Mundwerk

Gegen den ausdrücklichen Wunsch des MamS habe ich gestern den Nudelsalat eines hoch dekorierten Küchenvirtuosen nachgekocht. Obwohl das abgebildete Foto im Kochbuch eine genaue Kopie des pastösen Pframpfs zeigte, der sich nun in meiner großen Porzellanschüssel befand, stieß das Ergebnis auf wenig Gegenliebe der anwesenden Mitesser. Der MamS verzog sogar angewidert das Gesicht, als er hungrig die Kochzone enterte. Er ist ziemlich zimperlich was den Geruch von Essig betrifft und verweigerte vehement die Verkostung, trotz meines hochheiligen Schwurs, dass sich nicht ein Tropfen Essig in der Schüssel befinde. Lediglich, wie vorgeschrieben, etwas Gewürzgurkensud hatte im Zusammenspiel mit Joghurt und Miracel Whip die Hörnchennudeln begattet! Auch die untergemischten Mandarinenstücke vermochten den MamS nicht zu verführen. Mit einem Leberwurstbrot auf dem blau geblümten Geschirr schaute er seinen Unterhaltsverpflichteten zu, die mit mäßigem Appetit auf ihren Tellern herumstocherten.
Ein, grob geschätztes, halbes Kilo Curry sowie Heinz Chili-Curry-Gewürzketchup „Extra Hot“ vermochten das fiktive Essigaroma endlich zu neutralisieren. Derart verfeinert konnte sich auch der MamS überwinden und aß von dem einst faden Fehlschlag, der lt. Kochbuchverfasser „der Nudelsalat mit dem Geschmack meiner Kindheit“ ist. Wenn das stimmt, muss es in der Jugend des kochenden Autors verflixt düster und öde zugegangen sein. Verdammtes, lobhudeliges Kochbuchgequatsche. Und ich falle darauf herein! Typisch ich!
Unbestritten ist der Nudelsalat, den der MamS in die Schüssel bringt, um beträchtliche Längen besser dazu geeignet, in einem Kochbuch veröffentlicht zu werden, offenbar hatte der MamS eine bessere Kindheit als der geschmacksverirrte Superkoch. Ich bekenne und bereue: Nie mehr Experimente hinsichtlich Nudelsalat. Keine kochtechnischen Abwege. Niemals mehr folge ich falschen Pasta-Propheten. Der MamS ist schlicht und ergreifend fähiger als so mancher Supersmutje, trendy hin oder her.

Apropos: Könnte mir bitte mal jemand plausible Gründe nennen, warum unter den vermeintlichen Superdupergenialfirstclassköchen auch in Deutschland kaum eine Frau zu finden ist? Ich persönlich vermute ja, dass der Grund hierfür schon in der Neandertalerhöhle vergraben ist, in der die Aufgabe der Nahrungszubereitung originär in den schwieligen Händen der grunzenden Weibchen lag. Für sie war und ist es, Ausnahmen ausgenommen, bis in heutige Tage harte, tagtägliche Fronarbeit, auch wenn sie sich heute schon artikulieren können. Für die Männer der Neuzeit ist es wohl eine Art Sport geworden, die grandiose weibliche Bastion „appetitliches und geschmackvolles Nutrimentenmanagement“ einzureißen und den Muschis mal so richtig zu zeigen, wo der geschmackliche Hammer hängt. Frauen spielen heute Fußball und hauen sich im Boxring auf die operierten Näschen. Männer kochen und belegen Töpferkurse. Spekulationen hin, Mutmaßungen her, ich selbst vermute bei den Spitzenköchen ja eine verkappte Art von umgekehrtem Penisneid, um ehrlich zu sein.

Die Tatsache, dass der MamS, ganz ohne Essig und aus dem mäßig behaarten Handgelenk geschüttelt, einen fabelhaften Nudelsalat zuzubereiten versteht, könnte mir nach diesen Ausführungen zu denken geben. Auf unter mein ebenfalls einzigartiges Zucchinirisotto gemischte, heimliche Testosterongaben werde ich allerdings tunlichst verzichten. Dazu schmeckt sein Nudelsalat einfach zu gut!

Euch eine formidable Nacht wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

12 commenti su “Mundwerk

  1. liebste mogga, ich erleide nahezu jedesmal ähnlichen schiffbruch, wenn ich kochbuch-geschichten 1:1 nachkoche und auf eigene zusätze und modifikationen verzichte …
    schöpfe ich hingegen aus den (un)tiefen meines kulinarischen genius (im klartext: ich schütte zusammen, was der kühlschrank und das gewürzregal hergeben und ce qui bon me semble), dann wird das ergebis in den meisten fällen so, dass die mitesser hüte hoch-, statt teller nach mir werfen ;o) (oder so ähnlich). mir verkorkst scheinende ergebnisse geb ich dann aber auch nur seltenst zur verkostung frei – ich will mir doch meinen ruf als guter improvisationskoch nicht verderben :o)

    so, und nun gehts nicht ran an den speck, sondern ran an den trecker!

    wünsch dir nen schlammfreien tag voller toller inspirationen ;o)

  2. socki sagt:

    Ja, mit solchen Experimenten habe ich mir hier auch schon den Unmut der Schutzbefohlenen zugezogen. Erst mit kräftig nachwürzen und der Zugabe von meinen Geheimzutaten kann man einiges davon essen.

  3. moggadodde sagt:

    @ hühnerschreck und socki: Man sollte doch alles mal ausprobieren, denke ich mir, aber wie ihr, habe ich dabei schon oft ins kulinarische Klo gegriffen 🙂

  4. Squalus sagt:

    Nudelsalat mag ich in fast allen Erscheinungsformen. Wahrscheinlich wäre ich wie ein Wilder über dein Kochen-nach-Zahlen-Endprodukt hergefallen. Ich bin da wirklich tolerant. Ganz ehrlich, ey! Wo ich allerdings überhaupt keinen Spaß verstehe: Bei Kartoffelsalat! – Der muss mit Mayo, Gurken und Fleischwurst gemacht werden! Wie bei Muttern eben. Dem zermatschten Kartoffelsalat aus dem Ländle (Brühe statt Mayo) sollte irgendeine EU-Kommision offiziell die Bezeichnung Kartoffelsalat aberkennen. Jawollja!

    Man hat’s als Norddeutscher im schwäbischen Exil nicht immrer leicht… *seufz*

  5. moggadodde sagt:

    @ Squalus: Ich gestehe, dass ich selbst der Brühe-statt-Mayo-Religion angehöre und in unserem K-Salat sind neben Gewürzgurken auch Salatgurkenscheiben zu finden. Und Speck. Gebraten und ziemlich üppig. Der macht die fette Mayo wieder wett, oder?

  6. Squalus sagt:

    @moggadodde
    Nee, sorry – Auch mit Speck keene Schangse! Im Kartoffelsalat manifestiert sich die tiefe kulturelle Kluft zwischen Nord- und Süddeutschland. 😉

    Aber mach dir nichts draus! Mein schwäbisches Umfeld rümpft angeekelt die Nase, wenn ich vom leckeren (Mayo-)Kartoffelsalat meiner Mutter schwärme. Barbaren!

    Die hiesige Küche hat aber durchaus einige Highlights zu bieten. Maultaschen (in der Brüh‘, überbacken oder mit Ei gebraten) oder LSD (*L*insen, *S*pätzle, Sai*D*enwürschtle oder auch *D*armprodukte)und die obligatorischen Butterbrezeln versöhnen mich wieder mit der Welt.

  7. moggadodde sagt:

    „Bringsch mir mal a bissi LSD?“ Darf man so im Ländle bestellen oder wird man gleich scheel angeschaut?
    Wir haben hier LKW mit oder ohne Senf. Aber die gibt’s bei dir, glaube ich auch. Und „Blaue Zipfel“, das ist eine hiesige Spezialität, die ich aber überhaupt nicht essen mag.

  8. Squalus sagt:

    Ich glaube, dass du in einer schwäbischen Wirtschaft lieber kein LSD bestellen solltest, sonst werden noch die Drogenhunde hellhörig. Das Kürzel ist eher für den ‚internen Gebrauch‘ in meinem Bekanntenkreis.

    LKW haben wir hier auch. Bei meinem Bäcker um die Ecke (also beim BEcker *sorry, I couldn’t resist*) gibt es noch die Variante mit Ketchup – Ich tendiere dann aber doch eher zum Senf.

    Wegen der „Blauen Zipfel“ habe ich googeln müssen. Ich glaube, damit könnte ich durchaus noch leben. Da gäbe es andere Sachen, die ich nicht anrühren würde; z.B. Schwarzsauer oder Kutteln.

  9. socki sagt:

    @ Squalus: Kartoffelsalattechnisch bin ich ein Wechselbalg. Essen mag ich beide, da ich aus der Mayo-Region komme und hier über Jahre hinweg umgeschult wurde. Selber zubereiten kann ich aber nur den Schwäbischen. So wie es Dir mit dem Kartoffelsalat geht, geht es mir mit Senf. Süßer Senf ist das widerlichste, was mir bis dato begegnet ist. Ich esse selbst Weißwürste mit scharfem Senf.

  10. moggadodde sagt:

    @ Squalus: Ich weiß, was Kutteln sind aber ich will lieber nicht wissen, was Schwarzsauer ist.

    @ socki: Ignorantin! WW geht nur mit süßem Senf, finde ich! Isst du mit oder ohne Haut?

  11. socki sagt:

    Ohne Haut natürlich! Es gibt übrigens auch Leute, die das mit Ketschup essen….
    Sollte ich je in Versuchung kommen, auswärts WW essen zu müssen, hätte ich ein Problem (oder ein Tübchen scharfen Senf im Ärmel).

  12. moggadodde sagt:

    @ socki: WW und Ketchup = Abartig!

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