Graue Watte

Was ist heute nur los? Ich komme nicht in Tritt, mein Kopf ist irgendwie vernebelt und nur mit Anstrengung kann ich mich an zu führende Telefonate und zu erledigende Aufgaben erinnern. Dauernd schweifen meine Gedanken ab und verfahren sich für einige Momente in immer wieder neue, trotzdem nichtsnutzige und kontraproduktive Sackgassen. Der Blick aus dem Fenster erweckt zudem den Eindruck, als habe da oben heute jemand vergessen, die Sonne anzuknipsen. Das Gefühl, als wäre ich nur zum Teil anwesend, verwirrt mich und ich habe keine Ahnung, wo ich meine andere Hälfte gelassen habe, ertappe mich dabei, wie ich mich umsehe, ob ich nicht vielleicht hinter mir stehe. Ich gebe dem zunehmenden Mond die Schuld, obwohl mir für gewöhnlich die astronomischen Gezeiten keine Probleme bereiten. Äußerlich fahl wie der Mond und im Inneren grau wie der Himmel über mir. Dunkel und dennoch fast transparent und zugleich leicht wie eine Seifenblase, die mit Rauch gefüllt ist, schwebt mein Ich umher. Wie nach einer unvermutet abgebrochenen Lobotomie, die mich unvollständig und mit vakuumisiertem Gehirn zurücklässt. Jetzt werde ich mich suchen und hoffe sehr, bald fündig zu werden, denn so unfassbar wie ein flüchtiges Gas kann ich mich selbst nicht lange ertragen …

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Ausgebremst

Eine neue Winterjacke wollte ich mir kaufen, jetzt, da es anscheinend doch kälter zu werden droht scheint und vielleicht ein neues Blüschen. Stattdessen habe ich mir heute nicht nur einen, nein gleich zwei niegelnagelneue Zylinder gegönnt. Zwei Tage habe ich jetzt nämlich versucht, das leuchtend rote Bremswarnlämpchen zu ignorieren, in der Hoffnung, es wäre gerade unpässlich oder defekt. Ich suchte heute also eine Werkstatt auf und der Meister zeigte mir die Radbremszylinder, aus denen lustig die Bremsflüssigkeit heraussuppte. Weil die Bremsklötze auch gründlich getränkt waren, mussten sie ebenfalls gewechselt werden. No way out. Mein Flitzer wurde sofort verarztet und innerhalb einer Stunde war die Chose erledigt. Den Rechnungsbetrag von 220,00 € wollte die Chefin von det janze allerdings gleich haben, nix Rechnung, mangels Vertrauen in mich als Neukundin, nix Karte, mangels technischer Ausstattung. Ein Markenautohaus, zugegebenermaßen JWD und neu errichtet aber es gibt keine Möglichkeit der bargeldlosen Zahlung! Keine Bank in der Nähe, etwas weiter nur fremde Institute, bei denen Gebühren erhoben worden wären und wozu ich nicht bereit war. So füllte die Chefin des Hauses einen Ãœberweisungsträger aus, ließ mich bei meiner Bank anrufen und sich bestätigen, dass die Ãœberweisung ausgeführt wird. Ich muss euch sicher nicht weiter ausführen, dass ich dieser Werkstatt meine Aufwartung nicht mehr machen werde. Das Misstrauen gegen Neukundschaft kann ich wohl nachvollziehen, nicht aber, dass die angebotenen Ausweispapiere mit der Begründung „des könnt‘ ja alles falsch sein“ abgelehnt wurden. Das ist mir ja wirklich noch nicht passiert und wirklich, ich fühlte mich ganz schön vorgeführt ungerecht behandelt.

Euch einen glaubwürdigen Abend wünscht
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Fortschreitende Formatierung

SchwäSu und ich sind einigermaßen enthusiastische Leser und Cineasten. Immer öfter entspinnt sich allerdings in etwa folgender Dialog:

Su.: „Hey, du hast doch auch das neue Buch von Kathy Rich schon gelesen!“

Ich: „Das, in dem Freddie und Stan in Atlanta den Rattengiftmörder jagen?“

Sie: „Nee, naja, in Atlanta schon. Aber ging’s da nicht um den Serienkiller, der seinen Opfern Kidneybohnen in die Nasenlöcher stopft? Und war das mit dem Rattengift nicht von Linda Floyd?“

Ich: „Du täuschst dich. Das war in diesem Buch, auf dem vorne eine 50er-Jahre Küche drauf ist, ach, wie hieß der noch, äh, äh, Moment, ja!: „Laila und der Currykönig“! Von Marie-Luise Limmer!“

Sie: „Quatsch. Warte, ich hab mir irgendwo aufgeschrieben, ja, hier: „Der Pizzabäcker des Grauens“. Da war das mit den Bohnen. War das nicht im ‚Currykönig‘ mit den indischen Mädchenhändlern? Die dann in der finnischen Sauna in Moskau gelandet sind?“

Ich: „Kann sein. Aber, hm. Ich kann mich an dieses Rich-Buch irgendwie gar nicht erinnern.

Sie: „Ich auch nicht.“

Früher wären Autorennamen, Augen- und Haarfarbe der Protagonisten, Gestaltung des Schutzumschlags und vollkommen korrekt wiedergegebene Handlung genauso spontan aus unseren Mündern geflossen wie der Schaum aus einer Flasche geschüttelten Champagners spritzt.
Seit einiger Zeit jedoch stellen wir diesbezüglich jedoch immense Lücken in unseren Denkapparaten fest und fragen uns besorgt: Ist das der Anfang? Neigt sich die Nadel unserer Gehirnleistungsanzeige langsam aber sicher in den roten Bereich? Nähern wir uns mit Riesenschritten einem Zustand, der im Endstadium ziemlich schattig daherkommt, der Dementia senilis? Ich meine, beide sind wir jetzt über 40 und der Zenit scheint nicht nur in greifbarer Nähe sondern vielleicht schon unter unseren Zehenspitzen. Hasta la Vista. Schluss mit Lustig. Ende der Fahnenstange. Aus die Maus.

In feuchtfröhlichen aufarbeitenden Gesprächen sind wir jedoch zum Ergebnis gekommen, dass die Demenz rational betrachtet und unter Außerachtlassung jeglicher Sentimentalitäten auch eine Bereicherung sein kann. Weil Inhalte von Filmen und Büchern von unseren mentalen Speichermedien getilgt sind, sparen wir uns ein hübsches Sümmchen, lesen die gleichen Schinken in gewissen zeitlichen Abständen immer wieder und erleben sie, als läsen wir sie zum ersten mal, so wie es ab und an schon jetzt vorkommen kann. Es kommt eben immer auf den Blickwinkel an.

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Euch einen denkwürdigen Abend wünscht
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Cook mal weg!

Offenbar habe ich mit den inzwischen verlorenen Pfunden auch Teile meiner cuisinellen Fähigkeiten eingebüßt. Die angeforderten Kuchen für das morgige After-Church-Brunch und die heutige Jebriwami-Party bei den weggezogenen Nachbarn haben mich stundenlang auf Trab gehalten. Einen lausigen Rührkuchen, mit Rotwein und Kakao, habe ich schon dutzende male aus dem Ärmel geschüttelt. Einfach, schnell und gut, dachte ich mir, da machste gleich zwei und bist fettich. So weit so schlecht. Denn irgendwie war das heute gar nichts. Gut, ich hatte eine neue Kastenform von Herrn Kamprad aber das allein konnte nicht ausmachen, dass der Kuchen hastenichtgesehen schwarz und schwärzer wurde und entsprechend roch stank, während sein dunkles Herz immer noch eine flüssige Konsistenz zeigte. Beim zweiten Durchgang plinste ich schon öfter mal in den Ofen und teilte den Teig nochmals auf kleinere Formen auf, aber auch diese Runde ging verloren. Ein kleines, rundes Exemplar schmiss ich sofort in die Tonne, die anderen beiden bearbeitete ich wie August Rodin. Mit dem Messer habe ich die schlimmsten Verbrennungen beseitigt und ordentlich Kuchenglasur darübergekippt, damit die Unebenheiten aufgrund meiner bildhauerischen Betätigungen nicht offensichtlich sind. Als Entschädigung für das mißlungenene Backwerk habe ich zur Beseitigung meines schlechten Gewissens noch einen leckeren Tomatensalat mit Schafskäse und roten Zwiebeln vorbereitet, den ich gleich zur Jebriwami-Party mitnehme.

Der Kuchen versaut, der Salat sensationell. Irgendwie scheint mich mein Unterbewusstsein mehr zu beherrschen, als mir lieb ist.

Euch einen schmackhaften Abend wünscht
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Very truly yours

Eben beim Abspülen fragte Hank: „Mama, was ist dein größter Besitz?“ und da musste ich erstmal nachdenken. Ich antwortete ihm in kindgerechten Worten aber sinngemäß, dass mein persönlicher, größter im Sinne von teuerster Besitz der Diamantring sei, den ich mir noch zu kinderlosen Zeiten aus eigener Tasche auf Anraten meiner Ex-Chefin (der blöden Schabracke, das sagte ich aber nicht) als Wertanlage gekauft hatte. Er schien enttäuscht, weil ich nicht ihn oder wenigstens seine Schwester oder noch wenigstenser seinen Vater nannte. Ich erklärte ihm, dass man Menschen nicht besitzen könne. Ein Auto könne man besitzen oder ein Haus oder eben ein Schmuckstück. Er und seine Schwester seien mir das Liebste auf der Welt und das sei ein Unterschied, weil das bedeutet, dass er mir nicht gehöre und ich nicht über ihn bestimmen könne. „Gegenfrage“, sagte ich, um ihn zu testen: „und was ist dein größter Besitz?“. Er fing an aufzuzählen, seine Mineraliensammlung, seinen Gameboy und dann drückte er mich mit seinen spülwasserfeuchten Händen und sagte: „Und ihr natürlich!“. Zwar stand mein Mutterherz nun in Flammen aber ich fürchte doch, für philosophische Exkursionen ist er eindeutig zu jung …

Euch einen liebevollen Abend wünscht
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