Der 40. Geburtstag des demnächst scheidenden Lieblingsnachbarn erforderte selbstredend unsere unbedingte Anwesenheit. Die üblichen Verdächtigen waren am Start, allesamt höchst sympathische weil und trinkfeste Zeitgenossen und obschon der Tag nicht allzu sehr vorgerückt scheint, verstehen es wir älteren Semester offenbar vortrefflich, uns binnen kurzer Frist die sprichwörtliche Kante zu geben.
Der MamS seilte sich recht bald ab, musste noch einige unselige Unterlagen zur QS beackern, so hielt ich die Stellung und unterhielt mich prächtig. Das Getränk des Abends: B 52. Der Gast des Abends (neben dem ollen Gastgeber) mein Lieblingsbiker Steini, mit dem ich in jedem Jahr als Sozia einen ausgedehnten Ausflug in den Spessart unternehme. Ich liebe es, in hautenger Jacke und mit noch engerem Nierengurt an den Rücken eines muskulösen Riders gekuschelt geklammert die engen, kurvigen Landstraßen zu befahren, dem Rausch der Geschwindigkeit zu frönen und als einzige Geräusche neben dem Fahrtwind die aneinanderklackenden Integralhelme und das scheuernde Leder wahrzunehmen. Wir schmiedeten schon Tourenpläne für das nächste Frühjahr und ich freue mich tierisch darauf, mit steifen Beinen und obercool übergeworfener Fransenjacke einen beschaulichen Biergarten zu entern, wo sexy Steini mit Muskelshirt, tätowiertem Bizeps und dekorativem Pferdeschwanz die anwesenden Kaffeetanten schockiert.
B 52 ist ein wahres Teufelszeug. Man gebe Baileys Sahnelikör in ein Gläschen, darauf gieße man vorsichtig Kaluha Kaffeelikör und darauf gebe man hochprozentigen Rum. Man entzünde sodann die explosive Mischung und genieße das blaue Flämmchen, bis das Glas gut heiß ist, blase kräftig hinein und schlürfe das ganze durch einen Strohhalm.
Schon jetzt habe ich einen schwipsigen benebelten Kopf und wenn ich daran denke, dass morgen um 5.00 Uhr der Wecker schellt, könnte ich … oh, ihr wisst schon, vorsorglich vomieren. Zugleich kommt mir in den Sinn, dass wir am Heiligen Abend ab 9.00 Uhr auf die Terrasse eines anderen Nachbarn geladen sind, der zu seinem 62. Geburtstag zum Glühweinfrühstück mit Rostbratwurst lädt. Na, sind das sonnige Aussichten? Auf der To-Do-Liste morgen in den Katakomben: Alka-Selzer und Ibuprofen einkaufen! WO IST DER GIFTSCHRANK???
Die Weihnachtstage werden heiß … sehr heiß!
Wir können auch anders!
Ein komisches Gefühl, das ich in diesem Maß schon lange nicht mehr hatte: Wir sind eine Familie. Nicht nur nach außen der statistische Durchschnitt mit vier Köpfen, eineinhalb Gehältern und einem verblichenen Haustier. Es gab kein böses Wort heute, die Stimmung war ungetrübt und heiter, wir konnten herzhaft und ehrlich miteinander lachen, ja sogar übereinander. Zuerst besuchten wir die Festung, wo wir schon seit Jahren nicht mehr waren, obwohl wir täglich daran vorbeifahren. Die Kinder amüsierten sich prächtig darüber, dass die Fürstbischöfe nur aus ihren Fenstern auf den Innenhof zu sehen brauchten, um eine nackte Frau zu sehen, die mir bei meinen vielen Besuchen gar nicht aufgefallen war.
Der MamS verabscheut Menschenansammlungen, wie sie an einem dritten Advent auf einem Weihnachtsmarkt naturgemäß herrschen über alle Maßen, trotzdem schob er sich danach klaglos mit uns durch die Menge, damit Dixie ein Lebkuchenherz für Schatzi kaufen konnte. Die Feuerzangenbowle war so stark, dass sie mir beinahe die kalten Beine wegzog und ich konnte nicht glauben, dass Neurosen-Hank es tatsächlich über sich bringt, seine Schwester aus seinem Punschbecher trinken zu lassen, ohne danach angewidert einen neuen Pott zu verlangen,
dass Dixie es tatsächlich einen Tag lang schafft, ihren Bruder nicht durch spitze Bemerkungen auf die Palme zu bringen, dass der MamS tatsächlich auch über sich selbst lachen kann, als wir ihn aufzogen, weil er sich aus Ekel vor vielleicht nicht ordentlich gespülten Bechern standhaft weigerte, Punsch oder Glühwein zu trinken.
Seltsam war dieses Gefühl, ohne Bauchschmerzen wegen zankender Kinder oder zickigem Gatten zu sein, vielmehr mit weitem Herzen und einem glühenden Becher mit Feuerzangenbowle in der Hand auf einem vollen Marktplatz zu stehen, auf drei Menschen zu schauen und zu wissen: Das ist meine Familie. Ich könnte sie oft, sehr oft auf den Mond schießen, allesamt, oder wahlweise ungespitzt in die Erde rammen, aber der heutige Tag hat mir aber wieder einmal gezeigt, dass „Familienleben“ nicht nur aus schlechten Nachrichten, immerwährenden Schlichtungsverhandlungen oder ständigen Sanktionsmaßnahmen bestehen muss, sondern auch unglaubliche Freude und tiefe Zufriedenheit angesichts des Erreichten vermittelt und das Gefühl, die wechselseitige Zuneigung aller Beteiligten untereinander heute spüren zu können, entschädigt wieder für alle Wirrnisse, Turbulenzen und Aufregungen der letzten Zeit. Es geht also doch.
Euch eine zufriedene Nacht wünscht
moggadodde
Lazy day
Nach einer anständigen Mütze voll Schlaf und einigen Leckereien aus dem Giftschrank geht es mir heute wieder gut. Dixie hat eben ihrem Vater die neuen, kleidsamen Errungenschaften vorgeführt, Hank, die alte Diva, zickt gerade etwas herum, das gibt sich aber sicher bald wieder.
Die Sonne strahlt und es ist nicht zu kalt, deshalb werden wir unserer altehrwürdigen Festung Marienberg heute einen Besuch abstatten und, wenn uns danach ist, wollen wir eine Feuerzangenbowle auf dem Weihnachtsmarkt genießen. Wir sind zu Viert unterwegs und das macht mich ziemlich froh, gab es das doch schon lange nicht mehr …
Euch einen feurigen Sonntag wünscht
moggadodde
Der kalte Hauch
Unsere alte Yucca-Pflanze stand im Sommer auf der hinteren Terrasse. Ihr Hauptstamm ist über zwei Meter groß und drei kleinere Stämmchen sind mit etwa 50 cm darum herum versammelt. Ich hatte sie frühzeitig aus dem Winterquartier befreit, der Ende April nochmals einsetzende Frost versetzte ihr den bildlichen Streifschuss. Einige Blätter des oberen Hauptstamms musste ich entfernen, so dass Yolanda Yucca obenrum aussah wie eine schlampig gerupfte Gans. Den ästhetischen Anspruchen des MamS entsprach sie damit nun leider gar nicht mehr. „Tu sie weg“, bat er immer, „Das schaut ja bescheuert aus“, ereiferte er sich, „Boah, wenn ich das Ding schon sehe …“ jammerte er und „Hoffentlich friert’s heute nach gescheit. Dann hat sie’s endlich hinter sich …“. Ich blieb standhaft, mir gefiel die Palme auch ohne üppig bewachsene Krone auf dem Hauptstamm und entgegnete immer, dass mir auch eine Palme mit Handicap immer noch lieb sei und ich ihr niemals den Gnadenschnitt mit der Häckselschere verpassen würde …
Ich hielt ihm immer vor, dass ich mir dann ja schon mal eine Zyankalikapsel besorgen könnte, die ich im Nachttisch horte für den Fall, dass mich einmal der Brustkrebs oder der kreisrunde Haarausfall oder eine sonstige, mein Äußeres eventuell nachhaltig verändernde Krankheit ereilen sollte. Außerdem habe er auch kein üppig und glänzend bewachsenes Stammhirn, von den vorderen Stirnlappen ganz zu schweigen und, gebe ich ihm deshalb den finalen Schuss und bringe ihn zur Deponie? Darauf hatte er dann kein Argument mehr.
Heute Nacht hatten wir hier 4.1 Grad. Minus. Und ich habe die kopfkahle Palme vergessen und ein ziemlich schlechtes Gewissen.
Aus Rache am MamS, der mich hier so gar nicht unterstützte, gehe ich jetzt zum Friseur (ihr kennt ja den Salon zum „Doppelten Lottchen“ schon). Da wird er dann mal sehen, wie sehr sich Dinge Frauen verändern können. Und meine Zyankalikapsel werfe ich in die Toilette.
Euch einen blühenden Tag wünscht
moggadodde
Was ist der Wert von Zeit?
Seit mehreren Wochen gibt es in den Katakomben ein immer wiederkehrendes, unerschöpfliches Thema. Einige Kittelschürzen und auch Frau Walfisch sind zu vehementen Verfechterinnen der Nouvelle Cuisine mutiert! Dem durchschnittlich gut informierten Zeitgenossen ist der Name „Vorwerk“ bisher lediglich durch besonders leistungsfähige Kobolde Staubsauger, schaumhafte traumhafte Shampooniergeräte und ausnehmend teure strapazierfähige Auslegware bekannt. Neueste, technische Errungenschaft der Traditionsfirma, die jedermann auch mit anhänglichem, jedoch perfekt geschultem Klinkenputz-Personal verbindet, ist allerdings ein, auf den ersten Blick recht unauffälliger Kochpott mit elektrischer Heizplatte. Fanatische Anhängerinnen des dernier cri der modernen Kitchenette würden mich für diese Bezeichnung höchstwahrscheinlich steinigen, denn in ihren Augen ist der „Thermomix“ der topfgewordene Messias.
Kein Arbeitstag beginnt ohne interkollegiale Lobeshymnen und mit stolzgeschwellter Stimme vorgebrachte Menuearrangements des vergangenen Tages. Die fachgerechte Zubereitung dreigängiger Super-Spezial-Dinners, fantastischer Feinkost-Finessen, extraordinärer Entrecote-Erlebnisse, alles wird ausgewalzt wie der bittersüße Teig für Myriaden von Weihnachtsplätzchen. Ich staunte nicht schlecht darüber, dass es dieser Wunderpott offenbar vermag, aus subsenilen einfachen Landfrauen hochtrabende Gourmet-Köchinnen zu transformieren und informierte mich höchst zurückhaltend über das Gerät. Wie hungrige Stechfliegen umgarnten mich die Gewandelten daraufhin, begierig darauf, mich zu einem Besuch der zahlreichen Fortbildungs- und Verkaufsabende zu verleiten, denn die Offenbarung der Topf wird, wie alle Produkte dieser Firma, in keinem Ladengeschäft verkauft, sondern ähnlich dem Tupperware-System (auf fränkisch „Dubberwaar“) anlässlich geselliger Gruppenzwang-Sessions in eierlikörseliger Runde verhökert. Die Topfsensation könne alles, was Mensch auch anderweitig erledigen könnte: Häckseln, Schneiden, Wiegen, Mahlen, Pulverisieren (!) und er spüle sich fast allein. Nur eben schneller.
Die Damen erklärten die Handhabung wortgewaltig („Da schmeißt alles nei, roh odder wies halt is und in e baar Minudde isses feddich“) und Frau Walfisch beeilte sich zu betonen, dass sie seit Jahren keine Plätzchen gebacken habe, aber mit dem Wunderpott würden sie herrlich mürb und lecker und ich musste mir schwer die Antwort verkneifen, dass sie dieses Unterfangen angesichts ihres voluminösen Äußeren auch in diesem Jahr wohl besser gelassen hätte.
Die dienstälteste Schürze hatte heute eine ganz spezielle Spezialität in petto: Immer schon wollte ich morgens um 6.45 Uhr hausgemachten Whiskey-Sahne-Likör aus dem Thermomix schnabulieren! Wir breiteten uns auf den mit Blubberfolie ausgelegten Paletten aus, hockten wie auf einem orientalischen Basar und leerten die Flasche in erstaunlicher Geschwindigkeit. Plötzlich wurden mir die Damen richtig sympathisch und in der nun eher heimeligen anmutenden Beleuchtung der Neonröhren hatten sich mich beinahe soweit, war ich beinahe weich geklopft wie ein Schnitzel. Aber eben nur beinahe, denn ein Aspekt der Verhandlungen war bisher nicht aufs Tapet gekommen: Der Preis, il prezzo, the price, le prix. Durch den Nebel alkoholbedingter Glückseligkeit hörte ich eine Zahl, die mir gar nicht gefiel und ich meinte, irgendetwas mit 900 gehört zu haben. Angeschickert und ziemlich dröge bat ich um Wiederholung des vergangenen Satzes und wurde sprichwörtlich schlagartig stocknüchtern. Tatsächlich kostet diese Weiterentwicklung eines popeligen Schnellkochtopfes neu und ab Werk 935,00 Mücken! Ich meine, also bitte, bin ich vollkommen idiotisch und kaufe mir für den Gegenwert zweier Monatsmieten einen Elektro-Kochtopf? Schmeckt Reiberdatschi-Teig besser, wenn er in 10 Sekunden fertig ist, mundet Nudelteig, in zwei Minuten hergestellt nochmal so gut oder flasht Eierlikör, der nur 8 Minuten braucht, nachhaltiger? Sicher nicht, doch das Hauptargument der Schürzen ist die Zeitersparnis, die aber diesen wahnwitzigen Preis meiner Meinung nach niemals aufwiegen kann. Wenn ich keine Zeit habe, gibt es eben auch mal verfeinertes Dosen-Futter und wenn ich Zeit habe, genieße ich das Kochen und Hantieren mit guten und frischen Zutaten.
Ha, einen höchst hinterhältigen und perfiden Plan hatten sich die Schürzen da ausgedacht, aber ich blieb standhaft, gerade wegen der mir plötzlich bewusst werdenden Kakophonie durch die vermeintlich altruistische Kolleginnenclique.
Zu meinem nächsten Geburtstag werde ich denen eine Lasagne in die Kantine bringen, die sie ihr Leben lang nicht mehr vergessen werden und die sie vor Verzückung an ihrem Verstand zweifeln lassen wird. Ganz schnöde hergestellt im heimischen Heißluftherd und vollkommen ohne sündteures Angeber-Equipment. Den Thermomix werde ich erst kaufen, wenn er als das perfekte Haushaltsgerät komplett ausgereift ist, wenn er Wände in meiner Lieblingsfarbe streichen, Staub ohne Verwirbelungen wischen und Fenster streifenfrei reinigen kann, und zwar gleichzeitig!
Euch eine heiße Nacht wünscht
moggadodde