Warten auf Tscha 2

Wie der geneigte Leser vielleicht feststellen konnte, wurde ich gestern Opfer eines Phänomens, das man wohl „downtime“ nennt. Die Vokabel, die ich gestern noch witzig fand, lehrte mich in der Nacht das Fürchten.
Ich hatte eine lange, in meinen Augen recht gelungene Geschichte verfasst, hatte sie auch schon in trockenen Tüchern, d.h. der MamS durfte hier bereits lesen, aber auf dem Weg zum Server hat sich der größte Teil der Story leider aus dem Staub gemacht. Ich musste mich rest- und sinnlos dem Bardolino hingeben, der vorher meine Gyrus so trefflich geschmiert hatte, um nicht in einen hysterischen Schreikrampf zu verfallen, denn das hätte sich in einem Mehrfamilienhaus nachts um 2 vielleicht nicht so gut gemacht.

Seit Samstag ist die hiesige Meschpoche in die finstere Vergangenheit zurückkatapultiert. Die bereits seit geraumer Zeit kränkelnde Spülmaschine versagte ihren Dienst vollends, nachdem ich ihre Innereien mit einem, seitens der Werbebranche gepriesenen Pülverchens pflegen wollte. Es mag sein, dass sie die plötzlich zuteil gewordene Aufmerksamkeit falsch verstanden hat. Jedoch mit kompletter Arbeitsverweigerung zu reagieren, halte ich für etwas überzogen. Miststück, italienisches! Nachdem das hauswirtschaftliche Engagement der minderjährigen Mitbewohner hier eher defensiver Natur ist, bietet der Ausfall der Diva für mich eine treffliche Gelegenheit, Geschichtsunterricht („SO haben wir früher IMMER gespült“) mit Küchenmaloche zu verbinden. Dass Dixie hier keinen gesteigerten Elan an den Tag legt, muss sicher nicht betont werden. Dank meiner scharfzüngigen Überredungstechnik („Wenn du nicht …, dann …) lässt sie uns jedoch ihre Hilfe zumindest halbherzig zuteil werden. Hank muss nicht zweimal an den Spültisch zitiert werden. Er steht seinem peinlich peniblen Polierpapst-Papi beinahe ebenbürtig gegenüber. Trotzdem ist das manuelle Spülen zeitraubend und unangenehm. Deshalb habe ich bereits gestern früh den hiesigen Reparaturguru angefunkt und ein Besuch wurde mir für den gestrigen Abend avisiert. Ich war lange auf, aber Tscha, so heißt der Gute, kam natürlich nicht.
Während ich so wartete dachte ich nach, wie der Mann zu dem Spitznamen gekommen ist. Auf „Tscha“ konnte ich mir gar keinen Reim machen, vielleicht schreibt er sich ja auch „Cha“, dann ist er vielleicht ein etwas begabter Tänzer. Wenn er „Che“ heißen würde, könnte ich mit der Sache ja was anfangen, verfügt er doch über einen ebenso monströsen Klempnerbalken wie ihn der legendäre Freiheitskämpfer Guevara zeitweise trug. Ich werde ihn bei seinem hoffentlich heute stattfindenden Besuch diesbezüglich einer Befragung unterziehen und berichten.
Wikipedia meint, ein Spitzname (im 17. JH spitz = verletzend), auch Übername, Abname, Utzname, Ulkname, Neckname, Scheltname oder Spottname, sei ein kurzer Ersatzname für den realen Namen einer Person oder Sache. Über die Ableitung vom Spottnamen ist ein Spitzname ursprünglich mit einer negativen Assoziation besetzt, sei jedoch zunehmend neutral im Sinne eines Nicknamens. Im familiären Umfeld könnten spitze Beinamen auch eine positive Wirkung haben und seien dann einem Kosenamen ähnlich oder gleichgestellt.
Nun darf ich nicht ohne gewissen Stolz hier verkünden, dass der Welt größter Spitznamen-Vergeber unter dem hiesigen Dach zu finden ist. Der MamS ist der ungeschlagene Nickname-King aller Klassen.
Schon in früher Jugend zeigte sich die Affinität zur Vergabe von grenzinjurierenden Bezeichnungen. So rief der MamS seine kleine Schwester dauerhaft und gegen deren Widerstand ausdauernd „Brettschneider“, was mich, entre nous nur an das Spinnentier namens „Weberknecht“ erinnert und nicht sehr schmeichelhaft ist. Die Mutter des MamS wurde „Bouf“ gerufen, der Vater „Gück“.

Seit beinahe zwei Dekaden bin ich mit dem MamS nun nah bis sehr nah bekannt. Das ist eine lange Zeit, in der allerlei Spitz-, Nick- oder Kosenamen zusammenkommen. So war ich schon:
– Siegblatt
– Stückchen
– Liebessieg
– Lumpl
– Herzlauser
– Sweety
– Doggy (Bezeichnung für den Bauch der Unterzeichnenden)
– Schwängli
– Wendy
– Dr. Renz
– Idl
– Tümmler
– Marone

um nur einige der neckischen Nicknames zu nennen.

Auch unsere Kinder wurden von den Namensvergabe-Aktivitäten nicht verschont:

Tochter war:

– Bläggi
– Dopisch
– Kontraduxe
– Bischi
– Beübl
– Hixe

Sohn war:

– Huschi
– Henkelmann
– Schrotti
– Henkelpott
– Huschenko
РP̦ttchen
– Pottmann

Dauerhaft scheinen sie jedoch „Dixie“ und „Hank“ zu heißen. Meine Wenigkeit wird momentan „Ollie“ oder „Holli“ gerufen. Nur selten höre ich meinen echten Namen, im Grunde nur wenn die Stimmung hier in Richtung Nullpunkt sinkt.
Der MamS bekleidet einen sehr trockenen Beruf. Mag sein, dass er seine staubige Arbeit durch diese lockere Namensvergabe zu kanalisieren sucht. Auf fränkisch sagt man dazu: „Jedem Dappn sei Kappn“.

Wie gehabt, das Posting von gestern war sicherlich unterhaltsamer. Leider hat mir eine höhere Macht hier ganz ordentlich in die Suppe gespuckt.

Einen angenehmen und stresslosen Tag wünscht
moggadodde

Dieser Eintrag wurde in Daily Soap veröffentlicht.

10 commenti su “Warten auf Tscha 2

  1. bt sagt:

    Als ich gestern abend online war, habe ich die Urversion von Tscha auch noch gelesen. Sie war also schon auf dem Server. Eigenartig.

    Sei´s drum. Die Neue ist genau so gut 🙂
    Vor allem das mit den Nicknames ist deutlich umfangreicher und aussagekräftiger geworden. Ich hab mal gelesen, dass eurer hochgeschätzter Landesvater die Landesmutti ‚Puschi‘ oder so ähnlich nennen soll. Das macht mir olle Amigo fast schon wieder symphatisch. Ist aber auch das Einzige.

    Du hast noch nicht geschrieben wie der Name ‚moggadodde‘ zustande kam. Oder hab ich das in deinen frühen Werken überlesen? Wenn nicht, wär´s doch mal einen netten Beitrag wert.

  2. barbara sagt:

    wir können ja mal raten:-)
    vielleicht ein Dialekt?
    Wie schön Du doch wieder vom Thema abgekommen bist. Herrlich

  3. moggadodde sagt:

    Und ich dachte schon, ich wäre gestern der galoppierenden Paranoia anheimgefallen … Sudel-Ede, wie er hier in Nordbayern oft genannt wird, nennt seine angegraute Barbie tatsächlich „Muschi“ (!, während sie ihn ihren „Edelmann“ ruft. Ich schmeiß mich noch heute weg, wenn ich an SATC denke, wo Darling Charlotte ihre Vagina „Rebecca“ und den Penis ihres Angetrauten „Schoner“ nennt. Das ist göttlich …
    Hm, moggadodde. Ich rufe einen Wettbewerb aus. Teilnahmeberechtigt sind allerdings nur Preußen und im Ausland niedergelassene Personen …

  4. Da ich in der Nähe von Hamburg aufgewachsen bin, hoffe ich, dass mich dieser Umstand zu einer Teilnahme qualifiziert *schmunzel* Nachdem ich mich auch schon des öfteren über ‚moggadodde‘ das Hirn zergrübelt habe, bin ich vor ein paar Tagen auf folgende, vielleicht sogar richtige Lösung gestossen: MOKKATORTE! Man kann halt alles verschnuscheln.
    Liebe Grüße,
    Gabi

  5. moggadodde sagt:

    Jawoll, Gabi hat den richtigen Geschmack getroffen. Mein Lieblingsverarsch- und Haßobjekt Loddar Maddäus wurde einst nach seiner Lieblingsspeise gefragt und gab an, gerne „Moggadodde“ zu essen. Ich auch. Und so kam das … Great, Gabi!

  6. barbara sagt:

    und zermartere mir hier mein Hirn:-)
    ging ja fix.

  7. bt sagt:

    Und schon wieder hat meine Fußballbildungslücke erbarmungslos zugeschlagen.

  8. bt sagt:

    Sag mal dem Mann am Samstag, auch die anderen Kronen der Schöpfung erfreuen ihr ‚Sweety‘ mit verbalem Liebreiz und wir männliche Leser haben Verständnis dafür, dass die Autorin die pikanten Kosungen unterschlagen hat.
    (…aber natürlich beneide ich ihn um seine Fantasie)

    Familie Stoiber scheint da etwas indiskreter zu agieren.

  9. […] das schmutzige Geschirr gezwungenermaßen ökologisch bedenklich von Hand gespült. Hier hatte ich schon erwähnt, dass Tscha diesbezüglich der Ansprechpartner des Vertrauens ist […]

  10. […] der MamS eine gewisse Fertigkeit im Verteilen von Spitznamen hat, habe ich ja bereits einmal ausführlich dargelegt. Schon seit mehreren Monaten haftet mir nun ein neuer Name an, mit dem der MamS mich […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert