Baustelle anfängt, was meistens noch verdammt weit weg ist, fast genauso weit wie Dezember.

Euch einen beherrschten Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

9 commenti su “Einfädelatio praecox

  1. Genau das selbe hatte ich Montag/Dienstag auf der A7 mehrmals.

    Ich stell mir den Gedankengang so vor:

    „Ui, da vorn wird diese Spur dicht. Oh mein Gott, schon in 1.500 Metern. Hei, da muss ich aber ganz schnell rüber.
    Ich hab nämlich bei 50 km/h kaum noch Zeit, innerhalb der nächsten 1,5 km die Spur zu wechseln. Und überhaupt, lässt mich der da hinten rein?
    Oh mann, jetzt sinds nur noch 1.250 Meter.
    Da, vor dem Transporter ist Platz. Da pass ich rein.
    Ich setz schonmal den Blinker.
    Hoffentlich lässt der mich rein, nur noch 1.000 m.
    So, jetzt quetsch ich mich da einfach rein. Warum hupt der denn? Der muss mich doch rein lassen?!?“

    So ungefähr läuft das doch ab…

    Ich bin mittlerweile so weit, die Leute net rein zu lassen, sondern auf gleicher Höhe weiter zu fahren und ihnen mit Gesten zu verstehen zu geben, dass sie doch bitte weiter fahren sollen. Hilft meist nichts. Die bleiben immer stehen…

  2. markus sagt:

    wir haben hier auf der a 44 auch eine langzeitbaustelle. auf den riesigen hinweisschildern steht geschrieben: einfädeln erst in … metern. davon gibt es 4 stück. tja, und was machen die meisten auf dieser spur schleichenden autofahrer? sie versuchen natürlich unmittelbar auf die andere spur zu kommen. es ist zum haareraufen! wenn du mich in solchen situationen hören könntest… das sind allesamt schwachmaten allererster güte!

  3. socki sagt:

    Ich oute mich jetzt mal als „Frühzeitigeinfädler“. Habe ich die Möglichkeit, fädle ich mich relativ früh auf die rechte Spur ein. Ist das nicht möglich, fahre ich soweit es geht nach vorne und stelle dann fest, daß die Leute, an denen ich fresch vorbei gefahren bin, die Schotten dicht machen und ich erst mal zig Autos abwarten muß, bis ich mich einfädeln darf. Das ist auch nicht das gelbe vom Ei. Das Reißverschlußverfahren klappt hierzulande einfach nicht.

  4. Georg sagt:

    Ich finde, Socki hat auch recht. In D haben wir einfach das Problem, dass jeder erster sein will. Wie käme ich denn dazu, jemanden, der kackfrech an mir vorbeirauscht, vor mir wieder reinzulassen? – Zwar ein völlig bescheuerter Gedankengang, da ja am Ende mit derselben Geschindigkeit (und eine Siegerprämie ist auch nicht ausgelobt worden), so fühlen sich doch viele Deutsche eher den erzieherischen Grundsätzen verpflichtet. Und bei ihnen heißt erzieherisch halt immer: Hinten anstellen 🙂

  5. moggadodde sagt:

    @ Rööö: Sehr anschaulich beschrieben! Und mein Gemecker von gestern scheint gewirkt zu haben. Heute ist das nämlich geflutscht!

    @ markus: Wenn man noch öfter auf der Straße unterwegs ist, braucht man entweder ein gutes Nervenkostüm oder eine ordentliche Portion LMAA. Bei mir hilft in Ausnahmesituationen am besten laute Musik. Probier’s mal aus!

    @ socki: Auch du mein Sohn Brutus! Vielleicht würde die Schilderkombination „Vorne einfädeln“ und dann „Hier einfädeln lassen“ helfen.
    Du musst einfach deinen Charme spielen lassen. Ein Lächeln wirkt Wunder und den möchte ich sehen, der dich dann nicht reinlässt. Und wenn’s trotzdem nicht funktioniert, bekommt er einen bösen Blick angehängt, der ihn den ganzen Tag verfolgt. So mach‘ ich das 😀

    @ Georg: Nach meinem zugegebenermaßen eher schwach ausgeprägten, mathematischen Gespür erscheint es mir für den Verkehrsfluss sinnvoller, die Spuren im Reißverschlussverfahren zu vereinigen, als eine lange Schlange auf der einen und ein paar versprenkelte Schleichhanseln auf der anderen Spur zu haben.
    Klar, du hast schon Recht: Jeder will der erste sein und wer jemals die tödlichen Blicke im Rücken eines Vordränglers eiligen Kunden, z.B. in einer Metzgerei beobachtet hat, weiß das 😉

  6. markus sagt:

    bei mir läuft der cd-player ständig und oft sehr laut. das schon seit jahren… ;o))

  7. moggadodde sagt:

    @ markus: Ja, im Wechsel mit dem Nachrichtensender, bei mir B 5 aktuell – „… denn in 15 Minuten kann sich die Welt verändern“ … ist deren Slogan. Da bin ich innerhalb von kürzester Zeit nachrichtentechnisch auf dem Laufenden.

  8. yeow sagt:

    Ich darf zur Zeit in Kanada Auto fahren und die fahren hier alle als ob sie ein wenig Geisteskrank sind.
    Mal abgesehen davon, das die Trucks hier nicht nur mit 100 (Speed maximum) sondern in der Regel mit 110 oder 120 über Strasse kacheln (hier heissen die Schlaglochverteiler tatsächlich Highways)und wenn Du denen nicht schnell genug bist, hängen sie Dir gnadenlos auf der Stossstange.
    Und die Sache mit dem fädeln. Man fädelt gern, lässt aber ungerne selber fädeln.
    Wobei weniger die Baustellen das Problem sind, sondern speziell hier in Toronto die 401 (four O one). Deren meistbfahrener Highway. 4 Spuren Expressway und weitere 4 Spuren der sog. Collectors. Quasie ein Highway nochmal daneben. IN JEDE RICHTUNG. Und Morgens sowie abends nur Schrittverkehr. Und dann versuch mal vom Expressway auf den Collector zu kommen, um Deine Ausfahrt zu kriegen.

    Ich bin schon einige male vorbei gefahren, weil ich nicht rüber kam. Und die Hasskappe kann man sich gleich sparen. Die Typen ignorieren eine in jeder Hinsincht.

    Viel Grüsse aus Kanada

    yeow

  9. moggadodde sagt:

    @ yeow: Dann bist du ja mit deinem Kanada-Aufenthalt sozusagen im Trainingslager und jeder brenzligen Situation, der du hier dann wieder begegnen wirst, gewachsen! Und ich dachte immer, die Kanadier wären lässig … Viel Spaß noch und komm‘ nicht unter die Räder, gell?!

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