Der kalte Hauch

Unsere alte Yucca-Pflanze stand im Sommer auf der hinteren Terrasse. Ihr Hauptstamm ist über zwei Meter groß und drei kleinere Stämmchen sind mit etwa 50 cm darum herum versammelt. Ich hatte sie frühzeitig aus dem Winterquartier befreit, der Ende April nochmals einsetzende Frost versetzte ihr den bildlichen Streifschuss. Einige Blätter des oberen Hauptstamms musste ich entfernen, so dass Yolanda Yucca obenrum aussah wie eine schlampig gerupfte Gans. Den ästhetischen Anspruchen des MamS entsprach sie damit nun leider gar nicht mehr. „Tu sie weg“, bat er immer, „Das schaut ja bescheuert aus“, ereiferte er sich, „Boah, wenn ich das Ding schon sehe …“ jammerte er und „Hoffentlich friert’s heute nach gescheit. Dann hat sie’s endlich hinter sich …“. Ich blieb standhaft, mir gefiel die Palme auch ohne üppig bewachsene Krone auf dem Hauptstamm und entgegnete immer, dass mir auch eine Palme mit Handicap immer noch lieb sei und ich ihr niemals den Gnadenschnitt mit der Häckselschere verpassen würde …
Ich hielt ihm immer vor, dass ich mir dann ja schon mal eine Zyankalikapsel besorgen könnte, die ich im Nachttisch horte für den Fall, dass mich einmal der Brustkrebs oder der kreisrunde Haarausfall oder eine sonstige, mein Äußeres eventuell nachhaltig verändernde Krankheit ereilen sollte. Außerdem habe er auch kein üppig und glänzend bewachsenes Stammhirn, von den vorderen Stirnlappen ganz zu schweigen und, gebe ich ihm deshalb den finalen Schuss und bringe ihn zur Deponie? Darauf hatte er dann kein Argument mehr.

Heute Nacht hatten wir hier 4.1 Grad. Minus. Und ich habe die kopfkahle Palme vergessen und ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Aus Rache am MamS, der mich hier so gar nicht unterstützte, gehe ich jetzt zum Friseur (ihr kennt ja den Salon zum „Doppelten Lottchen“ schon). Da wird er dann mal sehen, wie sehr sich Dinge Frauen verändern können. Und meine Zyankalikapsel werfe ich in die Toilette.

Euch einen blühenden Tag wünscht
moggadodde

Was ist der Wert von Zeit?

Seit mehreren Wochen gibt es in den Katakomben ein immer wiederkehrendes, unerschöpfliches Thema. Einige Kittelschürzen und auch Frau Walfisch sind zu vehementen Verfechterinnen der Nouvelle Cuisine mutiert! Dem durchschnittlich gut informierten Zeitgenossen ist der Name „Vorwerk“ bisher lediglich durch besonders leistungsfähige Kobolde Staubsauger, schaumhafte traumhafte Shampooniergeräte und ausnehmend teure strapazierfähige Auslegware bekannt. Neueste, technische Errungenschaft der Traditionsfirma, die jedermann auch mit anhänglichem, jedoch perfekt geschultem Klinkenputz-Personal verbindet, ist allerdings ein, auf den ersten Blick recht unauffälliger Kochpott mit elektrischer Heizplatte. Fanatische Anhängerinnen des dernier cri der modernen Kitchenette würden mich für diese Bezeichnung höchstwahrscheinlich steinigen, denn in ihren Augen ist der „Thermomix“ der topfgewordene Messias.
Kein Arbeitstag beginnt ohne interkollegiale Lobeshymnen und mit stolzgeschwellter Stimme vorgebrachte Menuearrangements des vergangenen Tages. Die fachgerechte Zubereitung dreigängiger Super-Spezial-Dinners, fantastischer Feinkost-Finessen, extraordinärer Entrecote-Erlebnisse, alles wird ausgewalzt wie der bittersüße Teig für Myriaden von Weihnachtsplätzchen. Ich staunte nicht schlecht darüber, dass es dieser Wunderpott offenbar vermag, aus subsenilen einfachen Landfrauen hochtrabende Gourmet-Köchinnen zu transformieren und informierte mich höchst zurückhaltend über das Gerät. Wie hungrige Stechfliegen umgarnten mich die Gewandelten daraufhin, begierig darauf, mich zu einem Besuch der zahlreichen Fortbildungs- und Verkaufsabende zu verleiten, denn die Offenbarung der Topf wird, wie alle Produkte dieser Firma, in keinem Ladengeschäft verkauft, sondern ähnlich dem Tupperware-System (auf fränkisch „Dubberwaar“) anlässlich geselliger Gruppenzwang-Sessions in eierlikörseliger Runde verhökert. Die Topfsensation könne alles, was Mensch auch anderweitig erledigen könnte: Häckseln, Schneiden, Wiegen, Mahlen, Pulverisieren (!) und er spüle sich fast allein. Nur eben schneller.
Die Damen erklärten die Handhabung wortgewaltig („Da schmeißt alles nei, roh odder wies halt is und in e baar Minudde isses feddich“) und Frau Walfisch beeilte sich zu betonen, dass sie seit Jahren keine Plätzchen gebacken habe, aber mit dem Wunderpott würden sie herrlich mürb und lecker und ich musste mir schwer die Antwort verkneifen, dass sie dieses Unterfangen angesichts ihres voluminösen Äußeren auch in diesem Jahr wohl besser gelassen hätte.
Die dienstälteste Schürze hatte heute eine ganz spezielle Spezialität in petto: Immer schon wollte ich morgens um 6.45 Uhr hausgemachten Whiskey-Sahne-Likör aus dem Thermomix schnabulieren! Wir breiteten uns auf den mit Blubberfolie ausgelegten Paletten aus, hockten wie auf einem orientalischen Basar und leerten die Flasche in erstaunlicher Geschwindigkeit. Plötzlich wurden mir die Damen richtig sympathisch und in der nun eher heimeligen anmutenden Beleuchtung der Neonröhren hatten sich mich beinahe soweit, war ich beinahe weich geklopft wie ein Schnitzel. Aber eben nur beinahe, denn ein Aspekt der Verhandlungen war bisher nicht aufs Tapet gekommen: Der Preis, il prezzo, the price, le prix. Durch den Nebel alkoholbedingter Glückseligkeit hörte ich eine Zahl, die mir gar nicht gefiel und ich meinte, irgendetwas mit 900 gehört zu haben. Angeschickert und ziemlich dröge bat ich um Wiederholung des vergangenen Satzes und wurde sprichwörtlich schlagartig stocknüchtern. Tatsächlich kostet diese Weiterentwicklung eines popeligen Schnellkochtopfes neu und ab Werk 935,00 Mücken! Ich meine, also bitte, bin ich vollkommen idiotisch und kaufe mir für den Gegenwert zweier Monatsmieten einen Elektro-Kochtopf? Schmeckt Reiberdatschi-Teig besser, wenn er in 10 Sekunden fertig ist, mundet Nudelteig, in zwei Minuten hergestellt nochmal so gut oder flasht Eierlikör, der nur 8 Minuten braucht, nachhaltiger? Sicher nicht, doch das Hauptargument der Schürzen ist die Zeitersparnis, die aber diesen wahnwitzigen Preis meiner Meinung nach niemals aufwiegen kann. Wenn ich keine Zeit habe, gibt es eben auch mal verfeinertes Dosen-Futter und wenn ich Zeit habe, genieße ich das Kochen und Hantieren mit guten und frischen Zutaten.
Ha, einen höchst hinterhältigen und perfiden Plan hatten sich die Schürzen da ausgedacht, aber ich blieb standhaft, gerade wegen der mir plötzlich bewusst werdenden Kakophonie durch die vermeintlich altruistische Kolleginnenclique.

Zu meinem nächsten Geburtstag werde ich denen eine Lasagne in die Kantine bringen, die sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden und die sie vor Verzückung an ihrem Verstand zweifeln lassen wird. Ganz schnöde hergestellt im heimischen Heißluftherd und vollkommen ohne sündteures Angeber-Equipment. Den Thermomix werde ich erst kaufen, wenn er als das perfekte Haushaltsgerät komplett ausgereift ist, wenn er Wände in meiner Lieblingsfarbe streichen, Staub ohne Verwirbelungen wischen und Fenster streifenfrei reinigen kann, und zwar gleichzeitig!

Euch eine heiße Nacht wünscht
moggadodde

In bed with mogga

Im Mogga-Bett heute Nacht:

Er, laut: chhczshchhaszzzszzszzchhchhchchchhchbfffzchch

Sie, milde: Hör‘ mal auf zu schnarchen!

Er, unverändert: Hm. chchchczchchczschchchchchchsbffffzchchchchch

Sie, leicht angenervt: Dreh‘ dich doch mal anders hin!

Er, unbeeindruckt: Hm. chchchchchchbfffchchchchbffchchchchchbfffchch

Sie, leicht sauer, jetzt schubsend: Mann, du schnarchst wie Sau. Mach‘ was!

Er, lauter: chchchchchchhhchchchchchchhcbfffchchzchzchzchbfffchchc

Sie, sehr laut: Wenn du jetzt nicht sofort aufhörst zu schnarchen, knallt’s hier aber gewaltig!

Er, ernsthaft entrüstet: Das bin ich nicht!

Ich bin vor Lachen beinahe aus dem Bett gefallen. Und dann waren wir wenigstens beide richtig wach.

Euch einen erweckenden Tag wünscht
moggadodde

Erbarmungslos

Weiß jemand einen zuverlässigen Waffendealer? Einen, der schnell mit einer Automatik aushelfen kann? Einer der nicht lang fackelt sondern liefert?
Hoover-Boy ist heute wieder ganz besonders umtriebig und bringt mich mit seinem Putzwahn an den Rand der Verzweiflung. Klein-Hank hat sich eben die Birne an der Heizung gestoßen und flippt umher, weil ich ihn nicht genügend bemitleide. Aus Dixies Kemenate wummern die Bässe, eigentlich ein Glück, denn der BMW-Fuzzi unter uns hat offensichtlich eine neue Surround-Anlage und spielt „Need 4 Speed“, volles Rohr.

Herr, schmeiß Hirn vom Himmel! Ich habe mir jetzt erstmal einen Schlappe-Seppel auf Eis gelegt …

Wenigstens euch einen ruhigen Abend wünscht
moggadodde

Jobshop

„Sind Sie ein austrainierter Mann oder eine dominante Dame? Verfügen Sie über Durchsetzungsvermögen, rhetorisches Geschick und notfalls auch über schlagkräftige Argumente zur Erlangung der Zielvorgaben? Schrecken Sie auch vor schwierigen Einsätzen bei phlegmatischer, desinteressierter und höchst antriebsloser Klientel nicht zurück?
Dann Sind sie hier richtig! Werden Sie Motivationstrainer! Stinkfaule Teilzeit-Hausfrau sucht In-den-Hintern-Treter, damit der Saustall hier wieder auf Vordermann kommt, damit die Mahlzeiten just-in-time auf den Tisch und die Wäsche erstklassig gebügelt in die Schränke kommt, damit die Fliesenböden wieder ihre eigentliche Farbe zeigen und die Fensterscheiben die helle Wintersonne nicht mehr absorbieren! Außerordentliche Gratifikation bei Erreichen des weiteren Ziels „Keller aufräumen und Wertstoffhof anfahren“ wird in Aussicht gestellt.
Bewerbungen bitte an bekannte Adresse mit Gehaltsvorstellung, Referenzen und natürlich mit Lichtbild, das Sie gerade in aussagekräftiger Haltung zeigt. Ihren relativ erfolglosen Vorgänger zeige ich Ihnen hier,

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damit Ihnen klar ist, dass an Ihrem künftigen Arbeitsplatz mit harten Bandagen gekämpft werden muss!“

Nachdem Brüderchen mich eben ernsthaft im Scherz als „alte Schlampe“ titulierte, muss ich jetzt zu drastischen Mitteln greifen, um aus einer desperate eine vollkommene bessere housewife zu werden.
Den Treffpunkt zum gestrigen Bloggertreffen auf dem proppevollen Weihnachts-Marktplatz hätte ich beinahe nicht gefunden. Erst mein geniales Gedächtnis erinnerte mich an den Umstand, dass Brüderchen einen der Teilnehmer kannte. Ich ließ mich also telefonisch zum Treffpunkt durchlotsen und das ist, finde ich ein genialer Schachzug gewesen. Deshalb kann mich Brüderchen gerne als „Schlampe“ bezeichnen, aber „alt“ bin ich nicht!

Euch einen faulen Tag wünscht
moggadodde