Gift-Anschlag

Mir stockte der Atem, als ich Hanks Geschenk auspackte: Zwei aufwändige, fünf Zentimeter lange Gehängsel für die Ohren, die ich mir nie gewünscht und noch weniger selbst ausgesucht hätte!
„Mach sie dran!“, forderte er ungeduldig und war begeistert. „Sieht gut aus!“, konstatierte er stolz und als ich in seine erwartungsvollen Augen schaute, die für das hervorragend gewählte Präsent gelobt werden wollten, brachte ich es nicht übers Herz ihm zu sagen, dass ich das klingelnde Gebaumel an den Ohren überhaupt nicht vertragen kann und dass ich mir, noch schlimmer, mit diesen Gehängen an den Ohrläppchen vorkomme wie ein geschmückter Pfingstochse! Ich konnte es einfach nicht, als ich sein Gesicht sah!

Zur Strafe für meine mütterliche Feigheit werde ich in den nächsten Tagen von meinem Sohn argwöhnisch beäugt werden, dass ich mir beim Weggehen auch ja sein Geschenk anlege und wenn ich es nicht tue, wird er mich fragen warum und ob es mir etwa nicht gefalle? Ich werde sagen, oh doch, es gefällt mir sehr, aber tja, leider gerade zu diesem Pulli passen die ja gar nicht und ich werde sie bestimmt morgen wieder tragen können, was er mir nicht abnehmen wird, weil die Gehängsel silber und weiß sind und silber und weiß ja schließlich zu allem passt, soweit kennt er sich schon aus.

Zähneknirschend werde sie also ein paarmal tragen, wenigstens zuhause und ganz bestimmt nicht so viel Glück haben wie im letzten Jahr, als ich von seinen schönen Ohrsteckern schon nach einer Woche blöderweise einen verloren habe und die waren wirklich schön, weil das mit ungeliebten Gegenständen so ist wie mit den Menschen: Die sympathischen, netten und herzensguten Leute werden viel zu früh abgetreten, während die bösartigen, fiesen oder hinterlistigen Griesgrame oft in methusalemeske Altersregionen vorstoßen dürfen, wo sie doch sowieso keiner mehr haben will!

Übungshalber trage ich den Schmuck, während ich diese Zeilen schreibe und mich das Geklimper bei jeder Kopfbewegung bereits ordentlich nervt und morgen werde ich sie beim Nachmittagsspaziergang und aushäusigen Abendessen durch die Gegend führen und wenn mich bekannte Frauen, die auch Mütter sind ansprechen, was ich denn da für hübsche Gehänge trage, werde ich sagen, dass das ein Geschenk von meinem Sohn ist und sie werden wissend nicken und innerlich aus Dankbarkeit drei Kreuzzeichen schlagen, dass ihr eigenes Kind sie in diesem Jahr mit einem Tankgutschein beglückt hat.
Jetzt kann ich auch nachvollziehen, warum „Geschenk“ im Englischen „gift“ heißt.

Euch eine gefällige Nacht wünscht
moggadodde

Schrille Nacht!

Erstaunlich viele Männer waren heute beim Einkaufen. Entweder die Frauen hatten den Gemahl absichtlich an die Viktualienfront geschickt, damit die auch einmal mitkriegen, wo die verdienten Flocken bleiben oder aber sie taten das, todesmutig wie man Männer kennt, aus freien Stücken.

Einem solchen Exemplar begegnete ich in der Molkerei-Cabrioabteilung, wo es sich hilfesuchend an eine Verkäuferin wandte, weil er in dem riesigen Angebot nirgends die Creme fraiche finden konnte. Das Mädchen suchte und suchte und wühlte in leeren Pappkartons, konnte aber das Richtige nicht finden. „Nemme se halt des“, sagte sie zu dem Mann und hielt ihm Creme fine vor die Nase, aber begeistert schien er nicht und starrte auf seinen Einkaufszettel. Ich mischte mich ins Gespräch ein und sagte ganz ruhig: „Entschuldigung, aber wieso nehmen sie denn nicht die da?“
Das Mädchen und der Mann guckten mit großen Augen meinem Finger hinterher, der auf die gegenüber liegende Cabriothekenseite deutete, wo es vor Creme fraiche-Bechern nur so wimmelte. „Gottseidank“, sagte der Mann erleichtert, „Sie sind meine Rettung“, und bedankte sich überschwänglich. Er meinte, ich hätte meine gute Tat für heute getan und ich erwiderte, dass ich sowas zur Zeit fast stündlich täte; schließlich wäre mein zweiter Name „Christine“, was nicht mal gelogen ist.

Ich war derart entspannt, dass ich mich an der Wursttheken-Schlange anstellte und 10 Minuten lang die Leute beobachtete, von denen immer noch zu viele normale Straßenschuhe zu Turnhosen tragen, was modetechnisch ein noch schlimmerer Fauxpas ist als Tennissocken in Sandalen. Erst dann stellte ich fest, dass ich gar nicht an die Wurst- sondern an die Käsetheke wollte und wechselte die Schlange. Meiner guten Laune tat dies keinen Abbruch.
Auf dem Parkplatz wollte mir ein unsympathischer, fliegender Händler eine Nano-Salbe für den Haushalt andrehen, 500 lumpige ml für fast 60,00 Mücken. Ich ließ ihn ein Weilchen an meinem Nissan laborieren und lobte den Lotus-Effekt, eröffnete ihm dann aber, dass ich der falsche Adressat sei, weil meine Putzfrau ihre eigenen Mittelchen verwende und ich den Teufel tun und ihr ins Handwerk pfuschen würde. Die Lüge tat mir nicht leid – ein Typ, der mit Fluppe im Mundwinkel Verkaufsgespräche führt, verdient nichts Besseres, finde ich.

Der Kühlschrank ist voll, die Geschenke verpackt, der Weihnachtsbaum geschmückt, wenngleich letzterer obenrum ein wenig licht ist, aber damit ist er in den hiesigen Hallen ja nicht allein.

Endspurt

Somit bleibt mir nichts, als allen, die sich hier immer mal wieder her trauen, ein recht cremiges Fest zu wünschen, das ganz genau so verläuft, wie ihr euch selbst das vorstellt: Mit Kindern oder ohne, still oder schrill, althergebracht oder ausgeflippt, mit Gans oder oder Forelle oder Karpfen oder Würstchen oder was man sonst an Feiertagen so verdrückt, Hauptsache es schmeckt und setzt nicht zu sehr an.
Hier gibt es Käsefondue, wie immer, aber der MamS will unbedingt an die Tradition seiner Eltern anzuknüpfen und wünscht sich auch Schnecken, was ich eklig finde mir ein wenig widerstrebt. Mit Schnecken auf dem Tisch ist die Schrillitäts-Grenze für mich eigentlich schon ausgereizt! Aber was tut man nicht alles … Es ist ja das Fest der Liebe, heißt es!

Alles Nette zu Weihnachten wünscht
moggadodde

Eier, wir brauchen Eier!

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus: Nein, ich meine nicht Weihnachten, das ist ja quasi schon gelaufen, ich meine die Silvesternacht, die wir heuer wieder im Kreise einiger hartgesottener Schluckspechte in größerer Runde verbringen werden.

Die Zubereitung eines knackigen Flüssiganzünders fällt in diesem Jahr in meinen Zuständigkeitsbereich. Ehe die Zeit knapp zu werden droht, bin ich schon rechtzeitig in die Testphase getreten und habe eben ein paar Portionen Eggnog produziert, traditionelles Weihnachts- und Silvestergesöff bei unseren amerikanischen Freunden.

Eggnog

Mein Eggnog enthält einige rohe Eier, Zucker, Milch, Sahne, Rum und Cognac, wird mit etwas geschlagener Sahne getoppt und mit Muskatnuss bestäubt. Anfangs skeptisch, schmeckt er mir nach dem zweiten dritten Glas richtig gut, auch in Anbetracht der traurigen Tatsache, dass sich der Eggnog nicht nur kalorientechnisch verheerend auswirken kann.
Dem MamS widerstrebt die Muskatnussnote, ich finde aber, gerade sie gibt dem Killer die richtige Würze und ist unverzichtbar.
Wegen Uneinigkeit innerhalb der Jury werde ich also noch etwas anderes versuchen und in ein paar Tagen den Glögg, eine skandinavische Variante des Glühweins mit Nelken, Kardamom, Ingwerscheiben (!) und Vodka probieren. Davon habe ich erstmals gelesen in Frank McCourts autobiografischem Roman „Ein rundherum tolles Land“, wo er als junger, unbedarfter, irischer Auswanderer in New York von seiner einsamen, schwedischen Vermieterin mit Glögg abgefüllt wird.

Im Glögg ist viel weniger Zucker als im Eggnog und die Herstellung eines kräftigen Extrakts, der vor Weiterverarbeitung erst 48 Stunden ruhen muss, hat ein bisschen was von Hexenküche und Lönneberga in meterhohem Schnee. Ich glaube fast, der Glögg wird mir sympathischer sein, als der dicke, fette Eggnog.

Euch einen beschwingten Abend wünscht
moggadodde

Los! Lächle!

Wer zwei Tage vor Weihnachten immer noch nicht alle Gaben beisammen hat, muss sich der Überlegung stellen, entweder gar nix zu schenken oder aber sich in den Citywahnsinn zu werfen und für mich war klar: Heute bin ich fällig.
Mein Entschluss, auszuschlafen, war eher kontraproduktiv: Als ich gegen 11.00 Uhr in der Innenstadt ankam, konnte ich nur mit Mühe List und Geduld einen Parkplatz ergattern.
Auch schwierige Unternehmungen stehen und fallen aber mit der richtigen inneren Einstellung und obwohl ich eher ungeduldig und in einer einkaufswütigen Menschentraube leicht zu reizen bin: Wenn es die Umstände erfordern, kann man sich eine gewisse Gleichmütigkeit durchaus auch antrainieren.
Selig lächelnd spazierte ich also in die FuZo, wich Passanten aus, die mit wahnsinnig flackerndem Blick meinen Weg kreuzten und bemühte mich, die vielen anderen, eher verzweifelt aussehenden Lateshopper mit meiner positiven Grundeinstellung zu infizieren. Gut, der Typ, der mir im Trubel seine überdimensionale Müllertüte vors Schienbein knallte und sich nicht mal entschuldigte, hätte höchstens einen Tritt in seinen cordverkleideten Hintern verdient und da lächelte ich nicht.

Der kurzzeitige Aufenthalt in der Parfümerieabteilung vom Kaufhof raubte mir fast den Atem. Falls mal irgendein Urwaldbewohner zur Weihnachtszeit hier zu Besuch ist und versehentlich in die Parfümerieabteilung eines Kaufhauses gerät wird er bestimmt annehmen, dass in Deutschland das Wasser knapp ist und wir uns deshalb selten waschen können, weil wir es für nötig halten, unseren Lieben tausenderlei Duftwässer unter den Tannenbaum zu legen.
Bevor ich Kopfschmerzen bekommen konnte, schlenderte ich zum schwedischen Jugendeinkleider und von dort ins Freudenhaus. Mehr als eine Stunde verbrachte ich in diesem winzigen Laden, der richtig originelle Gimmicks hat sowie einen Haufen überflüssiger Dinge, die die Welt nicht braucht aber, bitte, eine kleine Gummikuh, die mit den Augen leuchtet und muht als Schlüsselanhänger-Taschenlampe – sowas muss man für Notfälle doch einfach haben!

Ich habe heute jedenfalls noch mehr als sonst gelächelt, ich habe die genervten Verkäuferinnen angelächelt, ich habe die schwer mit Playmobil bepackten Elternpaare angelächelt und dem Italiener, der wegen Überfüllung erst in den Parkplatz einfahren durfte, als ich hinausfuhr, habe ich noch ein Extralächeln gegeben.

„Das Lächeln, das du aussendest, kehrt zu dir zurück“, sagt der Inder. Wenn das stimmt, dürfte eine ziemlich sonnige Zeit vor mir liegen.

Euch einen fröhlichen Tag wünscht
moggadodde

Geben und Nehmen

Reklamationsmanagement ist ja nicht gerade die Paradedisziplin deutscher Firmen, so heißt es zumindest. Das deutsche Kerzenunternehmen Eika allerdings hat mich da schon sehr angenehm überrascht. Auf meine kurze Email, dass bei zwei meiner Adventskerzen plötzlich mittendrin der Docht zu Ende war, erhielt ich gestern dieses

imgp6236

Präsentpaket, das mir aufgrund seines Umfangs schon ein bisschen die Sprache verschlug. Sicher tun der Firma die paar Kerzen nicht weh, aber für mich ist das eine nette Geste, die mich im Zweifelsfall wieder zu Eika greifen lässt.

Weil das Leben aber nicht nur ein Nehmen sondern auch ein Geben ist, habe ich mich bei der DKMS als potenzieller Stammzellenspender registrieren lassen. Blut muss für die Typisierung nicht mehr abgenommen werden – zwei von der DKMS übersandte Wattestäbchen werden mit der Speichelprobe versehen und ganz einfach zurückgeschickt. Die entstehenden Kosten von 50,00 € für die Auswertung können, müssen aber nicht vom eventuellen Spender selbst getragen werden. Weil sich die DKMS über Geldzuwendungen aber selbst finanzieren muss, ist dort jeder Betrag gerne gesehen.

Falls auf diesem Erdball also irgendein Leukämiepatient ausgerechnet einen guten Liter meines nicht mehr ganz jungen aber tauglichen Knochenmarks zum Überleben braucht, wird die DKMS sich melden und ich kann dann möglicherweise mit ein paar lumpigen Stammzellen jemandem das Leben retten. Das ist, finde ich, nicht nur zur Weihnachtszeit ein schöner Gedanke.

Euch einen besinnlichen Tag wünscht
moggadodde