Ausgang

Was macht man am Mädelsabend wenn man als Mädel mitten in den Vierzigern steckt? Man geht essen und sucht danach eine Kneipe, in der man als Mittvierziger nicht zu sehr auffällt, was gar nicht so einfach ist. Gut, im Tscharlies haben wir den Altersschnitt sogar noch heftig gedrückt, aber dafür war die Musik zuerst richtig schon rockig und old-school plus das Tscharlies ist eine Raucherkneipe mit Ramazzotti für nur einen Euro, aber bei Bruce Springsteen mussten wir dann doch gehen. Ich meine, Bruce Springsteen, das geht ja wirklich nur in der Nähe der Grube!
20 Meter weiter links feierte mein Brüderchen in seinen 35. Geburtstag, dort noch schnell angestoßen, aber ehrlich gesagt, die Location war nicht so unsere Kragenweite. Sorry Bruder, aber mit Mitte Vierzig hat man ja doch schon andere Ansprüche …
Nach ein paar Sektchen auf dem heimischen Sofa und eine Einführung in den Casus Hickey beendeten wir einen richtig schönen Mädelsabend. Gut, dass Dixie heute aushäusig nächtigt, so kann ich in ihrem Bett pennen, damit SchwäSu angenehm schlafen kann. Merke: Vergiss zum Mädelsabend bei Mädels über 40 die Ohrstöpsel nicht!

Euch eine ausgelassene Nacht wünscht
moggadodde

Anstandslos

Würde man unsere obligatorischen Zweimonatsvisiten bei meiner Oma Gertie mit versteckter Kamera aufnehmen, würde das eine astreine Alterssoap geben, die „Wirr aber wahr“ oder „Grandma Gertie’s getting mad“ getauft werden könnte. Alt zu sein ist sicher kein Zuckerschlecken, wenn aber das Oberstübchen bei ansonsten noch rüstiger, körperlicher Gesundheit anfängt zu zicken, ist das ziemlich tragisch, vor allem für die anderen.

Die Oma bewohnt noch zwei Zimmer in ihrem großen Haus und „kann nimmer so gut merken“, wie sie selbst kummervoll feststellt. Vielleicht hat unsere Gruppe, bestehend aus meiner Mutter, Brüderchen, meinen Kindern und mir auch ihr sicher schon ein bisschen poröses Gehirn überfordert, jedenfalls wusste sie nicht so recht Bescheid über ihren Besuch.
„Wer bist denn du?“, fragte sie Dixie. „Ich bin deine Urenkelin, die Dixie“, sagte diese und die Oma zeigte auf Hank und stellte fest: „Ach, und das ist dein Sohn, gell?“
„Nee, Oma, das ist ist ihr Bruder, der Hank und die beiden sind meine Kinder“, fasste ich zusammen. „Ach, ich kann nimmer so gut merken“, lamentierte sie. „Macht ja nix, Oma“, versicherte ich. „Und du, du wohnst noch bei deinen Eltern, oder?“ fragte sie, an meinen 35jährigen Bruder gewandt. „Hast du schon einen Freund?“, fragte sie mich jetzt und bevor ich antworten konnte, fiel mir meine Mutter ins Wort: „Ach Mutter, die Mogga ist doch schon lange verheiratet mit dem MaiS!“
„Kenn‘ ich den?“, fragte sie jetzt und wir bejahten. „Ach, ich kann halt nimmer so merk‘!“, sagte sie jetzt deprimiert und hatte Recht. Im Laufe unseres zweistündigen Besuchs vergaß sie immer wieder die familiären Zusammenhänge, Namen und auch, dass ihr Sohn, mein Vater, bereits im vorletzten Jahr gestorben ist.
Sie ärgerte sich über ihre im Nebenhaus lebende Tochter und deren vielköpfige Kinderschar, die die Oma ein wenig als pausenlos geöffnete Sparkasse betrachten und sogar für die Fahrt zum Friedhof in 500 m Entfernung einen monetären Obolus erwarten. Und das Geld, das sie in zwei Umschläge gesteckt und im Schlafzimmer versteckt habe, wäre auch verschwunden. Sie führte uns alle dorthin und kramte zwischen Frotteetüchern und Baumwollschlüpfern vergeblich nach dem Geld, von dem sie genau wisse, dass sie es hier versteckt habe.
In ihrem Haus reißen die anderen Enkel die „gliedguten“ Fenster raus, werfen ihre teuer gekauften Vorhänge und Matratzen auf den Müll und komplettrenovieren das Haus, das sie zwar erben werden aber eben erst „werden“, denn noch lebt die Oma und ihr blutet das Herz, wenn sie zuschauen muss, wie das Zeug, das für andere alter Plunder aber für sie eben ihr Eigentum ist und noch tiptop in Ordnung, auf den Schutt gefahren wird.
Ich stelle es mir schrecklich grausam vor, wenn man tatenlos zuschauen muss, wie die Angehörigen im Haus schon so tun, als wäre man gar nicht mehr da, wie sie keine Rücksicht nehmen auf Sachen, an denen man hängt, weil man sie kurz nach dem Krieg, als man sowieso nichts hatte, irgendwo gekauft oder für das man gespart hat und dann kommen die eilfertigen Verwandten, okkupieren wie selbstverständlich das Haus und werfen alles weg, was einem lieb und teuer ist.
Natürlich ist das alles altes Gerümpel und kein Mensch wollte auf Matratzen schlafen, auf denen zu Kaiser-Wilhelm-Zeiten schon Kinder gezeugt wurden. Klar wurde sie gefragt, ob sie mit dem Umbau einverstanden ist. Welche Oma würde „nein“ sagen! Aber es wäre vielleicht doch taktvoller, mit dem Ausräumen des Hauses zu warten, bis die alte Frau die Augen endgültig schließt.

Zum Schluss holte die Oma ihre Mundharmonika aus dem Schlafzimmerschrank und blies das lustige Zigeunerleben und andere Ständchen und schimpfte über ihr Gebiss, das sich beim Spielen ständig im ihrem Mund löste und geräuschvoll ans Metall klackerte.
Manche Alleinunterhalter spielen schlechter mit dem Keyboard als meine Oma auf der Mundharmonika. Sie kniff konzentriert die Augen zusammen, legte den Kopf zur Seite und wippte genau im Takt mit dem Fuß. Ich muss sogar sagen, dass meine Oma in ihrem Fuß mehr Taktgefühl besitzt als andere Leute im ganzen Körper.

Euch einen rhythmischen Tag wünscht
moggadodde

Chick sans Speed

Zwei Wochen ohne den hauseigenen Putzteufel Reinigungsregenten haben unübersehbare Spuren hinterlassen, nicht zuletzt, weil die derzeitige Haushaltsvorständin eine stinkfaule Trine diesbezüglich zuletzt etwas unlustig war. Überraschenderweise wuchs sich ihre heute früh zaghaft aufkeimende Sehnsucht nach Sauberkeit im Lauf des Tages zu einem lupenreinen Putzkoller aus. Viele Stunden, zwei Fingernägel sowie einen kleineren, aber deutlich spürbaren Stromschlag später (Merke: Das Tuch zum Abstauben der Multimedia-Abteilung sollte nicht zu feucht sein), betrachtete sie ihr Werk und sah, dass es wohlgetan war.

Allerdings vermute ich hinter meinem heute ziemlich beeindruckenden Tagespensum (Staub, Fenster, Betten, Nasszellen, Terrasse, Hasenstall, Entsorgung zahlreicher erfrorener Gammelpflanzen plus Aussaugen eines Fahrzeugs danach) eher ein dem bekannten „Runner’s High“ vergleichbares „Hunger’s High“.
Die Zufuhr minimalmöglicher Kalorien treibt mich nämlich derzeit an wie einen frisierten V8-Motor auf rasender Bergabfahrt. Unverdünntes Endorphin scheint meine Venen zu fluten und und ich hoffe sehr, dass mir nicht bald der Sprit ausgeht, denn es herrscht noch reichlich Handlungsbedarf, und zwar an beiden Fronten und wenn der MamS hier in weiteren zwei Wochen wieder aufschlägt, wird er sich wundern, dass

a. die hiesigen Hallen auch ohne ihn richtig sauber sein können (was er gerne mal bestreitet) und ich
b. ein hübsches Stückchen weniger geworden bin.

Für morgen steht nach der Arbeit die Entkalkung eines nervtötend spritzenden Wasserhahns sowie die Begehbarmachung von Hanks Bombentrichter auf dem Plan. Wenn ich daran denke, sollte ich vielleicht doch noch ein paar Pillen rauskramen …

Euch eine rauschende Nacht wünscht
moggadodde

Pax Mogga

Als ich ungefähr 11 Jahre alt war, gab es Uwe. Uwe war ein Drecksack, der sich einen Spaß daraus machte, andere und da ausschließlich Schwächere und Mädchen, zu ärgern. Ich erinnere mich noch gut daran, als ich mit meinem damals todschicken, gesmokten Neckholder-Oberteil im schattigen Gemeinschaftshof saß, während sich der rothaarige und kompakt gebaute Uwe von hinten anschlich und mir seine sommersprossige Bratpfannenpranke auf den leuchtend roten weil sonnenverbrannten Rücken knallte.
Uwe war echt ein Arschloch und ziemlich brutal. Schwächere Jungs machten einen Bogen um ihn, weil er unberechenbar war und auch wenn man an ihm vorbei lief und nur komisch guckte, hatte man schnell den massigen Uwe an der Backe, der einem dann den Arm in einer Art Kreuzfesselgriff fest auf den Rücken schraubte und erst aufhörte, wenn man heulend um Gnade winselte. Eigentlich konnte man aber gucken wie man wollte, irgendwas gab es immer, das Uwe nicht passte und ihm Gelegenheit gab, über einen herzufallen und wenn es nur das Vorhandensein hoher Luftfeuchtigkeit war. Außerdem besaß er auch ein Blasrohr, mit dem er zu unserem Leidwesen ziemlich zielsicher umgehen konnte. Uwe war ein echtes Arschloch und aus heutiger Sicht betrachtet konnten wir froh sein, dass er nie genug Kohle hatte, um sich andere Waffen zu besorgen, mit denen er uns schuriegeln konnte.

Der gar nicht mehr so kleine Hank nun hat nächsten Dienstag Geburtstag. Noch vor vier Wochen wünschte er sich unbedingt einen Sportbogen, was ich für keine besonders gute Idee hielt. Wir haben hier kein eingezäuntes Grundstück und es laufen auch immer andere Kinder durch die Gegend. Die Gefahr, dass er aus Unachtsamkeit jemanden verletzt, machte mir Bauchschmerzen und ich war froh, dass das Thema einschlief und wähnte mich sicher.

Akut ist allerdings seit einer Woche sein neuer Wunsch nach einer Softair-Waffe. Er will auch gar nichts anderes, üüüüberhaupt nicht, nur dieses Gewehr, bittebittebitte, das er in einem Internet-Shop gefunden hat und seine Kumpels J.C. und Schamhaar-Addi hätten sowas doch auch schon.
Meinem Einwand, dass für dieses Modell die Altersempfehlung „ab 14“ gelte, entgegnete er mit dem Argument, dass er schließlich auch Computerspiele mit FSK 16 habe, was richtig ist. Trotzdem sehe ich einen Unterschied darin, ob er Klonkrieger in Star Wars Battlefront über den Bildschirm jagt, oder ob er mit einer täuschend echten Knarre im zwar riesigen aber doch von Mehreren genutzten Garten auf Zielscheiben ballert.
Zwar habe ich volles Vertrauen zu ihm. Er würde nie anderen Angst einjagen, sie quälen oder demütigen, wie einst das Arschloch Uwe. Aber die Durchschlagskraft der „ab 14“-Waffen ist nicht zu unterschätzen und ich kann doch nicht durch die Nachbarschaft pilgern und Schutzbrillen verteilen, nur weil Hank draußen Schießen übt!

Heute nun habe ich ihm meinen endgültigen Entschluss mitgeteilt, dass ich ihm zum 11. Geburtstag keine Heckler und Koch G36C kaufen werde, worüber er natürlich maßlos enttäuscht war. Die Tränen nur mühsam unterdrückend verzog er sich in sein Zimmer und ich gab ihm eine halbe Stunde, bevor ich ihn mit den geliebten Apfelpfannkuchen plus kross gebratenen Speckstreifen wieder in die Küche lockte. Jetzt erklärte ich ihm, dass wir zusammen zum Sportwaffenhändler gehen und dort ein geeignetes, altersgerechtes Teil aussuchen würden. Und wenn er dann nach ein paar Wochen immer noch Interesse daran hätte, würde ich ihn bei einem Schießsport-Verein in einem Nachbarort anmelden, wo er unter professioneller Aufsicht sicher für sich und andere lernen kann. Er akzeptierte den Vorschlag sofort und war immer noch enttäuscht, aber nicht mehr so sehr.

Ich bin wirklich froh, dass er mir mein Kleiner einen theatralischen Dampfhammerauftritt erspart und die Entscheidung hingenommen hat wie ein Großer, fast so froh, wie ich darüber bin, dass Arschloch Uwe in meiner Jugend nie eine Softair in die Finger bekommen hat, wo doch die Erbsen aus seinem Blasrohr schon schmerzhaft genug waren.

Euch eine sichere Nacht wünscht
moggadodde