Was für ein schickes Restaurant! Sparsam und sehr modern möbliert mit teuren, dunklen, gepolsterten Lederstühlen, einem ochsenblutrot gehaltenen Ausschankbereich und schweren, dunklen Samtvorhängen erinnerte es mich eher an die Bar eines vornehmen, russischen Hotels. Der Fliesenboden war geschickt gewählt, sah auf den ersten Blick aus wie Linoleum und fügte sich als perfekter Kontrast in das ansonsten sehr moderne Ambiente. Ein kaukasisches Restaurant habe ich mir eher schwülstig und opulent ausgestattet vorgestellt, mit üppig geformter Babuschka in einer geblümten Schürze und einem runzligen Großväterchen, dem ein Pfeifchen im Mundwinkel steckt und der lächelnd das bunte und laute Treiben um ihn herum beobachtet. Als wir das ansonsten leere Lokal betraten (eröffnet vor vier Wochen!) saßen zwei Frauen mit einem Mann im T-Shirt an den hinteren Plätzen. Der Mann musste der Koch sein und war vom Tagwerk wohl ziemlich erschöpft, denn er lag er mit dem Oberkörper auf dem Tisch. Eine der Damen brachte die Karte, die für meinen Geschmack angenehm übersichtlich war; ich mag es nicht sonderlich, 15 Seiten Speisekarte durchforsten zu müssen, denn die Zutaten für so viele verschiedene Gerichte können unmöglich alle frisch sein.
Wie orderten „Lobio“, einen Salat aus roten Kidney-Bohnen mit Kräutern, Zwiebeln und Oliven, sowie „Assorti“, Variationen von verschieden gewürztem Rindfleisch, das getrocknet in hauchdünnen Scheiben mit hauchdünnen Fladen gereicht wurde. Als Hauptgericht wählten wir „Khorowatz“ vom Schwein mit einer Soße aus Tomaten, etwas Chili, Joghurt und Koriander sowie gegrillten Kartoffeln und „Kjabab“ vom Lamm mit einer Soße aus Pflaumen, ebenfalls mit Kartoffeln. Den gemischten Salat „Erevan“ hatte die hübsche Russin (Armenien, Georgien?) vergessen, aber meine Portion „Khorowatz“ war genug. Es handelte sich hierbei um Fleischbrocken, nicht besonders zart und recht durchwachsen, die ebenso wie „Kjabab“, das nicht nur vom Namen her dem türkischen Kebap ähnelt, auf Lavasteinen zubereitet wird. Tatsächlich findet sich in allen Gerichten ein leichter Knoblauchtouch, Koriander, Zwiebeln und viel Kraut, vornehmlich rot, ist offenbar obligat. Schwer, fett und dauerhaft in den Gedärmen kreisend, das ist das Fazit, das ich aus dem Kaukasus für heute mitnehme, jedenfalls ist dies keine Kost, die ich mir des öfteren einverleiben müsste, zumal die auf der Karte befindlichen „Schweinefüße in Marinade“ sich auch als „Mzwadchali“ nicht viel besser anhören.
Beim Abräumen der Teller fragte die Dame im kleinen Schwarzen das übliche „Hat geschmeckt, war genug?“ und der MamS antwortete freundlich und ehrlich, dass es sehr gut geschmeckt habe, er (der ordentliche Portionen schätzt) aber nochmal zwei Kjabab vertragen könnte, was sie jedoch geflissentlich und leise lächelnd überhörte.
Der MamS und ich haben Wetten laufen, wie lange sich dieses Lokal inmitten einer bürgerlichen Umgebung ohne überwiegende Migrantenbevölkerung in der ohnehin konservativen Bischofsstadt wohl halten wird. Sicher sind wir uns beide: Lange wird es nicht dauern, bis sich die Pforten zur Erlangung einer Menge kaukasischen Hüftgoldes wieder schließen werden. Als wir nach zwei Stunden das Lokal verließen, waren wir noch immer die einzigen Gäste …
Aus gegebenem Anlass heute mal wieder ein
karminativ
was „blähungstreibend“ bedeutet und was den heutigen Abend treffend umschreibt:
Die kaukasische Küche kommt reichlich karminativ daher …
Euch einen wohlriechenden Abend wünscht
moggadodde