Aufgemerkt!

Was es bedeutet, wenn jemand eine „Leichenbittermiene“ zur Schau stellt, ist allgemein bekannt. Aber was ist ein „Leichenbitter“ habe ich mich heute gefragt und meine erste Assoziation ging, wie sollte es anders sein, natürlich sofort in die alkoholische Richtung, Cynar z.B., Becherovka, Averna, Ratzeputz und Sechsämtertropfen, aber die gedankliche Verbindung zum Teilwort „Leiche“ verlief dann eher unappetitlich. Die Vorstellung, dass aus den entweichenden Körpersäften in Verwesung begriffener Lebewesen ein bitteres Getränk gebraut werden würde, schien mir zwar unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. Schließlich waren die Leute früher hartgesottene Rauhbeine (da verschließe ich mich der neuen Rechtschreibung übrigens!) und sogar die Pest konnte die Menschheit zwar ein bisschen dezimieren aber nicht ausrotten. Das hat ja nicht mal der Lebertran geschafft.

Kein Schnaps, keine Ekligkeiten: Tatsächlich geht die Bezeichnung nämlich auf den Beruf des „Leichenbitters“ zurück, der die zum Begräbnis geladenen Personen zu informieren hatte. Manchmal war der Leichenbitter gleichzeitig der Hochzeitsbitter, den ich unter der Bezeichnung „Hochzeitslader“ noch heute kenne.

„Wird vor oder nach dem Leichenbegängnisse ein kleines Traitement gegeben, so übernimmt gewöhnlich, besonders bey Handwerksleuten, der Leichenbitter auch die Besorgung der Gäste, damit keiner zu kurz kommt, und zuletzt stattet er im Nahmen der Leidtragenden jedem vom Gastmahle weggehenden Leichenbegleiter den Dank ab. Eben dieser Leichenbitter bringt auch der Geistlichkeit die Gebühren ins Haus, und besorgt die Bezahlung des Geläutes, für welches alles er, je nachdem es an einem Orte gebräuchlich ist, entweder 16 Groschen, 1 Thaler oder auch noch mehr erhält.“

Und weil er betreten gucken musste, während er seiner unerfreulichen Arbeiten nachkam, musste er eben die „Leichenbittermiene“ aufsetzen. Klingt logisch, oder? Das wunderhübsche „Traitement“ wird ab sofort in den hiesigen Sprachschatz aufgenommen und ersetzt das staubige und sinngleiche „Umtrunk“, ohnehin ein spukhässliches Wort.

Mit der Oekonomischen Encyklopädie von Dr. Krünitz habe ich heute mehr als nur eine Menge Zeit verbracht und auch gleich herausgefunden, woher das Wörtchen „verplempern“ eigentlich kommt. Hach, für solche Sachen liebe ich das Internet.

Euch einen strahlenden Abend wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

2 commenti su “Aufgemerkt!

  1. Georg sagt:

    Cool, Mogga, danke, ein genialer Surftipp!
    Bei Begriffen sowie Sätzen wie folgendem, kommt man ja fast zum Hirnorgasmus: „Verschmitzte Buhldirne“

    „Man verplämpert sich mit einem Mädchen, wenn man sich mit demselben kopflos einläßt und ihm die Ehe verspricht, obgleich dasselbe weder durch Erziehung, Bildung, noch Aufführung zu Einem paßt, eine verschmitzte Buhldirne ist. Das Verplämpern ist hier ein unbedachtsames in die Schlinge gerathen. Auch ein unbesonnenes Versprechen mit einem armen Mädchen, ohne seine eigenen ärmlichen Umstände zu berücksichtigen.“

  2. moggadodde sagt:

    @ Georg: „Hirnorgasmus“ … auch schön. Ja, ich mag dieses alte, umständliche Gesumse … und während man liest und liest und liest verfliegt die Zeit. Eigentlich ist das eine Site für den Winter 😀

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