Schlachtmond

Den November würde ich sofort und liebend gern aus dem Kalender streichen. Jedem anderen Monat haftet irgendetwas Positives an. Januar und Februar versprechen, dass es aufwärts geht mit Stimmung und Wetter, März und April verhelfen den Pflanzen zu neuer Kraft und dem menschlichen Gemüt aus der möglicherweise stattgehabten Frühjahrsmüdigkeit, Mai und Juni verheißen den Beginn abendlicher Outdoor-Sessions bei Citronella-Kerzen und Chianti. Juli und August bedeuten Urlaub, chlorgerötete Augen, Grillfeten und Sonnenbrand, September und Oktober sind Synonyme für goldenes Licht, Weinlese, Spätsommer, Ausruhen und der Dezember führt endlich auf das aufregende, unweigerliche Jahresfinale zu.
Was hat der dazwischengequetschte, verfluchte November? Nichts außer fieser Tristesse, kaltem Dauergrau und deprimierenden Daten, die sich „Totensonntag“ „Buß- und Bettag“ oder „Volkstrauertag“ nennen. Den Beginn der schrecklichen Faschingszeit, der sich bestimmt nicht zufällig ebenfalls in diesen grauenhaften Monat gesellt. Kahle Bäume, kalte Füße und erhöhte Suizidgefahr. Nacktes Gebüsch, Nebelschwaden und Niedergeschlagenheitsgarantie. Es gibt nicht ein einziges, positives Wort, das ich mit „November“ assoziieren könnte.

Stillschweigend saugt der unsägliche November mich aus, macht mich alle, scheint zentnerschwer auf mir zu hocken, mich vollkommen zu lähmen als hätte mir ein Skorpion die schleichend aber endlich letale Dosis seines Gifts injiziert und ich liege hier platt wie ein Omelett und warte darauf, dass der Body Snatcher klingelt und mich auffrisst.
Der November stülpt sich dann totenstill, klammheimlich und unbemerkt über mich wie ein riesiges Kondom, während ich in dieser Plastikblase sitze und versuche, mit den Armen die Hülle zu weiten, um aus dieser verfluchten hypnotischen Lethargie zu entkommen, wo ich doch am Ende entkräftet und mit Muskelkater nachgebe und reglos und unbeteiligt durch die graue Hülle das weiterlaufende Leben beobachte und der allgegenwärtigen Müdigkeit nachgebe, wohl wissend, dass der Dezember alles besser machen wird.
Ausharren. Aushalten. Durchstehen.
Ich hasse den beschissenen, gottverdammten November.

Euch eine bessere Zeit wünscht
moggadodde

Mein Gewissen und ich

Eine Begebenheit von heute Vormittag lässt mich erneut darüber nachdenken, ob ich nicht doch zu nett für diese Welt bin. Folgende Situation:

Lolas Stall befindet sich draußen unter einem Vordach. Die Nachbarin, ebenfalls Kaninchenbesitzerin, hat den Stall ihres Tiers bereits mit Styropor gedämmt, was ich heute auch endlich machen wollte, nicht dass ich Lola eines Morgens als Tiefkühlware im Stroh finde. Die Nachbarin sagte heute früh, sie habe noch ein Stück Styropor übrig, das sie mir dafür überlassen könnte.
Ich fahre also zum Eichhörnchen, besorge Klebeband und so viel Styropor wie ich noch brauche und mache mich an die Arbeit. Sie kommt dazu und wir plaudern und ich erwähne beiläufig, dass ich beabsichtige, auch den Boden des Stalls von unten zu dämmen. „Ha“, sagt sie, „das ist eine gute Idee. Das mache ich auch. Jetzt kann ich dir aber das Stück Styropor nicht mehr geben, weil ich das dafür dann selbst brauche.“

Ich nahm das nickend zur Kenntnis und überlegte bei mir, wie ich gehandelt hätte, wenn die Situation andersherum gewesen wäre, ich ihr also zugesagt hätte sie könnte ein Stück Dämmung von mir haben und dann zwei Stunden später festgestellt hätte, dass ich es doch selbst brauche. Wahrscheinlich hätte ich ihr, wie zugesagt, die Styroporplatte überlassen und mir selbst eben ohne darüber ein Wort zu verlieren, noch ein neues Stück besorgt, weil mich das Geistwesen in meinem Kopf, gerne auch Gewissen genannt, dazu veranlasst hätte.

Es geht mir nicht um die Platte, so ein Ding kostet einsfuffzich, und es geht mir nicht mal darum, dass ich jetzt extra nochmal zum Eichhörnchen fahren muss, während sie gerade draußen die Platte an ihren Stallboden bastelt.
Möglicherweise ist es nicht ganz normal, dass ich mir über solche Sachen den Kopf zerbreche, während ich sehe, dass sich andere Leute über so etwas nicht einmal ansatzweise Gedanken machen.
Ich glaube beinahe, ich bin nicht nett. Ich bin einfach nur blöd.

Euch einen liebenswürdigen Tag wünscht
moggadodde

Brenzlig

Das kommt davon, wenn die Haushaltsvorstände zu bequem sind, den zentnerschweren Oleandertopf nach innen zu hieven ….

Minus 5 °C (gerade sehe ich,das „Minus“ ist auf dem Foto gar nicht zu erkennen, ist aber da gewesen) soll so ein Oleander ja aushalten, heißt es. Schon seltsam, in der Nacht pendelt die Temperaturanzeige zwischen – 1 und – 3 °C und erst jetzt, wo sich gerade die orange glühende, kraftlose Sonne über den Horizont erhebt, wird es so verdammt kalt.

Gleich, wenn der MamS heute Nachmittag kommt, werden wir ein warmes Plätzchen für den Oskar Oleander suchen, wenn er es denn überlebt hat, der Arme.

Euch einen warmen Tag wünscht
moggadodde

Nach unten offen

Niemand kann behaupten, ich hätte Supertramp je gern gehört. Aber eben im Radio hat sich doch tatsächlich jemand an „Breakfast in America“ vergangen. War das Original schon scheiße, ist dieses psychedelisch anmutende und doch inkonsequent reggaeös angehauchte Machwerk ein musikalisches Verbrechen. Es gibt offenbar nichts, was nicht noch schlechter gemacht werden könnte.

Euch einen besseren Start in den Tag wünscht
moggadodde

Nur geträumt!

Als mir der MamS gestern mit einem herzhaften Tritt in die Seite in der ihm eigenen, liebevollen Art zu verstehen gab, dass die Nacht für mich zu Ende war, erinnerte ich mich an den Traum, der sich noch vor wenigen Minuten sehr plastisch ins Postdormitium gerettet hatte:
Ich befand mich in der oberen Etage eines Doppeldeckerbusses, der sich in einer sehr engen Straße sehr langsam fortbewegte. Es war dämmrig und ich sah in das hell erleuchtete Behandlungszimmer einer Zahnarztpraxis. Auf dem Stuhl lag ein älterer Mann, die Hände ruhig im Schoß gefaltet, zu seinen Füßen stand der Dentist im weißen Kittel und neben dem Stuhl stand unser Ortspfarrer in hellem Ornat und gold-weißer Stola und wedelte mit einem silbernen Weihrauchfässchen über dem reglosen Patienten. Mir war sofort glockenklar, dass der arme Kerl auf dem Stuhl die Letzte Ölung erhielt.

Zweimal im Jahr besuche ich meinem Zahnarzt, einen kleinen, dicken, kurzatmigen Ossi, der sein spärliches Haupthaar über dem Ohr scheitelt und während der Behandlung ohne Punkt und Komma quatscht. Im Sommer versuche ich, den Termin in eine meteorologische Tiefdruckphase zu legen, weil der dottore leicht in den Achseln zu schwitzen beginnt und wenn er mir dann berufsbedingt auf die Pelle rückt, fühle ich mich leicht unbehaglich. Allerdings schwatzt er mir keine Brillis in den Eckzähnen, hippe Bleachings und unnötige Röntgenfotos meiner Kauleisten auf und deshalb halte ich ihm seit über 15 Jahren die Treue. Außerdem zickt er nicht rum, wenn ich nach einer Spritze verlange, sobald sein Tun auch nur ansatzweise in schmerzhafte Dimensionen führen könnte.
Er nuschelt sich mit seinem komischen Dialekt durch meinen Zahnstein und ich muss mich sehr auf ihn konzentrieren, wenn ich ihn verstehen will, weshalb evtl. Muffensausen sowieso schon im Keim erstickt werden würde. Ich habe ein ziemlich stabiles Gebiss und keine Angst vor dem Zahnarzt, nicht mal die Entfernung dieser beiden Gesellen

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konnte mich erschüttern, obwohl ich mich noch sehr genau an die knirschenden Geräusche erinnern kann, als der dottore sie schwitzend aus meinem Kiefer drehte. Ja, das sind meine Weisheitszähne, die ich sentimentalerweise in der Vitrine hüte und ja, ich habe auch meinen taubeneigroßen Gallenstein aufgehoben, den ich euch aber nicht zumuten möchte.
Trotzdem gibt mir der Traum zu denken. Gleich morgen vereinbare ich meinen Wintertermin …

Euch einen schmerzfreien Tag wünscht
moggadodde