Made(n) in Mülltonne reloaded

Ich müsste nicht mal aus dem Fenster schauen: Wenn sich 80 % der Suchanfragen mit Themen wie „Maden“, „Mülltonne putzen“ und „Fliegeneier“ beschäftigen, ist Hochsommer, juchee! Wer jemals, wie ich, durch einen wabernden Teppich weißer Würmer waten musste, erarbeitet notgedrungen und zur Vermeidung weiterer Brechreizanfälle nachhaltige Lösungen, die in einem Mehrfamilienhaus allerdings einiger Arschtritte Überzeugungsarbeit bedürfen. Klar ist es praktisch, wenn ich die Reste der Freitags-Reispfanne mit Huhn direttemang in die Tonne pfeffere und ich klopfe mir vor Lachen auf die Schenkel bei der Vorstellung, dass die Tonne nach eineinhalb Wochen Standzeit locker von selbst davonlaufen könnte, so viel Würmer, wie darin campieren oder vorwitzig auf dem Tonnenrand balancieren, haha. Ich muss die klebrig-stinkende Suppe, die sich inzwischen auf dem Boden gesammelt hat, ja nicht auslöffeln!
Weil hier die meisten so gedacht haben und die Drecksarbeit mit Feudel und Domestos trotz Protest immer an uns mir und einer anderen Partei kleben blieb, haben wir bei den viel zu kulanten Vermietern ordentlich gepetzt und selbständig eine Mülltonnenordnung gezimmert, die im rotierenden Verfahren jede der 6 Parteien dazu verdonnert, die Tonnen jeweils nach der Leerung zu reinigen und ggf. sogar auszuwaschen. Seitdem funktioniert seltsamerweise unsere Direktive, wonach nur noch Folienmüllbeutel verwendet werden sollen, recht annehmbar, trotzdem gibt es immer noch unverbesserliche mentale Einzeller Ausreißer, die ihren Biomüll nur lidschäftig in Zeitungspapier einschlagen, so dass es doch ab und an zu madigem Besuch kommt.

Geschäftstüchtige Menschen würden vielleicht ein Inserat aufgeben und „Maden aus eigener Aufzucht“ für den Anglerbedarf verhökern. Kleine Plastikdosen für den Transport sind günstig zu haben und so könnte man in den Sommermonaten ein Zubrot verdienen. Bei Selbstabholung gibt’s die Viecher umsonst, wenn ihr selbst ernten müsst, kosten 100 g um die 3,00 € plus Versand.

Weil ich aber möglichst wenig damit zu tun haben will, kommt das für mich nicht in Frage. Ich habe nur einen einzigen, aber dafür wirksamen,

„Maden-in-Mülltonne-Vermeidungs-Tipp:“


Für den Biomüll unbedingt immer, stets und ausnahmslos Folienmüllbeutel verwenden! Der Öko in euch darf den Protest gleich wieder runterschlucken. Folienmüllbeutel werden nämlich aus Mais- oder Kartoffelstärke hergestellt, verrotten innerhalb kurzer Zeit, sind robust, absolut dicht und mit 10 l so reichlich bemessen, dass sie nach Befüllung ordentlich verknotet werden können, was sehr wichtig ist, damit auch wirklich nichts raussuppt. Klopapier, Papiertüten und Zeitungen sind absolut ungeeignet (auch im Winter, weil der feuchte Dreck dann in der Tonne auch noch festfriert). Finger weg davon!
Die Beutel, die wir hier verwenden, kosten 14 Centies das Stück und weil ich später keine dunkelbraune, stinkende Brühe aus der Biotonne kippen muss, in der Myriaden von mehligweißen Maden auf Sommerfrische sind, halte ich das für ein recht gutes Geschäft.

Das ist schon der ganze Trick für eine halbwegs ungezieferfreie Biomülltonne, vor der einem nicht gleich das Essen wieder hochkommt! Und weil das sogar die ansonsten beratungsresistenten Wurmfortsätze hier im Haus irgendwann verstanden haben, bin ich tatsächlich guter Dinge, dass es mit ein wenig Druck und Hartnäckigkeit auch woanders funktionieren kann.

Viel Glück wünscht
moggadodde

Vergissmeinnicht

Angenommen, Alberts Tante Klothilde feiert ihren 90. Geburtstag in, sagen wir, Hameln. Albert befindet sich gerade in, sagen wir, Kleinrinderfeld und hat das Wiegenfest von Tante Tilli, wie er sie in der Öffentlichkeit liebevoll nennt, komplett verschwitzt. Tante Tilli besitzt ein erkleckliches Vermögen, das sie ihm als einzigem Verwandten nach ihrem Ableben in Aussicht stellt, sofern er sie nicht vergrätzt und die Schrulle ihren Zaster doch noch ihrem Zivi, dem Zwergpudel Alfred oder der Kirche vererbt.
Damen in diesem Alter haben selten Mobiltelefone und Internet kennen sie auch nur vom Hörensagen, was bedeutet, dass Albert jetzt ein Problem hat. Tante Tilli legt nämlich nicht nur Wert auf Etikette sondern auch auf Geburtstagsglückwünsche und weil er sie nicht erreichen kann, sieht er seine finanziellen Felle davonschwimmen und sich selbst mangels Barschaft demnächst auf Pappkartons unter der Brücke.
Es gibt aber noch einen Weg, den Kopf aus der Schlinge zu kriegen: Das Telegramm. Ich habe mich nämlich kürzlich gefragt, ob es in Zeiten flächendeckender Mobilfunkversorgung und emailisierung dieses Relikt aus der embryonalen Phase der Kommunikationstechnik überhaupt noch gibt und tatsächlich: Die Deutsche Post bietet immer noch den Telegrammdienst an, wegen geringer Nachfrage nur im Inland zwar, aber immerhin! Alberts Erbe wäre damit nämlich gerettet!

Guter Rat in Notlagen ist meist teuer und das ist er in diesem Fall buchstäblich: Das magere 10-Worte-Telegramm ohne Schmuckblatt ist für 15,20 € die knausrige Variante, wer mehr zu sagen hat muss gleich das 30-Worte-Dampfplauderer-Telegramm wählen, was mit Schmuckblatt sowie Sonn- und Feiertagszustellung mit happigen 33,05 € zu Buche schlägt, wobei nach oben natürlich kein Limit gegeben ist.
Trotzdem finde ich es faszinierend, dass es diesen fast historischen, old fashioned way der Nachrichtenübermittlung überhaupt noch gibt. Zwar bin ich noch nie wichtig oder unerreichbar genug gewesen, um mit einem Telegramm bedacht zu werden, aber die Vorstellung, wie mir ein livrierter Butler mit den Worten „Madam, ein Telegramm!“ dasselbe überreicht um dann mit gestelztem Schritt von dannen zu ziehen, gefällt mir. Ich sollte mir doch selbst mal eines schicken, bevor der Dienst endgültig eingestellt wird. Vielleicht ist es dann als eines der letzten Exemplare in fünfzig Jahren wirklich viel wert, wer weiß?
Natürlich ist das Tippen einer SMS in ein paar Sekunden für ein paar Cent erledigt; aber richtig stilvoll, ganz besonders extravagant und unglaublich elitär ist doch wirklich nur das schöne, alte Telegramm.

Euch eine drahtlosen Tag wünscht
moggadodde

Das geht auf meine Kappe

Vier Wir schieben Kohldampf und das ist ausnahmsweise meine Schuld. Im Supermarkt habe ich nämlich hübsche Grillbriketteier gekauft, die aber ums Verrecken nicht ins Glühen kommen wollen. Bevor wir überhaupt ein Stück Fleisch auf den Rost geworfen haben, ist der Biervorrat schon bedenklich geschrumpft. Damit wir heute überhaupt noch etwas essen können, habe ich den Nachbarn um Grillkohle angeschnorrt. Jetzt wird das endlich, bevor ich ganz blau bin …

Euch einen satten Abend wünscht
moggadodde

Schwitzkasten

Ein klimatisierter Arbeitsplatz ist etwas, um das mich in diesen Tagen einige beneiden dürften. Selbst saunöse Temperaturen können mir in den Katakomben wenig anhaben, deshalb bin ich noch ziemlich entspannt, auch wenn ich weiß, dass ich später baden gehe – so wie es aussieht im eigenen Schweiß nämlich, und das ist ausnahmsweise nicht schlimm.
Ich bin nämlich in Sachen Incognito unterwegs, d.h. in Aschaffenburg beim Konzert im Colos-Saal . Wie? Ihr habt noch nie von Incognito gehört? Na, mir geht’s genauso, aber Funk, Jazz und Soul kann ja nicht so verkehrt sein, zumal die Truppe schon eine jahrzehntelange Karriere hinter sich haben soll, die allerdings vollkommen an mir vorbeigegangen ist.
Die große Hitze indes hat schon ein Opfer gefordert – der MamS wird uns nicht begleiten. Ihm ist das Schwitzbad von Tito & Tarantula noch in lebhafter Erinnerung und auch wenn es ihn schmerzt, er zieht einen lauen Abend auf der Terrasse einem Hitzschlagtod im Schwitzkasten Colos-Saal vor.

So, jetzt gleich Hank aus dem Freibad abholen, schnell nochmal duschen und dann geht’s ab auffie Autobahn.

I gfrei mi
moggadodde

Edit 18.17 Uhr: Dass der MamS bei Temperaturen oberhalb von 15 °C rummädelt, bin ich ja gewohnt. Meine offensive dezente Bemerkung, dass mir nicht bewusst war, mit einem ganz alten Sack greisen Herrn verheiratet zu sein, scheint eine Sinneswandlung herbeigeführt zu haben. Er wird wohl doch in den Schwitzkasten mitkommen. Geht doch.

Aufgemerkt!

Was es bedeutet, wenn jemand eine „Leichenbittermiene“ zur Schau stellt, ist allgemein bekannt. Aber was ist ein „Leichenbitter“ habe ich mich heute gefragt und meine erste Assoziation ging, wie sollte es anders sein, natürlich sofort in die alkoholische Richtung, Cynar z.B., Becherovka, Averna, Ratzeputz und Sechsämtertropfen, aber die gedankliche Verbindung zum Teilwort „Leiche“ verlief dann eher unappetitlich. Die Vorstellung, dass aus den entweichenden Körpersäften in Verwesung begriffener Lebewesen ein bitteres Getränk gebraut werden würde, schien mir zwar unwahrscheinlich aber nicht unmöglich. Schließlich waren die Leute früher hartgesottene Rauhbeine (da verschließe ich mich der neuen Rechtschreibung übrigens!) und sogar die Pest konnte die Menschheit zwar ein bisschen dezimieren aber nicht ausrotten. Das hat ja nicht mal der Lebertran geschafft.

Kein Schnaps, keine Ekligkeiten: Tatsächlich geht die Bezeichnung nämlich auf den Beruf des „Leichenbitters“ zurück, der die zum Begräbnis geladenen Personen zu informieren hatte. Manchmal war der Leichenbitter gleichzeitig der Hochzeitsbitter, den ich unter der Bezeichnung „Hochzeitslader“ noch heute kenne.

„Wird vor oder nach dem Leichenbegängnisse ein kleines Traitement gegeben, so übernimmt gewöhnlich, besonders bey Handwerksleuten, der Leichenbitter auch die Besorgung der Gäste, damit keiner zu kurz kommt, und zuletzt stattet er im Nahmen der Leidtragenden jedem vom Gastmahle weggehenden Leichenbegleiter den Dank ab. Eben dieser Leichenbitter bringt auch der Geistlichkeit die Gebühren ins Haus, und besorgt die Bezahlung des Geläutes, für welches alles er, je nachdem es an einem Orte gebräuchlich ist, entweder 16 Groschen, 1 Thaler oder auch noch mehr erhält.“

Und weil er betreten gucken musste, während er seiner unerfreulichen Arbeiten nachkam, musste er eben die „Leichenbittermiene“ aufsetzen. Klingt logisch, oder? Das wunderhübsche „Traitement“ wird ab sofort in den hiesigen Sprachschatz aufgenommen und ersetzt das staubige und sinngleiche „Umtrunk“, ohnehin ein spukhässliches Wort.

Mit der Oekonomischen Encyklopädie von Dr. Krünitz habe ich heute mehr als nur eine Menge Zeit verbracht und auch gleich herausgefunden, woher das Wörtchen „verplempern“ eigentlich kommt. Hach, für solche Sachen liebe ich das Internet.

Euch einen strahlenden Abend wünscht
moggadodde