Bierernst

Kaum ein bisschen zur Ruhe gekommen, musste ich mich heute schon wieder aufregen.
Die Erledigung der Einkäufe beim Discounter ist Normalität geworden. Die Produktpalette hat sich in den Jahrzehnten stetig erweitert, Markenprodukte wurden integriert und dem Bio-Boom durch Aufnahme ökologischer Lebensmittel ins Warensortiment Rechnung getragen. Klamme Haushaltskassen in den meisten Einkommensschichten haben mit den Jahren zum sukzessiven Verlust des vorher bestehenden Assi-Image der Discounter beigetragen. Noch vor 10 Jahren hätte sich ohne Not niemand mit einer Aldi-Tüte auf die Straße getraut.
Ich kaufe inzwischen auch bei Aldi und Lidl, nicht ausschließlich, und ich bin meist zufrieden mit dem Angebot an Lebensmitteln und vielen Non-Food-Artikeln.
Nicht erklären kann ich allerdings, warum ich um MARILYN stets einen großen Bogen schlage. Ob es an der oft schmuddeligen Obstkisten-Ambiente liegt, am „wir sind noch billiger als die Billigen“-Bild, das ich von diesem Discounter habe oder an den engen, vollgestopften Gängen der Geschäfte, die ich früher ab und an besucht habe? Immerhin ist „die MARILYN“ ein ursprünglich fränkisches Unternehmen und ich redete mir damals ein, dass das mit ein wenig Lokalpatriotismus unterstützt werden sollte. Ich kann mich nur im Notfall dazu durchringen, ich fühle mich unwohl dort, kann dieses Gefühl aber rational nicht erklären. Vielleicht liegt es auch daran, dass die dortigen Kunden oft noch deprimierter aus der Wäsche schauen als in den anderen Discount-Läden.

Darauf wollte ich aber eigentlich gar nicht hinaus. Der MamS nervt mich ja noch immer mit der Anschaffung neuer „Radzierblenden“ für mein Schnuckelchen und erzählte, MARILYN habe da in der nächsten Woche ein günstiges Angebot. Ich schaute mal auf die Site und mir springt sofort ein Gewinnspiel ins Auge, das als Preis den Gewinn einer „Bier-Rente“ auslobt. Ein Jahr lang jede Woche einen Kasten Bier sollen die „glücklichen“ Gewinner (wieviele es davon geben wird, konnte ich nicht herausfinden) erhalten und das finde ich, gelinde gesagt, vollkommen daneben.
Um diesen Gewinn gänzlich auskosten zu können und weil ja nichts umkommen darf, muss der so Beglückte täglich an die drei Flaschen Bier trinken, ein langes Jahr lang. Wenn er einigermaßen schlau ist, verschenkt er zumindest einen Teil des Gewinns an Freunde und Nachbarn, wenn nicht liegt es zumindest im Bereich der Möglichkeiten, dass er nach einem Jahr Bier-Renten-Bezug zum Alkoholiker geworden ist, ein Dauerabonnement bei den AA bekommt oder ins soziale Abseits gerät. Das Thema „Alkoholismus“ ist nach meinem Dafürhalten viel zu brisant, als dass es mit einer solchen verunglückten Marketing-Idee als „Glücksfall“ bezeichnet wird, sich ein Jahr lang kostenlos und täglich die Kante geben zu können.
Warum keine einjährige „Milchprodukte-Rente“ oder „Säfte-Rente“, einen einjährigen „Home-Service“ für die Besorgungen oder gleich einen wöchentlichen Einkaufsgutschein? Muss es denn wirklich unbedingt Bier sein?

Wenn ich schon vorher, wie oben erwähnt, kein „Normalist“ war, mit dieser unsinnigen Aktion hat sich mein bereits vorher bestehendes Gefühl diese Kette betreffend, nochmals verstärkt.
Und meine Radzierblenden kaufe ich, wenn überhaupt, ganz bestimmt woanders.

Euch einen normalen Abend wünscht
moggadodde

Kraft durch Liebe

Meinen eigenen Horrorfilm, leider in der Realität und mit meinem Vater als Hauptdarsteller, musste ich heute durchstehen.
Am Nachmittag war ich bei meinen Eltern und der MamS fuhr mit meiner Mutter zum Einkaufen, damit sie außer ihren vier Wänden mal etwas anderes sehen kann und es oblag mir, solange auf meinen Vater zu achten. Er ist schon im Dämmerschlaf und nimmt niemanden mehr wahr, von Zeit zu Zeit hustet er zähen Schleim ab, der in hohem Bogen durch die Halskanüle schießt. Ich nahm ihm beim ersten Anfall also den Schraubverschluss ab, tupfte den Schleim weg und hoffte, dass er jetzt besser atmen könnte, was in den ersten Minuten auch so war. Trotzdem tigerte ich auf und ab und achtete auf jede Regung. Dann fiel ihm das Schnaufen schon wieder schwerer und bei jedem Atemzug rasselte es im Hals. Ich zwang mich, ruhig zu bleiben, rief meinen Bruder im Büro an, um mit jemandem zu sprechen und er versprach, gleich zu kommen. Zwischenzeitlich hörte ich, dass mein Vater wieder langsamer atmete und viel leiser als vorher. Plötzlich wurde mir bewusst, dass das zu wenig Luft war, die er da atmete, ganz flach und wie ein Fisch. Immer kürzer und schnappend ventilierte er jetzt und skurrilerweise bewegte er den weit geöffneten Mund dabei kein bisschen, weil er ja durch den Hals atmet. Jetzt bekam ich die totale Panik dass er stirbt, hier und jetzt und meine Mutter ist beim Einkaufen und mein Bruder nicht da und schrie ihn lautstark an: „Atme, los fang an zu schnaufen, fester, los, ATME ENDLICH!“ Ich war völlig aufgelöst und schraubte heulend den Deckel der Kanüle wieder ab in der Hoffnung, dass er besser Luft bekommen würde, fuhr das Kopfteil des Bettes wieder ganz nach unten und wieder nach oben, weil ich nicht wusste, wie es für ihn besser wäre. Ich hoffte, hoffte, dass endlich mein Bruder oder meine Mutter käme, bis er wieder tiefer und relativ regelmäßig atmete. Dann kam meine Mutter wieder und ich erzählte ihr von den Atemproblemen, die sie schon kannte und sie saugte ihm mit diesem schrecklichen Geräusch den Schmodder aus der Lunge. Inzwischen war auch mein Bruder gekommen und zusammen weinten wir und sprachen über die Beerdigung, weil der Arzt ihm nur noch drei oder vier Tage gibt.

Ich war nur etwas mehr als eine Stunde mit meinem Vater allein und hatte endlose, pure Angst. Meine Mutter erträgt das seit fast zwei Wochen, Tag und Nacht, und ich zolle ihr meinen tiefsten Respekt dafür, wie sie mit dieser bestürzenden Situation umgeht. Es ist unfassbar, zu welchen Höchstleistungen ein aufrichtig liebender Mensch in der Lage sein kann. Unfassbar.

Euch einen liebevollen Abend wünscht
moggadodde

Schlitzer-Schisser

Ein am Glockenseil aufgeknüpfter Zombie? Michael Myers observiert Jamie Lee Curtis mit dem Kürbisschnitzmesser in der Hand? Früher hat mich das alles nicht besonders beeindruckt.
Weil mein Babysitter so manches mal der olle Eduard Zimmermann und sein „Aktenzeichen XY“ war und ich so schon früh mit dem realen Bösen konfrontiert wurde, konnten mich Untote und Killer aller Coleur später nicht weiter beeindrucken. Vampirfilme fand ich klasse und Klaus Kinski als Nosferatu wohltuend gruselig. In den letzten Jahren bemerke ich allerdings, dass mich das alles nicht mehr so kalt lässt.
All die Horrorfilme, die ich schon einmal gesehen habe, machen mir nichts aus; ich kenne die Handlung, weiß, wann ich weggucken muss, wer überlebt und wer ins Gras beißt.
Bei Neuerscheinungen ist das schon nicht mehr so einfach, das habe ich gestern wieder festgestellt. „28 days later“ ab 22.15 Uhr auf VOX. Den MamS interessiert so etwas nicht die Bohne und weil ich das unbedingt sehen wollte, musste ich da allein durch, während er träumend in den Kissen lag.
Die ungewisse Spannung hielt ich nicht lange aus. Wikipedia verriet mir den Ablauf des Films, so dass ich wusste, an welchen Stellen ich besser eine Zigarettenpause auf der Terrasse einlegen sollte. Weil dort allerdings unter dem sternklaren Himmel einige Male unvermutet einige Fledermäuse haarscharf und lautlos an mir vorbeisausten, was auch ziemlich schaurig ist, entschied ich mich lieber wieder für die Couch und drehte den Ton leiser. Das Kreischen, wenn die Infizierten die Nahrung verfolgten, das Geräusch des infizierten Soldaten vor dem Spiegel, hinter dem sich das Mädchen versteckt, das alles nahm ich wahr, während ich eingehend die Zick-Zack-Nähte des vorgehaltenen Kissens überprüfte.
Ich hielt durch, auch weil ich unbedingt das einigermaßen erlösende Ende (ich wusste von Wikipedia bereits die Details) sehen wollte, musste mir den Weg ins Bett allerdings gut ausleuchten, um nicht in Laufschritt zu verfallen.
Dieses kribbelige Gefühl in der Magengegend, die nervöse Unruhe, das dringende Bedürfnis, auch außerhalb der extrem störenden Werbepausen die Toilette zu besuchen nennt mal wohl „Nervenkitzel“ und ich habe festgestellt, dass ich diesbezüglich offenbar ziemlich entwöhnt bin.
Diese Art von Seatgrabber brauche ich allerdings nicht mehr, das Familienleben birgt Spannung genug. Auch hier gibt es Unholde, die ständig und unersättlich auf Nahrungssuche sind, Schlitzer, die die Fleischwurst ohne Brett direkt auf der Arbeitsplatte schneiden (*kreisch*) und beängstigende Geräusche habe ich bisweilen sogar ganz nah bei mir im Schlafzimmer. Ich sehe dann und wann lieber Kochsendungen und wenn dann bei uns jemand über dem Bett schwebt, ist es nicht Linda Blair sondern der MamS, der zuviel vom blähenden Gemüse genascht hat. Apropos: „Der Exorzist“ war selbst früher für mich eine Spur zu gruselig, den habe ich noch nie ganz gesehen.
Nein, diesem Alter bin ich wohl endgültig entwachsen.

Euch einen unblutigen Tag wünscht
moggadodde

Süße Sünde

Sage und esse 825 g cremige Köstlichkeit zum Spottpreis von 1,99 €, ich musste mich schwer zusammenreißen, um den Edeka-Fuzzi nicht zur Lockerung der Höchstabgabegrenze von 12 Gläsern zu überreden. Wäre doch vielleicht etwas peinlich gewesen, immerhin hätte ich dann mehr als 10 kg Nutella und schätzungsweise 3 Milliarden Kalorien aus dem Geschäft geschleppt.

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Morgen ist ja auch noch ein Tag. Und noch sind die Lagerkapazitäten nicht ausgeschöpft.

Euch eine süße Nacht wünscht
moggadodde