Life in a fast lane

Mit einem unguten Gefühl steige ich die ausgetretenen Steinstufen zu einem alten Kellergewölbe hinab. Vielleicht wurden früher dort die hausgemachten Würste oder Schinken gelagert. Die dicke, schwere Eichenholztüre mit einem großen, runden Metallring lässt sich nur mit großer Kraft öffnen und sofort schlägt mir der harte, wummernde Bass einer mir beinahe unerträglichen, unter die Haut gehenden Musik entgegen. Meine Augen gewöhnen sich nur langsam an die Dunkelheit und langsam bahne ich mir den Weg durch zappelnde Leiber. Ab und zu werde ich von umher geworfenen Armen oder Händen getroffen und die schweißgeschwängerte Luft raubt mir den Atem. Manchmal klatschen mir im Vorbeigehen auch nasse, stinkende Haare ins Gesicht. An einer behelfsmäßig aus Glasbausteinen errichteten Theke frage ich einen Mann mit nacktem Oberkörper und einem monströsen Tattoo auf der rechten Brust nach K. Mit glasigen Augen schaut er mich an und ich sehe, dass er meine Frage nicht verstanden hat. Ich frage ihn nochmals, ob er K. gesehen hat und seine ebenfalls tätowierte Hand zeigt nun mit einer schlaffen Bewegung nach links, wo ein mit einem Teppich verhängter Torbogen in ein durch einige Kerzen nur fahl illuminiertes Nebenzimmer führt. Ungefähr ein Dutzend Menschen liegt auf vier schmutzigen Sofas, die einen strengen Geruch verströmen, eine grauenhafte Melange aus altem Urin, feuchtem Schmutz und Erbrochenem. War die Luft in dem vorherigen Raum schon beinahe nicht mehr atembar, Sauerstoff ist in diesem stinkenden Kabuff sicherlich kaum mehr nachweisbar. Schwaden von dickem, grauem Rauch steigen aus Mündern mit rissigen Lippen und es dauert einen Moment, bis ich K. in den dicken, schweißglänzenden Armen eines fast kahl geschorenen Mittzwanzigers entdecke. Er trägt ein schwarzes Muskelshirt mit dem Aufdruck „Piss off“ und seine Jeans ist fransig und durch die Löcher sehe ich seine fleischigen, weißen Knie. Ich trete ganz nah an K. heran und sie schaut mich langsam blinzelnd an, während sie sich aus den fetten Armen des Mannes neben ihr schält, der leise grunzt und seinen Blick nicht von der auf dem niedrigen Couchtisch liegenden, nackten Brünetten entfernt, die in embryionaler Haltung in einer Pfütze liegend schläft. K. steht erstaunlich schnell neben mir aber nach einigen Schritten sackt sie zusammen und es gelingt mir gerade noch, ihren federleichten Körper unter den Achseln zu packen. Ich richte sie wieder auf und sie übergibt sich in einen Blumenkübel, in dem längst verblühte Veilchen vor sich hin kümmern. Mit langsamen Schritten gehen wir zum Auto und mit kaum verständlicher Stimme flüstert K.
„Ich bin müde“.

NEIN. So war es nicht. Als ich Dixie im namenlosen Kaff im Gewölbekeller abholte, saßen vier milchbärtige Grünschnäbel vor einer blubbernden Shisha und erzählten sich schlüpfrige Jokes. Dixie hing ziemlich entspannt auf einem Sessel herum und erwartete mich bereits. Sie hat erzählt, sie habe viermal an der Wasserpfeife gezogen. Dann sei ihr schlecht geworden und sie habe aufgehört. Sie hielt mir auf dem Heimweg einen Vortrag, sie wisse, wann sie aufhören müsse und sprach mit einer der pubertierenden Generation anhaftenden, grauenhaften Überheblichkeit von Selbstkontrolle und der Fähigkeit, die eigenen Grenzen genau zu kennen. Sehr gerne hätte ich sie aus dem fahrenden Auto auf die vorbeiziehenden, abgeernteten Äcker geworfen. Ich blieb jedoch sehr ruhig und bat sie lediglich, meine Bedenken im Hinterkopf zu behalten und sich bei Gelegenheit daran zu erinnern.

Manchmal denke ich, ich hätte mir vor 14 Jahren lieber einen netten Bernhardiner kaufen sollen, wäre durch Gassigehen bei Wind und Wetter kerngesund und hätte ohne jegliche Erziehungszeiten möglicherweise ein chices Büro mit teuerer Auslegware in einem weltumspannenden Großkonzern. Doch ich entschied mich dafür, mein Leben auf die harte Tour zu verbringen, mit Kindern, Teilzeit, Haustier, Küche und Kehrwoche (demnächst wieder, also Haustier, meine ich). Und irgendwie ist das ja auch gut. Ich bin ja schon still.

Eine geruhsame Nacht wünscht

moggadodde

Ich guck jetzt noch Charles Bronson. Einer DER schauspielernden Männer meiner Jugend, auch Yul Brynner als Gunslinger in Westworld habe ich geliebt …

3 commenti su “Life in a fast lane

  1. babs sagt:

    Aaaah, Du bist wieder zu lesen…
    Und gleich eine so toll geschriebene Geschichte…

    Derartige Erfahrungen sind mir mit meinen Töchtern noch erspart geblieben. Noch.

  2. barbara sagt:

    es lebe die Fantasie. Wunderbar geschrieben.

  3. moggadodde sagt:

    Danke euch beiden. Der Anfahrtsweg ins namenlose Kaff ist eindeutig zu lang. Da komme ich zwangsläufig auf solche Gedanken …

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